Kooperatives Lernen im Englischunterricht. Andreas Bonnet
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СКАЧАТЬ von Kooperativität durch Vorgaben und begleitendes Handeln beeinflussen können und wie dieses Handeln zustande kommt. Anders gefragt: Wie schlagen sich die Orientierungen der Lehrenden im Unterricht nieder und woher kommen sie? Zum anderen stellt sich die Frage, wie die Inszenierung von KL auf die Lehrenden zurückwirkt. Anders gefragt: Wie werden die Orientierungen von Lehrer*innen durch kooperativen Unterricht verändert? Wurde bislang – sowohl in der Forschung als auch v. a. in der Praxisliteratur – gefragt, was Lehrer*innen mit KL machen, so fragt diese Studie nun darüber hinaus, warum sie das machen und was KL mit den Lehrer*innen macht. Diese Teilfragen werden durch das Zusammenspiel der Teilstudien zum Unterricht und zur Professionalisierung der Lehrer*innen bearbeitet.

      Was lässt sich zum Stand der Lehrerforschung im Bereich des KL sagen? Zum einen finden sich Veröffentlichungen sowohl im deutschen (z. B. Pauli/Reusser 2000), als auch im englischen Sprachraum (z. B. Gillies 2007; Gillies/Boyle 2010), die den Forschungsstand der Lehrerforschung zu KL resümieren und die Veränderung der Lehrerrolle beim KL betonen. Unter der Überschrift „teachers’ responsibilities in establishing cooperative learning“ fasst Gillies (2007, 193–217) die Befunde zahlreicher Untersuchungen zusammen. Unter Berufung auf drei Studien (Ayres/Sawyer/Dinham 2004; Dolezal et al. 2003; Walker 2000) bestimmt sie zunächst Eigenschaften von Lehrer*innen, in deren Unterricht besonders erfolgreich gelernt wird. Diese Lehrer*innen besitzen demnach emotionale (Freundlichkeit, Zugänglichkeit, menschliche Wärme, Begeisterung für das Fach) und kognitive (Stellung und Durchsetzung hoher inhaltlicher Anforderungen, hohes Fachwissen, großes Methodenrepertoire) Charakteristika, die dazu führen, dass ihre Schüler*innen inhaltlich herausgefordert werden, Risiken eingehen, große kognitive Verarbeitungstiefe der Inhalte erreichen, miteinander kooperativ arbeiten und Verantwortung übernehmen. Um diese Ziele im Rahmen von KL zu erreichen, müssten Lehrer*innen laut Gillies v. a. vier Dinge gelingen: das Setzen von Erwartungen für die kooperative Gruppenarbeit, die Förderung von dem Kompetenzerwerb dienenden (kommunikativen) Handlungsmustern der Schüler*innen, die Aufgabenstellung, die Bereitstellung von Feedback zu den beobachteten Lernfortschritten der Schüler*innen. Diese vier Bereiche, die man auch als aufeinander folgende Schritte bei Einführung von KL auffassen kann, werden im Folgenden nacheinander kurz diskutiert.

      Das Setzen der Erwartungen beginnt laut Gillies (2007, 198ff.) damit, den Schüler*innen zu verdeutlichen, dass es der Lehrperson ernst damit sei, dass die Schüler*innen zusammenarbeiten, Ideen und Lernmittel teilen, sich gegenseitig unterstützen und Konflikte demokratisch lösen. Unter Bezugnahme auf mehrere empirische Untersuchungen (u.a. Gillies/Ashman 1998; Mercer 1996; Webb/Farivar, 1994) schließt sie, dass es in dieser ersten Phase neben dem Aufbau von Vertrauen und gegenseitigem Verständnis v. a. darum gehe, gemeinsam mit den Schüler*innen soziale Normen der Zusammenarbeit auszuhandeln und das Ergebnis in geeigneter Form (z. B. als Aushänge im Klassenraum) als Merkposten für alle bereitzustellen.

      Im nächsten Schritt sei es erforderlich, dass die Lernenden geeignete Handlungsmuster erwerben. Unter Bezugnahme auf weitere Studien begründet Gillies zunächst, dass dazu sinnvollerweise die Verwendung von Kooperationsskripts wie z. B. die wechselseitige Übernahme der Rolle von Lehrer*in und Lerner*in im reziproken Lehren (O’Donnell/Dansereau 2000), die Ko-Konstruktion von Wissen durch Erstellung gemeinsamer Produkte wie z. B. einer Mind-Map (Boxtel et al. 2002) oder die Verpflichtung auf das Begründen von Aussagen (Chinn/O’Donnell/Jinks 2000) dienen könne. Um von diesem grundlegenden Niveau des reinen Verstehens zu höheren Denkoperationen zu gelangen, seien umfassendere Skripts wie z. B. das Modell „ASK to THINK-TEL WHY“ (King 1997) sinnvoll, die neben dem gegenseitigen Erklären und Begründen auch das gezielte Herstellen und Hinterfragen von Zusammenhängen und die Reflexion eigener Lösungswege und Denkschemata enthalten. Eine ganze Reihe weiterer Studien (z. B. Webb 1991, 1992; Webb/Mastergeorge 2003) deuten darauf hin, dass der Erfolg von KL nicht nur von der Fähigkeit zum Erklären, sondern in gleicher Weise vom eindeutigen Anzeigen eines Hilfebedürfnisses und dem präzisen Formulieren der eigenen Fragen abhängt.

      Diese Befunde decken sich mit den im vorangegangenen Teil referierten Studien (z. B. Law 2011), und Kronenberger und Souvignier (2005) weisen in einer Studie zum Gruppenpuzzle mit 9-jährigen nach, dass ein zusätzliches Fragetraining zwar nicht in der Expertenphase, wohl aber in der Stammgruppenphase, in der das eigentliche peer-teaching stattfindet, das Elaborationsniveau der Interaktion deutlich anhebt. Insgesamt kann daher auch für den Fremdsprachenunterricht davon ausgegangen werden, dass die gezielte Vermittlung von Interaktionsmustern erforderlich ist. Hier kommt allerdings eine weitere Ebene hinzu, denn es existieren auch noch sprachliche Anforderungen auf der Ebene der Redemittel. So referiert Würffel (2007, 3) den Befund von Legutke (2003, 235), dass nicht nur die sozialen Kompetenzen, sondern auch die sprachlichen Fertigkeiten für KL geschult werden müssten. Dies gilt über die sprachlichen Mittel im engeren Sinne hinaus auch für das Frage- und Erklärungsverhalten.

      Der dritte Schritt, das Stellen von Aufgaben, wird von Gillies nicht auf inhaltlicher Ebene, sondern vielmehr auf der Ebene der für die Aufgabenbearbeitung notwendigen kognitiven und sprachlichen Handlungen diskutiert. So unterscheidet sie mit Cohen (1994) wenig komplexe (low-level) Kooperation, in der lediglich Informationen und Erklärungen ausgetauscht werden, von komplexer (high-level) Kooperation, in der auch das eigene Vorgehen reflektiert und ausgehandelt werden müsse. Während die komplexeren Aufgaben den Vorteil hätten, Reflexion und Metakognition zu fördern, bestehe bei ihnen die Gefahr, dass sich Schüler*innen in den Diskussionen verlören und dadurch die für den Lernerfolg entscheidende Anzahl auf den Aufgabeninhalt bezogener Interaktion verringere. Um dieses Problem zu lösen, verweist Gillies auf den Befund einer Vergleichsstudie von Cohen et al. (2002), in der die Bereitstellung klarer Erwartungen hinsichtlich des zu erstellenden Produkts (z. B. in Form eines schriftlichen Erwartungshorizonts), die Gruppeninteraktion intensivierte und die Produkte eindeutig verbesserte. Gemäß den Erkenntnissen von Buchs und Butera (2015) könnte diese übermäßige Fokussierung auf Produkte allerdings auch eine abträgliche Leistungsorientierung zur Folge haben. Dass Cohen et al. (2002) dies anscheinend nicht im Blick hatten, zeigt sowohl die Komplexität des KL als auch die Fortschritte in dessen Beforschung.

      So sehr die Schüler*innen auch dazu gebracht werden sollen, ihre Produkte und Prozesse selbst zu reflektieren und zu bewerten, so wichtig bleibe das vierte Element der Lehrerarbeit, die Bereitstellung von Feedback. So referiert Gillies die Befunde von Emmer und Gerwels (2002), dass der Erfolg kooperativen Unterrichts davon abhänge, wie hoch die individuelle Verantwortlichkeit sei, wie stark die Lehrer*innen die Gruppenprozesse beobachteten und die Aufgabenerfüllung sicher stellten, wie viel Ziel führendes Lehrerfeedback gegeben wurde und wie sehr sich die Lehrer*innen um die interaktionalen Fähigkeiten ihrer Schüler*innen kümmerten: „In short Emmer and Gerwels (2002) and Gillies and Boyle (2006) believe that teachers actively need to monitor and review students’ progress during cooperative group work“ (Gillies 2007, 213).

      Darüber hinaus schließen Pauli und Reusser (2000) aus ihrem Forschungsüberblick, dass Lehrer*innen in kooperative Gruppenarbeiten eingreifen sollten, um dafür Sorge zu tragen, dass die Interaktion der Gruppen auch tatsächlich die lernförderlichen Eigenschaften, wie Ko-Konstruktivität, hohen Elaborationsgrad, hohen Unterstützungsgrad, Verbalisierung von Strategien und Vorgehensweisen und Abstimmung des Aufgabenverständnisses besitzt. Das zentrale Dilemma benennen sie wie folgt:

      Soll es beim kooperativen Lernen nicht zu einem Zielkonflikt zwischen sozial-affektiven Lernzielen einerseits und kognitiven Lernzielen andererseits kommen, müssten vermehrt Kenntnisse darüber erarbeitet werden, wie auch der kognitive Lernertrag bei Gruppen- und Partnerarbeiten gesichert werden kann, ohne das Ziel kognitiv anspruchsvollen selbständigen Arbeitens aufzugeben (Pauli/Reusser 2000, 435).

      Die beiden Autor*innen empfehlen dazu auf sorgfältiger Beobachtung der jeweiligen Kleingruppe basierende, wohldosierte und sehr pointierte Interventionen, in denen nicht Fragen gestellt, sondern gezielte Impulse zur Weiterarbeit (z. B. Einspielung neuer Information, Aufforderung zu Veränderung der Redeanteile) gegeben werden. Diese Empfehlungen werden in einer jüngst publizierten Studie für Mathematiklernen bestätigt.

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