Kooperatives Lernen im Englischunterricht. Andreas Bonnet
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СКАЧАТЬ des Bearbeitens von Aufgaben sind weit gefasst. Als Aufgaben – sie verwenden interessanterweise zumeist das Wort effort, das semantisch unmittelbar mit Anstrengung verbunden ist – verstehen sie unterschiedliche Dinge, denen Menschen sich stellen können: einen Berg besteigen, ein Buch schreiben, in der Schule Kompetenzen erwerben. Und Erfolg wird nicht einseitig wirtschaftlich oder in Bezug auf Lernen verstanden, sondern mindestens genauso wichtig nehmen sie emotionale und soziale Wirkungen. Sie gehen davon aus, dass Menschen nicht nur nach Geld oder Wissen streben, sondern auch sich selbst kennenlernen und in für sie gut balancierten sozialen Beziehungen leben wollen.

      Dementsprechend enthält ihr theoretischer Rahmen mehrere Elemente. Das erste Element hat mit Schule nur am Rande zu tun. Aus der Forschung zu Gruppendynamik in der allgemeinen Psychologie verwenden sie das Konzept der sozialen Interdependenz1. Sie unterscheiden damit drei Formen, in denen sich soziales Miteinander vollziehen kann und nehmen an, dass diese Formen auch zu unterschiedlichen Wirkungen führen. Positive Interdependenz führe zu produktiver Kooperation. Negative Interdependenz führe zu gegenseitig blockierendem Wettbewerb. Individualisierung erzeuge keine Interdependenz und führe damit auch zu keinem Austausch:

      The social interdependence perspective assumes that the way social interdependence is structured determines how individuals interact which, in turn, determines outcomes. Positive interdependence (cooperation) results in promotive interaction as individuals encourage and facilitate each other’s efforts to learn. Negative interdependence (competition) typically results in oppositional interaction as individuals discourage and obstruct each other’s efforts to achieve. In the absence of interdependence (individualistic efforts) there is no interaction as individuals work independently without any interchange with each other (Johnson/Johnson 1994, 39).

      Diese Perspektive verbinden sie mit zwei theoretischen Ansätzen, die sich fragen, warum und wie Menschen lernen. Mit Jean Piaget nehmen sie an, dass Interaktion für individuelles Lernen unverzichtbar ist. Menschen erkennen in Gesprächen, wo ihre Meinungen, Bewertungen oder Vorstellungen auf unzutreffenden Annahmen beruhen (kognitiver Konflikt) und erhalten so Gelegenheit, ihre Annahmen zu verändern (Akkommodation): Lernen findet statt. In ähnlicher Weise verstehen sie auch Lev Vygotskys sozialkonstruktivistische Ideen, ohne jedoch die Unterschiede zwischen den beiden herauszuarbeiten.

      Alle bisher benannten Theorien gehen davon aus, dass Menschen einen inneren Antrieb zur Kooperation haben. Sie möchten z. B. Widersprüche in ihrer Weltsicht auflösen und begeben sich daher in den Austausch mit anderen. Johnson und Johnson benennen aber noch eine zweite Sichtweise. Mit Bezug auf unterschiedliche Lern- und Motivationstheorien, verbunden mit Namen wie Skinner, Bandura oder Slavin, verweisen sie darauf, dass Menschen eben nicht nur aus sich heraus handeln. Anstrengungen würden nur dann in Kauf genommen, wenn das Ziel lohne, und externe Anreize könnten die Anstrengungsbereitschaft durchaus fördern. Obwohl die Konflikte zwischen diesen unterschiedlichen Theorierahmen noch lange nicht ausgeräumt seien, hätten die verschiedenen Ansätze eine Vielzahl von Untersuchungen hervorgebracht, die Erkenntnisse zum KL beigesteuert hätten.

      2.3.2 Theoriekritik aus Fremdsprachenforschung und Schulpädagogik

      Nicht nur aus der Fremdsprachenforschung wird dieser theoretische Rahmen durchaus kritisch betrachtet. Die bereits referierten (vgl. Kap. 2.2.2) Überlegungen von Oxford (1997) lenken den Blick darauf, dass der theoretische Rahmen des KL, so wie Johnson/Johnson ihn konstruieren, keinesfalls unproblematisch ist. Sie argumentiert sehr überzeugend, dass der für KL häufig herangezogene Sozialkonstruktivismus höchstens teilweise zu den rigiden Strukturvorgaben des KL passt. Diese Vorgaben kann man sicherlich als scaffolding betrachten. Allerdings verträgt sich die Vorstrukturierung des KL wenig mit der dem Sozialkonstruktivisums zu Grunde liegenden Idee der kulturellen und sozialen Situierung von Lernprozessen in Lerngemeinschaften, für die umfassende Aushandlungsprozesse grundlegend sind. Man kann Oxfords abweichende Klassifizierung somit auch als Anfrage lesen, ob KL in der Variante hoher methodischer Vorstrukturierung blind für institutionelle und organisationale Effekte sei. Dies wird in der Folge (s. u.) nochmals aus schulpädagogischer Perspektive zum Thema werden.

      Neben dieser etwas vorschnellen Vereinnahmung des Sozialkonstruktivismus wird an anderer Stelle (Würffel 2007) darauf hingewiesen, dass auch die Verwendung des Konzepts der positiven Interdependenz bei verschiedenen Autor*innen nicht unproblematisch ist. Unter Bezugnahme auf Huber (1999) führt Würffel aus, dass insbesondere bei Johnson/Johnson die Tendenz herrsche, „mit bestimmten Begriffen immer freier umzugehen und ihre Herkunft nicht konsequent über Quellenangaben zu verdeutlichen“ (Würffel 2007, 9). Das von ihr als umfassende Alternative vorgeschlagene Modell kooperativer Aufgabenbearbeitung, das der Komplexität des Gegenstands Rechnung tragen soll (Würffel 2007, 12ff.), ist eine sehr interessante Alternative, bedarf aber in seiner enormen Breite noch begrifflicher Präzisierung und empirischer Fundierung.

      Zwei darin vorgeschlagene begriffliche Klärungen können allerdings unmittelbar aufgenommen werden. Zum einen diskutiert sie unterschiedliche Positionen zu KL und schlägt vor, nicht unterschiedliche Termini (z. B. Kooperation vs. Kollaboration) zu verwenden, sondern den Grad der Kooperativität einer jeweiligen Aufgabe oder Gruppenarbeit zu bestimmen. Dazu empfehle sich einerseits eine Bestimmung des „Strukturierungsgrades des Arbeitsprozesses durch die Aufgabe“ (Würffel 2007, 5) und andererseits „die Art und Weise der Wissenskonstruktion“ (ebd.), wobei schwache Kooperativität vorliege, wenn die Strukturierung hoch sei und die Wissenskonstruktion individuell erfolge. Starke Kooperativität sei hingegen gegeben, wenn die Strukturierung niedrig sei und die Wissenskonstruktion interaktiv-kollektiv erfolge. Diese Konzeptualisierung ist sehr sinnvoll, denn sie trägt der oben genannten Tatsache Rechnung, dass bestimmte Aufgabenformate oder Methoden zwar Strukturierung und Wissenskonstruktion beeinflussen, dass sich deren tatsächliche Ausprägung aber erst in der konkreten Interaktion selbst ergibt.

      Die zweite sehr sinnvolle Anregung besteht darin, die verwirrenden Detaillierungen der Diskussion um unterschiedliche Arten der Interdependenz auf die grundlegende Unterscheidung von positiver und negativer Interdependenz zurück zu führen:

      Fassen wir zusammen: Soziale Interdependenz muss gegeben sein, damit von einer Gruppe gesprochen werden kann. Je nach Charakter der Verflechtung der Ziele der Gruppenmitglieder kann es eine positive oder eine negative soziale Interdependenz geben. Die Wahl eines kooperativen oder eines kompetitiven Verhaltens des Einzelnen in der Gruppe oder zwischen Gruppen geschieht in Abhängigkeit von der Interdependenzstruktur und d.h. letztlich in Abhängigkeit vom Charakter des gemeinsamen Ziels (bzw. der Verflechtung der individuellen Ziele) (Würffel 2007, 11).

      Damit richtet sich das Augenmerk auch weniger darauf, theoretisch über unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten oder bestimmten Methoden innewohnende Qualitäten zu spekulieren. Vielmehr ermöglicht es, mit der einfachen Unterscheidung zwischen positiver und negativer Interdependenz und damit zwischen kooperativen, kompetitiven und individualisierenden Situationen in die empirische Untersuchung zu gehen und dort zu ermitteln, welche Differenzierungen unterschiedlicher Facetten von Interdependenz auftreten.

      Dass derartige Präzisierungen bedeutungsvoll sind, wird sowohl theoretisch als auch empirisch nahegelegt. Zum einen dürfte es relevant sein, um welche Art von Zielen es sich in konkreten Aufgabensituationen handelt. In ihrem Forschungsüberblick und den von ihnen referierten eigenen Untersuchungen kommen Buchs/Butera (2015) zu dem Ergebnis, dass die Kooperativität von Gruppenarbeiten und damit die Lernzuwächse dann größer seien, wenn die Schüler*innen Könnensziele (mastery goals) und nicht Leistungsziele (performance goals) verfolgen. Könnensziele seien vorhanden, wenn den Schüler*innen deutlich ist, in welcher Weise sich ihr Können und das ihrer Mitlernenden durch die Gruppenarbeit erweitern soll und wird. Dadurch werde Kooperativität erhöht. Leistungsziele seien hingegen vorhanden, wenn es darum gehe, ein bestimmtes Produkt, das an einem Standard gemessen wird, zu produzieren. Dadurch werde die Kooperativität der Gruppe vermindert und das Konkurrenzprinzip käme zum Tragen:

      Moreover, СКАЧАТЬ