Revolutionen auf dem Rasen. Jonathan Wilson
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Название: Revolutionen auf dem Rasen

Автор: Jonathan Wilson

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783730704479

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СКАЧАТЬ der ehemalige Mittelläufer bei Notts County und beim FC Dundee.“

      Zwar gab es auch noch weitere vereinzelte Fälle, in denen Vereine ihre Mittelläufer verteidigen ließen. Das Besondere an der Spielweise von Huddersfield Town unter Chapman war jedoch weniger der defensiv eingesetzte Mittelläufer als die ganz eigene Spielweise, die man dort entwickelte. Diese entstand aus dem Misstrauen des Trainers gegenüber dem in Großbritannien so verehrten Flügelspiel. Das Kurzpassspiel durch die Mitte war Chapmans Ansicht zufolge „tödlicher, wenn auch weniger spektakulär“ als die „sinnlose Strategie, die Außenlinien entlangzurennen und direkt vor das Tor zu flanken, wo der Ball in neun von zehn Fällen bei den Verteidigern landet“. Nachdem sich Huddersfield 1924 den Titel in der Meisterschaft gesichert hatte, schrieb der Examiner, dass die „flach gehaltenen Pässe und das lang angelegte Spiel der Mannschaft von der Leeds Road nun berühmt geworden sind“.

      Chapman besaß nicht einfach nur ein klares Konzept, wie Fußball gespielt werden sollte, sondern hatte auch die Möglichkeit, es umzusetzen. In Großbritannien war er der erste Fußballmanager moderner Prägung, jener mit totaler Kontrolle über den Verein ausgestattete Mann, der über alles entschied: von den Verträgen über die taktische Ausrichtung bis hin zur Auswahl der Musik, die zur Unterhaltung des Publikums vor dem Spiel und während der Halbzeitpause gespielt wurde. Als Huddersfield sich 1925 auf dem Weg zur Titelverteidigung befand, fragte der Sporting Chronicle:„Verstehen die Vereine heutzutage eigentlich wirklich, wie wichtig der Mann ist, dem sie die Leitung anvertrauen? Man ist bereit, für die Dienste eines Spielers bis zu 4.000 oder 5.000 Pfund zu bezahlen. Legt man denn genauso viel Wert auf den Offiziellen, dem der Spieler anvertraut wird? Der Mann hinter den Kulissen, der Spieler sichtet, Talente ausbildet und das Beste aus den Leuten, denen er vorsteht, herausholt, müsste aus der Perspektive des Klubs doch eigentlich der wichtigste Mann sein.“

      Im darauffolgenden Jahr feierte Huddersfield die dritte Meisterschaft in Folge, doch zu diesem Zeitpunkt war Chapman längst fort. Ihn lockte das aus seiner Sicht noch größere Potenzial von Arsenal. Erstaunlich, wenn man sich die damalige Situation dort vergegenwärtigt: Arsenal kämpfte gegen den Abstieg und litt mit Sir Henry Norris zudem unter einem eigenwilligen und patriarchalischen Vorsitzenden. Chapmans Vorgänger Leslie Knighton war es beispielsweise untersagt worden, mehr als 1.000 Pfund für einen Spieler hinzublättern – wohlgemerkt zu einer Zeit, in der Ablösesummen von 3.000 Pfund an der Tagesordnung waren. Zudem hatte Norris ihm verboten, Spieler mit einer Größe von weniger als 1,73 Meter zu verpflichten. Als Knighton sich darüber hinwegsetzte und 1923 den gerade einmal 1,52 Meter großen Hugh „Zwerg“ Moffatt vom AFC Workington holte, schob Norris diesen noch vor dem ersten Ligaspiel zu Luton Town ab. Knighton wurde am Ende der Saison 1924/25 entlassen. Als Grund gab Norris schwache Ergebnisse an. Knighton behauptete dagegen, dass der Verein ihm damit lediglich die Zahlung einer Prämie verweigern wollte, auf die er nach einem Benefizspiel noch Anspruch hatte.

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      Herbert Chapman, der Erfinder des W-M-Systems.

      Chapman warnte, dass er fünf Jahre bräuchte, bis er einen Titel holen würde. Er übernahm den Job zudem nur unter der Bedingung, dass er keine derartigen Einschränkungen auferlegt bekomme wie Knighton. Zögernd erklärte sich Norris damit einverstanden. Chapmans erste Verpflichtung war Charlie Buchan, dessen Marktwert der AFC Sunderland auf 4.000 Pfund bezifferte. Sunderlands Manager Bob Kyle begründete diese Summe damit, dass Buchan eine Garantie auf mindestens 20 Tore pro Saison mitbringe. Wenn er sich dessen so sicher sei, entgegnete ihm Norris, so solle die Ablöse doch an Buchans Torbilanz ausgerichtet werden: 2.000 Pfund als feste Zahlung, plus 100 Pfund pro erzieltem Tor während der ersten Saison. Kyle erklärte sich einverstanden, Buchan schoss 21 Tore, und Sunderland nahm dankend die 4.100 Pfund entgegen.

      

      Das war im September 1925, nach der eingangs erwähnten 0:7- Niederlage gegen Newcastle, jedoch noch nicht abzusehen. Buchan war ein Typ mit Ecken und Kanten. Gleich an seinem ersten Tag bei Arsenal war er sofort wieder gegangen, weil er die Spielkleidung für unangemessen hielt. Am zweiten Tag verweigerte er das Training, weil er einen vertrockneten Klumpen Vaseline in seinen angeblich frisch gewaschenen Socken gefunden hatte. Manch ein Trainer hätte dies wohl als Aufsässigkeit oder übertriebene Mäkelei eingestuft, Chapman dagegen schien dieses Verhalten eher als Beleg für hohe Ansprüche zu verstehen. Außerdem bewunderte er an Buchan dessen eigenständiges Nachdenken über Fußball, etwas für einen Spieler dieser Zeit sehr Ungewöhnliches. Der ehemalige Schiedsrichter John Lewis schrieb 1914, dass „unsere Profis kein großes Bemühen bekunden, irgendetwas über die Theorie des Sports zu lernen. … In den meisten Mannschaften lässt sich kein Hinweis für eine vorher festgelegte Taktik oder durchdachte Manöver erkennen.“ Obwohl Chapman die Spieler zum Meinungsaustausch immer wieder ermuntert hatte, änderte sich daran vorerst nicht viel.

      Buchan war durch seinen Sunderlander Mitspieler Charlie Thomson auf die durchschlagende Wirkung eines defensiv eingesetzten Mittelläufers aufmerksam geworden. Thomson hatte seine Karriere als Mittelstürmer begonnen und war später zu einem Mittelläufer geworden, der sich in die Abwehrreihe zurückfallen lassen konnte. Aufgrund der geänderten Abseitsregel plädierte Buchan schon seit Beginn der Saison dafür, den Mittelläufer defensiver aufzustellen. Dafür sprach auch, wie tief Newcastles Mittelläufer Charlie Spencer bei Arsenals Niederlage im St. James Park gestanden hatte. Er hatte wenig zur Offensive beigetragen, dafür aber Arsenals Angriffe immer wieder schon in der Entstehung zerstört und Newcastle somit bei Ballbesitz und Raumaufteilung die Oberhand verschafft. Chapman ließ sich schließlich überzeugen. Allerdings bleibt es ein Geheimnis, weshalb er trotz seiner Vorliebe für das Konterspiel nicht eher darauf gekommen war. Auch wenn er sich durch Autorität eigentlich nicht leicht einschüchtern ließ, mögen die Worte der FA nach dem Pokalfinale von 1922 durchaus noch eine Rolle gespielt haben – besonders, wenn man bedenkt, was der Verband mit der Aufhebung seiner Sperre auf Lebenszeit für ihn getan hatte.

      Andere waren bereits zu den gleichen Schlüssen gekommen. Zwar bedeutet das mangelnde Interesse und Bewusstsein für taktische Aspekte des Fußballs, dass heute nur wenige Beweise dafür existieren, trotzdem ist einigermaßen gesichert, dass es den dritten Verteidiger schon lange vor der Änderung der Abseitsregel gab. Allerdings stärkte die Regeländerung den Mut zum taktischen Experiment. Sie brachte die Vereine dazu, sich mit dem Dominoeffekt zu befassen, der beim Einsatz eines dritten Verteidigers an anderen Stellen auf dem Platz entstand.

      So schrieb George White beispielsweise am 3. Oktober 1925, dem Tag von Arsenals Offenbarungseid in Newcastle, in einer Kolumne im Southampton Football Echo, dass „die Saints [der FC Southampton] am Sonnabend [26.9.] im Dell [also im eigenen Stadion] gegen Bradford City aufgrund der Taktik besiegt wurden. Nach meiner Ansicht hatte die Heimmannschaft mehr vom Spiel als City und stellte auch den besseren Fußball zur Schau, sprich: Fußball, wie er gespielt wurde, bevor man die Abseitsregel änderte. Dafür war City in der Tat sehr intelligent am Ball, und die Taktik erledigte den Rest. Dementsprechend konnte City zwei Tore erzielen und die Saints dem nur einen Treffer entgegensetzen. In den Umkleidekabinen wird derzeit viel über etwas geredet, was weithin die W-Formation im Angriff genannt wird, mit der man den veränderten Spielbedingungen begegnen möchte. In dieser Formation rücken der Mittelstürmer und die beiden Außenstürmer ein gutes Stück auf dem Feld auf, wobei sie nur etwa einen Meter aus dem Abseits bleiben, und die beiden Halbstürmer rücken zurück und agieren als Fünf-Achtler. Mit anderen Worten: Sie operieren in einem Spielraum nahe den Außenläufern und hinter den drei aufgerückten Stürmern.“

      Es wäre bereits sehr bemerkenswert gewesen, wenn White über Bradfords Trainer David Menzies lediglich als einem einsamen taktischen Querdenker gesprochen hätte. Doch White kam zu dem Schluss, dass das W-System im Angriff weit verbreitet war: „Die Zahl der Torerfolge heutzutage spricht dafür, dass es sich um das am häufigsten angewandte Mittel handelt, denn immerhin kommt es so gut wie nie vor, dass sich die Halbstürmer als Torjäger hervortun. Auf der anderen Seite hingegen СКАЧАТЬ