Verbrechen und Strafe. Fjodor Dostojewski
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Verbrechen und Strafe - Fjodor Dostojewski страница 6

Название: Verbrechen und Strafe

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726372038

isbn:

СКАЧАТЬ und Schande hinausgejagt, hat mit den Füßen gestampft und sie mit unanständigen Schimpfnamen belegt, unter dem Vorwande, ein Kragen wäre verpaßt und schief genäht. Und zu Hause die hungernden kleinen Kinder . . . Und Katerina Iwanowna ging händeringend im Zimmer auf und ab, und auf ihren Bakken traten die roten Flecke hervor, wie das bei dieser Krankheit immer so zu gehen pflegt. ,Du Schmarotzerin‘,sagte sie zu Sofja, ,da wohnst du nun bei uns und ißt und trinkst und genießt die Wärme‘ — freilich, von Essen und Trinken konnte eigentlich kaum die Rede sein, wo auch die Kleinen drei Tage lang keine Brotrinde bekommen hatten! Ich lag damals gerade da . . . — ach was, warum soll ich es nicht sagen? — ich lag gerade betrunken da und hörte, wie meine Sonja antwortete (sie ist immer so bescheiden und hat so ein sanftes Stimmchen, . . . hellblondes Haar hat sie, und ihr Gesichtchen ist immer so blaß und mager), also ich hörte, wie sie antwortete: ,Aber Katerina Iwanowna, soll ich mich denn wirklich auf so etwas einlassen?‘ Dar ja Franzowna nämlich, ein nichtswürdiges und der Polizei sehr wohlbekanntes Frauenzimmer, hatte schon dreimal durch unsre Wirtin anfragen lassen. ,Ach was‘, antwortete Katerina Iwanowna spöttisch, ,wozu willst du’s bewahren! Als ob’s ein großes Kleinod wäre!‘ Aber verurteilen Sie sie deswegen nicht, verehrter Herr, verurteilen Sie sie deswegen nicht! Sie sagte das nicht bei gesunder Überlegung, sondern bei größter Aufregung ihrer Empfindungen und unter der Einwirkung ihrer Krankheit und angesichts der hungrigen Kinder, und sie sagte es auch mehr, um Sofja zu kränken, als in ernstlicher Absicht . . . Denn Katerina Iwanowna hat nun einmal einen solchen Charakter, und wenn die Kinder zu weinen anfangen, sei es auch vor Hunger, so schlägt sie sie sofort. Und da sah ich (es war so zwischen fünf und sechs), wie meine Sonjetschka aufstand, sich ein Tuch umband, ihre Pelerine anzog und die Wohnung verließ; und nach acht kam sie wieder zurück. Sie ging geradeswegs auf Katerina Iwanowna zu und legte stillschweigend dreißig Silberrubel vor ihr auf den Tisch. Kein einziges Wort sagte sie dabei, sie blickte nicht einmal auf; sie nahm nur unser großes grünes Tuch von drap de dame (wir haben so ein Tuch zu gemeinsamer Benutzung, von drap de dame), verhüllte sich damit vollständig den Kopf und das Gesicht und legte sich auf das Bett, mit dem Gesicht zur Wand; nur die kleinen Schultern und der ganze Körper zuckten immer . . . Ich aber lag wie vorher da, in demselben Zustande . . . Und da sah ich, junger Mann, da sah ich, wie Katerina Iwanowna, gleichfalls ohne ein Wort zu sagen, an Sonjas Bettchen trat und den ganzen Abend zu ihren Füßen auf den Knien lag, ihr die Füße küßte, nicht aufstehen wollte, und wie sie dann beide zusammen einschliefen, eng umschlungen . . ., beide . . ., beide . . ., ja . . .,und ich . . . ich lag betrunken da.“

      Marmeladow schwieg, wie wenn ihm die Stimme versagte. Dann goß er hastig sein Glas voll, trank es aus und räusperte sich.

      „Seit der Zeit, mein Herr“, fuhr er nach kurzem Stillschweigen fort, „seit der Zeit ist infolge eines einzigen bedauerlichen Falles und infolge einer Denunziation seitens böswilliger Personen (wobei Darja Franzowna besonders mitgewirkt hat, angeblich, weil man es ihr gegenüber an der gebührenden Achtung habe fehlen lassen), also seit der Zeit ist meine Tochter, Sofja Semjonowna, gezwungen, den gelben Schein zu nehmen, und konnte aus diesem Grunde nicht mehr bei uns wohnen bleiben. Denn unsre Wirtin, Amalia Fjodorowna, wollte es nicht dulden (und doch hatte sie früher die Bemühungen Darja Franzownas unterstützt), und auch Herr Lebesjatnikow . . . hm! . . . Sonja war ja auch der Anlaß gewesen, weswegen er die böse Geschichte mit Katerina Iwanowna hatte. Ursprünglich hatte er selbst sich an Sonja herangemacht, und nun auf einmal kehrte er sein Ehrgefühl heraus: ,Wie kann ich, ein gebildeter Mann, mit so einer in derselben Wohnung leben?‘ Aber Katerina Iwanowna ließ es nicht zu, sondern nahm Sonja in Schutz, . . . nun, und so kam es also . . . Sonjetschka besucht uns jetzt meistens in der Dämmerstunde, hilft Katerina Iwanowna bei der Arbeit und versieht uns nach ihren Kräften mit Geldmitteln . . . Wohnen tut sie bei dem Schneider Kapernaumow; dem hat sie eine Stube abgemietet. Dieser Kapernaumow ist lahm und stottert, und seine ganze außerordentlich zahlreiche Nachkommenschaft stottert gleichfalls. Und seine Frau stottert auch . . . Sie hausen alle in einer einzigen Stube; aber Sonja hat ihr besonderes Zimmer, es ist abgetrennt . . . Hm, ja . . . Es sind ganz arme Leute, und sie stottern . . . ja . . . Sobald ich damals am Morgen aufgestanden war, zog ich meine Lumpen an, hob die Arme gen Himmel und begab mich zu Seiner Exzellenz Iwan Afanasjewitsch. Kennen Sie Seine Exzellenz Iwan Afanasjewitsch? . . . Nein? Nun, dann kennen Sie einen gottwohlgefälligen Menschen nicht! Er ist geradezu Wachs . . . Wachs in der Hand des Herrn; weich wie Wachs wird er! . . . Er weinte sogar, nachdem er geruht hatte, alles anzuhören. ,Nun‘, sagte er, ,Marmeladow, einmal hast du schon meine Erwartungen getäuscht . . . Ich will dich noch einmal nehmen, auf meine persönliche Verantwortung‘, so drückte er sich aus. ,Denke daran‘, sagte er, ,und nun geh!‘ Ich küßte ihm den Staub von den Füßen, in Gedanken; denn in Wirklichkeit hätte er es nicht zugelassen, als hoher Würdenträger und Vertreter der neuen Ideen über Staat und Bildung. Ich kehrte nach Hause zurück, und als ich da erzählte, daß ich mein Amt wiedererhalten hätte und wieder Gehalt bekommen würde — o Gott, was da vor sich ging! . . .“

      Marmeladow hielt abermals in großer Erregung inne. In diesem Augenblicke kam eine ganze Bande schon bezechter Trunkenbolde von der Straße herein, und am Eingange ertönten die Klänge eines Leierkastens, den sie mitgebracht hatten, und ein siebenjähriges Kind sang dazu mit seinem dünnen, kraftlosen Stimmchen „das Dörfchen“. Es ging laut her. Der Wirt und die Bedienung beschäftigten sich mit den neuen Gästen. Marmeladow fuhr, ohne sich um die Eingetretenen zu kümmern, in seiner Erzählung fort. Er schien schon sehr schwach geworden zu sein, aber zugleich mit seiner Trunkenheit wuchs auch seine Redseligkeit. Die Erinnerung an den Erfolg, den er kürzlich in bezug auf seine dienstliche Stellung gehabt hatte, machte ihn ordentlich lebendig und spiegelte sich sogar auf seinem Gesichte wie eine Art von leuchtendem Schimmer wider. Raskolnikow hörte ihm aufmerksam zu.

      „Dies begab sich vor fünf Wochen, mein Herr, . . . ja . . . Sowie die beiden, Katerina Iwanowna und Sonjetschka, das nur erfahren hatten, da war’s auf einmal, als ob ich in das Himmelreich versetzt wäre. Früher, wenn ich wie ein Stück Vieh dalag, hatte ich immer nur Schimpfwörter zu hören bekommen. Aber jetzt! Jetzt gingen sie auf den Zehen und ermahnten die Kinder zur Ruhe: ,Semjon Sacharowitsch ist müde vom Dienst und muß sich ausruhen; pst!‘ Morgens, ehe ich zum Dienst ging, bekam ich Kaffee zu trinken; Sahne wurde gekocht! Richtige Sahne beschafften sie, hören Sie nur! Und wie sie das Geld zu einem anständigen Dienstanzuge für mich aufbrachten, elf Rubel fünfzig Kopeken, das ist mir unbegreiflich. Stiefel, mehrere baumwollene Vorhemdchen, alles aufs feinste, eine herrliche Uniform, alles brachten sie für elf und einen halben Rubel zustande, und es sah vorzüglich aus. Am ersten Tage kam ich zum Mittag aus dem Dienste, und was sah ich: Katerina Iwanowna hatte zwei Gänge gekocht, eine Suppe und Pökelfleisch mit Meerrettich, woran früher nicht im entferntesten zu denken gewesen war. Kleider besitzt sie keine, überhaupt keine; aber nun hatte sie sich angezogen, wie wenn sie zu Besuch gehen wollte, ordentlich geputzt hatte sie sich. Nicht daß sie wirklich etwas gehabt hätte; sie verstehen es eben, aus nichts etwas zu machen; sie machen sich das Haar hübsch zurecht, dann ein sauberes Krägelchen und Manschetten, und ein ganz andres Wesen ist fertig, jünger und schöner. Sonjetschka, mein Herzenskind, hatte sich nur mit Geld hilfreich gezeigt. ,Daß ich selbst jetzt häufig zu euch komme‘, sagte sie, ,paßt sich nicht; nur etwa so in der Dämmerung, damit es niemand sieht.‘ Hören Sie wohl? Hören Sie wohl? Nach dem Mittagessen machte ich ein Schläfchen, und was meinen Sie wohl, was da geschah? Obwohl es erst eine Woche her war, daß Katerina Iwanowna sich mit unsrer Wirtin, Amalia Fjodorowna, aufs ärgste gezankt hatte, so konnte sie es sich doch nicht versagen, sie zu einem Täßchen Kaffee einzuladen. Zwei Stunden lang saßen sie zusammen und unterhielten sich flüsternd: ,Semjon Sacharowitsch bekleidet jetzt ein Amt und bezieht Gehalt, und er ist selbst zu Seiner Exzellenz gegangen, und Seine Exzellenz ist selbst herausgekommen und hat allen geheißen, sie sollten warten, aber Semjon Sacharowitsch hat er an allen vorbei in sein Arbeitszimmer geführt.‘ Hören Sie wohl? Hören Sie wohl? ,Und da hat er gesagt: Ich erinnere mich selbstverständlich Ihrer Verdienste, Semjon Sacharowitsch. Nun freilich, es haftet Ihnen ja diese leichtsinnige Schwäche an; aber da Sie es mir jetzt versprechen und da es außerdem ohne Sie bei uns nicht recht gehen wollte‘, (hören Sie nur, hören Sie nur!) ,so verlasse ich mich jetzt, hat er gesagt, auf Ihr Ehrenwort.‘ Das heißt, ich muß Ihnen sagen, das alles hatte sie sich einfach СКАЧАТЬ