Kooperatives Lernen im Englischunterricht. Andreas Bonnet
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СКАЧАТЬ wird auf die förderliche Interaktion („promotive interaction“) gelegt, die Johnson/Johnson (1994, 48) mit acht Qualitäten charakterisieren: gegenseitige Unterstützung, Austausch von Gedanken und Materialien, gegenseitige Rückmeldung, konstruktive Kritik der Überlegungen und Schlussfolgerungen des Partners, gegenseitige Ermunterung zu weiteren Anstrengungen, vertrauensvolles Verhalten, beiderseitigen Nutzen verfolgen, angeregtes Miteinander ohne Angst und Stress.

      2.2.3 Begriffskritik aus Fremdsprachenforschung und Schulpädagogik

      Sichtet man die Forschungsliteratur zu KL der letzten Jahre, so findet sich eine deutlich variantenreichere Begriffsverwendung als mit den beiden bisher genannten Definitionen abgedeckt wäre. Abgesehen von Veröffentlichungen, die den Begriff des KL voraussetzen und nicht weiter klären (z. B. Finkbeiner 2000; Law 2011) lassen sich folgende Verwendungen rekonstruieren:

      1 Eher weite Definitionen verwenden ein oder zwei der oben genannten Basiselemente und verstehen KL ansonsten als eine recht freie Form eigenverantwortlicher, selbstregulierter, aktiver und offener Gruppenarbeit (Haitink/Haenen 2002; Huber 2001; Jacobs/Farrell 2001; Rankes 1999), in der sogar Ziele und Wege zwischen den Gruppenmitgliedern ausgehandelt werden und gemeinsame Wissenskonstruktion stattfinden soll (Chinnery 2008; Overmann 2002). Kooperation und Kollaboration werden dabei begrifflich nicht unterschieden (Imai 2010).

      2 In anderen Studien findet sich ein deutlich engerer Begriff, der nahezu alle Basiselemente sowie die methodische Vorstrukturierung der Interaktion als notwendige definitorische Merkmale von KL umfasst (Ghaith 2002; Sharan 2010). In einer Publikation dieser Gruppe wird die stärker auf Arbeitsteilung angelegte Interaktionsform der Kooperation von der stärker auf eine gemeinsame und koordinierte Definition von Problem und Lösungsweg angelegte Interaktionsform der Kollaboration unterschieden (Dillenbourg et al. 1996).

      3 Weitere Studien verwenden einerseits eine enge Definition von KL über die Basiselemente und das Moment der starken Strukturierung, nehmen andererseits innerhalb dieser vorstrukturierten Arrangements aber sehr wohl die Ko-Konstruktion von Wissen an (Dörnyei 1997).

      4 In aktuellen unterrichtspraktischen Aufsätzen ist die Orientierung am Grundprinzip des Think-Pair-Share vorherrschend. Es wird entweder explizit genannt (Agethen 2012; Kraus 2012; Küppers 2012) oder implizit deutlich (Blume 2012; Schlinghoff 2012). Im Gegensatz dazu stehen Veröffentlichungen, die bewusst Bezüge zwischen KL und anderen Ansätzen wie Storyline oder Simulation herstellen (Bonnet 2009; Breidbach 2009; Fischer 2009; Stoffregen 2009).

      Angesichts dieser Vielfalt von Definitionen erscheint eine zuspitzende Begriffsbestimmung sinnvoll. Dazu liegt ein Vorschlag von Rebecca Oxford (1997) vor. Zur Systematisierung der zahllosen, im Zuge der kommunikativen Wende des Fremdsprachenunterrichts in den 1970er und 1980er Jahren entstandenen Ansätze zur Inszenierung zielsprachlicher Interaktion im Fremdsprachenunterricht greift sie die Unterscheidung von Dillenbourg et al. (1996) auf und schlägt vor, drei Bereiche zu unterscheiden: „Cooperative learning, collaborative learning, and interaction are three ‚communicative strands‘ in the foreign or second language (L2) classroom“ (Oxford 1997, 443).

      KL wird von Oxford – mit unwesentlich anderer Schwerpunktsetzung – analog zu den bis hierher referierten Ansätzen über die Basiselemente definiert, v. a. positive Abhängigkeit und individuelle Verantwortlichkeit. Die Autorin beschreibt übereinstimmende Befunde zu dessen Wirkungen und benennt Vorgehensweisen bei der Planung kooperativen Unterrichts; ferner unterscheidet sie vier Inszenierungstypen (Teambuilding-Methoden, Arbeitsteilungs-Methoden, Kommunikations-Methoden, Expertisebildungs- und Wiederholungs-Methoden). Aus ihrer Aufzählung wird deutlich, dass damit ausschließlich jene Methoden gemeint sind, die auf das Think-Pair-Share-Prinzip zurückgehen. Als zentrales Charakteristikum arbeitet sie heraus, dass KL ganz bestimmte Ziele – insbesondere im Bereich des sozialen Lernens – verfolgt, deren Erreichen durch eine hohe Vorstrukturierung der Interaktionsformen, die die Lernenden in engen Bahnen leiten, sichergestellt werden solle.

      Im Gegensatz dazu stehe kollaboratives Lernen, das sich gerade nicht in den engen Bahnen vorgegebener Methoden, sondern vielmehr in der freien, sogar über klar definierte Projekte im engeren Sinne hinausgehenden Arbeit an „broad content-rich ideas“ (ebd., 447) vollziehe. Als zentrale theoretische Bezugspunkte benennt Oxford Deweys Pragmatismus und Vygotskys Sozialkonstruktivismus. Daraus ergäben sich Ziel und Weg dieses Ansatzes. Das Ziel sei nicht die Erreichung klar vorgegebener sozialer oder inhaltlicher Teilfertigkeiten, sondern vielmehr die bewusste, weil reflektierte Akkulturation der Lernenden in eine Lernergemeinschaft. Die dabei zu entwickelnden Fähigkeiten würden dadurch erworben, dass die Lernenden unterstützt durch Lehrende und peers in ihrer Zone der proximalen Entwicklung arbeiteten. Diese Zone könne durch entsprechende Unterstützungsmaßnahmen (scaffolding) ausgeweitet und damit deren Lerneffekte erhöht werden. Als wesentliches Charakteristikum dieses Ansatzes wird herausgearbeitet, dass die Lernenden und Lehrenden eine Gemeinschaft bilden, die durch in gemeinsamer Praxis ausgehandelte soziale und kulturelle Übereinkünfte definiert wird. Hier drängt sich die Idee der Praxisgemeinschaft (Wenger 1998) als Analogie auf, in der Lernen in gemeinsamer Arbeit an großen Themen stattfindet.

      Als dritte Inszenierungsform nennt Oxford Interaktion, unter die sie eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze, wie z. B. Spiele, Rollenspiele, Simulationen oder dramapädagogische Formate subsumiert. Ein gemeinsames Charakteristikum ergibt sich in ihrer Darstellung für diese Gruppe von Ansätzen nicht, sondern sie würden dadurch verbunden, dass sie Aufgabenformate verwenden, die Interaktionsbereitschaft und zielsprachliche Kommunikation förderten, Raum für unterschiedliche Lernerstile und -strategien ließen und Gruppendynamik berücksichtigten. Dementsprechend werden in der Gegenüberstellung sowohl der Grad der Vorstrukturierung als auch der Grad der Offenheit der Aufgaben als variabel bezeichnet.

      Diese dreiteilige Klassifikation macht einerseits auf wichtige kritische Aspekte aufmerksam (vgl. Kap. 2.2.3). Sie trägt aber nur bedingt zu einer Präzisierung des Begriffs bei. So bringt Oxford das KL sehr gut auf den Punkt. Ihre Ausführungen zu kollaborativem Lernen bleiben aber auf der Ebene übergeordneter Ziele (Akkulturation) und Konzepte (scaffolding), so dass es auf der Basis ihrer Überlegungen schwierig ist, kollaboratives Lernen im Unterricht als solches zu erkennen. So wird sie an keiner Stelle konkreter als die genannten „broad content-rich ideas“, so dass unklar bleibt, ob auch Projektarbeit oder task-cycles im Sinne der Aufgabenorientierung (vgl. z. B. Nunan 2005) als kollaboratives Lernen gelten können oder dafür noch zu kleinschrittig sind. Dies gilt noch mehr für den von ihr Interaktion genannten Bereich, der eigentlich eine Restkategorie für nicht in die beiden vorgenannten Gruppen passende Ansätze ist. Auch die Überlegungen von Oxford verweisen somit auf die Notwendigkeit einer begrifflichen Präzisierung, ihre Dreiteilung wirft neue Probleme auf und ist nicht trennscharf. Das terminologische Problem erweist sich damit als ein konzeptuelles Problem. Um den Begriff des KL abschließend klären zu können, müssen daher zunächst seine theoretischen Rahmungen betrachtet werden.

      2.3 Theorien zu Kooperativem Lernen

      Die Forschung zu KL ist stark mit den Namen der amerikanischen Psychologen David und Roger Johnson verbunden. Ihr Buch Learning together and alone (1994) und dessen Folgepublikationen (s. u.) haben in umfassender Weise die bis zu seinem Erscheinen verfügbaren empirischen Ergebnisse zusammengefasst und daraus Konzepte für kooperative Formen des Lehrens und Lernens abgeleitet. Sie haben auch den Versuch unternommen, einen theoretischen Rahmen zu formulieren, innerhalb dessen KL beforscht werden kann. Ihre Befunde werden immer wieder als grundlegend und die positiven Wirkungen von KL stützend referiert. Daher bilden ihre Überlegungen den Ausgangspunkt der theoretischen Diskussion.

      2.3.1 Gruppendynamik und Motivation

      Johnson und Johnson (2015, 2003, 1994) gehen von der Prämisse aus, dass Menschen als soziale Wesen am meisten erreichen, СКАЧАТЬ