Michael Endes Philosophie. Alexander Oberleitner
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Название: Michael Endes Philosophie

Автор: Alexander Oberleitner

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Blaue Reihe

isbn: 9783787338917

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СКАЧАТЬ verbunden fühlte? Für Kowatsch steht zweifelsfrei fest, daß Ende »mit seiner Kritik an der Moderne an die Hochromantik an[knüpft]«86. Belege für diese Einschätzung, die ihre gesamte Arbeit durchzieht, vermag sie nicht anzuführen. Mehr noch: Ihre mit Abstand wichtigste Sekundärquelle, Phantasie/Kultur/Politik, widerspricht ihrer Darstellung völlig. Wenn Ende dort eine »Mutation im Denken«87 fordert, so stimmt er Erhard Eppler ausdrücklich zu, der präzisiert:

      Wenn eine ganze Kultur in der Weise wie die unsere auf dem rationalen Denken aufgebaut ist, dann kann eine solche Mutation, wie wir sie alle sehen, nicht antirational, nicht irrational sein, sondern sie müßte die Ratio im Hegelschen Sinne wieder aufheben. Das heißt aber auch, sie mitnehmen und aufbewahren […]. Es geht nicht darum, die Aufklärung rückgängig zu machen, sondern die Aufklärung über sich selbst und ihre Wirkungen aufzuklären.88

      Mit der aufklärungsfeindlichen Position der Hochromantik läßt sich dies ebensowenig in Einklang bringen wie mit der These vom »Antirationalimus« Endes. Jene »Aufklärung der Aufklärung«, die hier gefordert wird, läßt sich durchaus als deren Vertiefung verstehen. Dazu paßt auch, daß der Venunftbegriff Endes, zumindest nach dem Zeugnis der Unendlichen Geschichte, ein dezidiert positiver ist. Als der Antiquar Koreander keinerlei Erstaunen über Bastians phantásische Abenteuer zeigt, fragt ihn dieser verblüfft:

      »Dann glauben Sie mir also?« […]

      »Selbstverständlich«, antwortete Herr Koreander, »jeder vernünftige Mensch würde das tun.« (UG 426)

      Natürlich gilt es stets zu unterscheiden zwischen der Meinung eines Schriftstellers und jener, die er seinen Geschöpfen in den Mund legt. Tatsächlich entsprechen etwa die abwertenden Bemerkungen Koreanders über Kinder an anderer Stelle (UG 6) mit Sicherheit nicht der Position des Autors. Daß aber Ende diese klassische Figur des Alten Weisen (eng verwandt mit dem Archivarius Lindhorst aus E. T. A. Hoffmanns Der goldene Topf, weitschweifiger mit dem Gandalf von Tolkiens Der Herr der Ringe) mit all seiner eigenen phantásischen und philosophischen Kompetenz ausgestattet hat, erscheint mir unbestreitbar. Die Bemerkung Koreanders ist jedenfalls deutlich genug: Vernünftig ist, wer inneres, »subjektives« Erleben in die Wirklichkeit miteinbezieht (anstatt, wie man anfügen könnte, diese auf materiell faßbare oder erfahrungswissenschaftlich quantifizierbare »Fakten« zu reduzieren)89. Muß noch betont werden, daß dies nie und nimmer eine Flucht ins Ir- oder gar Antirationale bedeuten kann?

       3.Ausblick auf ein mögliches philosophisches Denken Endes

      Wir haben oben gesehen, daß die philosophische Interpretation poetischer Texte prinzipiell möglich und sinnvoll ist; und weiters, daß es keinen spezifischen Grund gibt, das Werk Michael Endes hiervon auszunehmen. Um eine philosophische Interpretation Endes in Angriff zu nehmen, würde dies vollauf genügen. Da sich indes die vorliegende Untersuchung zum Ziel gesetzt hat, das eigene philosophische Denken Endes zu ergründen, gilt es im Rahmen dieser Einleitung noch weitere Fragen zu klären: Gibt es Elemente in Endes Werk, die auf ein solches philosophisches Denken hinweisen? Sowie: Steht zu erwarten, daß sich uns im Laufe der Untersuchung so etwas wie die »philosophischen Grundthemen« Endes zeigen, und falls ja, welche könnten dies sein?

      imageReflexivität: Ende im Vergleich mit J. R. R. Tolkien

      Der vielleicht auffallendste Zug von Endes bekanntestem Werk Die unendliche Geschichte ist die Tatsache, daß dieser Roman sich auf vielfältige Weise selbst zum Thema hat. Immer wieder schlägt die Handlung reflexive Bögen, die geeignet sind, den aufmerksamen Leser sowohl zu verwirren als auch zu faszinieren. Von der Literaturkritik hingegen wurde dieser reflexive Charakter der Unendlichen Geschichte, der den Roman innerhalb des Genres Fantasy so unverwechselbar macht, erstaunlicherweise fast völlig ignoriert, wofür vor allem die allzu rasche Parallelisierung Endes mit dem »Gründervater« der modernen Fantasy, dem Briten J. R. R. Tolkien, verantwortlich sein dürfte. Der Geschichte dieses Mißverständnisses, dessen Folgen tief in die sogenannte Eskapismus-Debatte hineinreichen (vgl. oben Abschnitt B.1), soll hier in aller gebotenen Kürze nachgegangen werden, um die Reflexivität in Endes Werk, gerade im Vergleich zu Tolkien, umso deutlicher herauszustellen.

      imageKurzer Exkurs zu J. R. R. Tolkien90

      Das Werk des englischen Literaturprofessors und Sprachwissenschaftlers J(ohn) R(onald) R(euel) Tolkien (1889–1973) stellt sowohl Beginn als auch Höhepunkt der modernen Fantasyliteratur dar. Galten seine beiden Romane The Hobbit (1937) und The Lord of the Rings (1954/55) schon zu Lebzeiten des Autors als Meisterwerke fantastischer Erzählkunst, so brachte schließlich die Veröffentlichung des Nachlasses (The Silmarillion 1977, Unfinished Tales from Númenor and Middle-Earth 1980) durch Tolkiens Sohn Christopher die epochalen Dimensionen der zugrundeliegenden Konzeption ans Licht, welche eine komplexe Mythologie, mehrere bis ins Detail ausgearbeitete fiktionale Sprachen sowie eine Reihe weiterer Erfindungen in Bereichen wie Botanik oder Mineralogie umfaßt. Nicht ohne Grund wurde Tolkiens »außerordentlich kreative[r] Geist« (Karen Wynn Fonstad91) von Lesern und Kritikern (sowie zahlreichen minder begabten Epigonen) bewundert; was aber sein Werk innerhalb der phantastischen Literatur tatsächlich einzigartig macht, sind jene Konsequenz und Akribie, mit der er seine Einfälle harmonisch in die Struktur seines selbstgeschaffenen Kosmos einzuordnen verstand. Zwar handelt es sich bei Tolkiens Schöpfung Mittelerde nicht, wie oft angenommen, um eine fiktive »Parallelwelt«;92 dennoch sah sich der Autor, gerade wegen der Perfektion seines Werkes, massiv mit dem Verdacht konfrontiert, er betreibe eine Art literarischer Weltflucht.93 Tolkiens Reaktion auf diese Kritik war es, den eskapistischen Charakter seiner Bücher offen zuzugeben, gleichzeitig aber den negativen Fluchtbegriff der Kritiker zu hinterfragen.94

      imageDie Geschichte eines Mißverständnisses

      Wie kam es zur Parallelisierung Endes mit dem Begründer der modernen Fantasy? Unter den ersten Rezensionen zur Unendlichen Geschichte finden wir jenen Artikel der Zeit über das Werk des »deutschen Tolkien«, in dem Jürgen Lodemann, offenbar vom eigenen Vergleich überwältigt, seiner Hochachtung »vor einem, der seinen Einfallsreichtum jederzeit […] diszipliniert in der Schreibhand hat und seine Geschichte folgerichtig zum offenen Schluß_bringt«,95 Ausdruck verleiht. Nicht zuletzt diese euphorische Kritik, die den Kern der Unendlichen Geschichte mit fast bewundernswerter Konsequenz verfehlt, verleitete offenbar Heerscharen späterer Interpreten, Endes Verwandtschaft mit Tolkien zu überschätzen und seinen Roman ebenso frag- wie nahtlos ins Genre der modernen Fantasy einzuordnen.96 Den Ansatz hierzu liefert indes die Unendliche Geschichte selbst, in der Tolkien (als einziger Dichter neben Shakespeare97) wiederholt und nicht ohne Augenzwinkern zitiert wird: Das schaurige Reich Morgul etwa finden wir im Herrn der Ringe als Stadt der Ringgeister wieder; sein Bewohner, der Drache Smärg (UG 266), ist offenbar ein naher Verwandter von Smaug aus dem Hobbit. Später war Ende hingegen merklich um Abgrenzung bemüht. So antwortete er bei einer Podiumsdiskussion mit Joseph Beuys auf dessen Frage, ob die Tolkien-Lektüre sein eigenes Werk beeinflußt habe:

      »Tolkien СКАЧАТЬ