Название: Der Nachsommer
Автор: Adalbert Stifter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726630862
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„Sind solche neugemachte Gegehstände in Eurem Hause vorhanden?“ fragte ich.
„Nichts von Bedeutung“, antwortete er, „einige sind ah verschiedenen Punkten der Gegend zerstreut, einige sind in einem anderen Orte als in diesem Hause gesammelt. Wenn Ihr Lust zu solchen Dingen habt, oder sie in Zukunft fassen solltet, und Euer Weg Euch wieder einmal hieher führt, so wird es nicht schwer sein, Euch an den Ort zu geleiten, wo Ihr mehrere unserer besten Gegenstände sehen könnt.“
„Es sind der Wege sehr verschiedene“, erwiderte ich, „die die Menschen gehen, und wer weiß es, ob der Weg, der mich wegen eines Gewitters zu Euch heraufgeführt hat, nicht ein sehr guter Weg gewesen ist, und ob ich ihn nicht noch einmal gehe.“
„Ihr habt da ein sehr wahres Wort gesprochen“, antwortete er, „die Wege der Menschen sind sehr verschiedene. Ihr werdet dieses Wort erst recht einsehen, wenn Ihr älten seid.“
„Und habt Ihr dieses Haus eigens zu dem Zwecke der Schreinerei erbaut?“ fragte ich weiter.
„Ja“, antwortete er, „wir haben es eigens zu diesem Zwecke erbaut. Es ist aber viel später entstanden als das Wohnhaus. Da wir einmal so weit waren, die Sachen zu Hause machen zu lassen, so war der Schritt ein ganz leichter, uns eine eigene Werkstätte hiefür einzurichten. Der Bau dieses Hauses war aber bei weitem nicht das Schwerste, viel schwerer war es, die Menschen zu finden. Ich hatte mehrere Schreiner, und mußte sie entlassen. Ich lernte nach und nach selber, und da trat mir der Starrsinn, der Eigenwille und das Herkommen entgegen. Ich nahm endlich solche Leute, die nicht Schreiner waren und sich erst hier unterrichten sollten. Aber auch diese hatten wie die frühern eine Sünde, welche in arbeitenden Ständen und auch wohl in andern sehr häufig ist, die Sünde der Erfolggenügsamkeit oder der Fahrlässigkeit, die stets sagt: ,Es ist so auch recht’, und die jede weitere Vorsicht für unnötig erachtet. Es ist diese Sünde in den unbedeutendsten und wichtigsten Dingen des Lebens vorhanden, und sie ist mir in meinen früheren Jahren oft vorgekommen. Ich glaube, daß sie die größten Übel gestiftet hat. Manche Leben sind durch sie verloren gegangen, sehr viele andere, wenn sie auch nicht verloren waren, sind durch sie unglücklich oder unfruchtbar geworden, Werke, die sonst entstanden wären, hat sie vereitelt, und die Kunst, und was mit derselben zusammenhängt, wäre mit ihr gar nicht möglich. Nur ganz gute Menschen in einem Fache, haben sie gar nicht, und aus denen werden die Künstler, Dichter, Gelehrten, Staatsmänner und die großen Feldherren. Aber ich komme von meiner Sache ab. In unserer Schreinerei machte sie bloß, daß wir zu nichts Wesentlichem gelangten. Endlich fand ich einen Mann, der nicht gleich aus der Arbeit ging, wenn ich ihn bekämpfte; aber innerlich mochte er recht oft erzürnt gewesen sein und über Eigensinn geklagt haben. Nach Bemühungen von beiden Seiten gelang es. Die Werke gewannen Einfluß, in denen das Genaue, und Zweckmäßige angestrebt war, und sie wurden zur Richtschnur genommen. Die Einsicht in die Schönheit der Gestalten wuchs, und das Leichte und Feine wurde dem Schweren und Groben vorgezogen. Er las Gehilfen auf und erzog sie in seinem Sinne. Die Begabten fügten sich bald. Es wurde die Chemie und andere Naturwissenschaften hergenommen, und im Lesen schöner Bücher wurde das Innere des Gemütes zu bilden versucht.“
Er ging nach diesen Worten gegen den Mann, der mit dem Aussuchen der Hölzer nach dem vor ihm liegenden Plane der Tischplatte beschäftigt war, und sagte: „Wollt Ihr nicht die Güte haben, uns einige Zeichnungen zu zeigen, Eustach?“
Der junge Mann, an den diese Worte gerichtet waren, erhob sich von seiner Arbeit und zeigte uns ein ruhiges, gefälliges Wesen. Er legte die grüne Tuchschürze ab, welche er vorgebunden hatte, und ging aus seiner Arbeitsstelle zu uns herüber. Es befand sich neben dieser Stelle in der Wand eine Glastür, hinter welcher grüne Seide in Falten gespannt war. Diese Tür öffnete er und führte uns in ein freundliches Zimmer. Das Zimmer hatte einen künstlich eingelegten Fußboden und enthielt mehrere breite, glatte Tische. Aus der Lade eines dieser Tische nahm der Mann eine große Mappe mit Zeichnungen, öffnete sie und tat sie auf der Tischplatte auseinander. Ich sah, daß diese Zeichnungen für mich zum Ansehen herausgenommen worden waren und legte daher die Blätter langsam um. Es waren lauter Zeichnungen von Bauwerken, und zwar teils im Ganzen, teils von Bestandteilen derselben. Sie waren sowohl, wie man sich ausdrückt, im Perspektive ausgeführt als auch in Aufrissen, in Längen- und Querschnitten. Da ich mich selber geraume Zeit mit Zeichnen beschäftigt hatte, wenn auch mit Zeichnen anderer Gegenstände, so war ich bei diesen Blättern schon mehr an meiner Stelle als bei den alten Geräten. Ich hatte immer bei dem Zeichnen von Pflanzen und Steinen nach großer Genauigkeit gestrebt und hatte mich bemüht, durch den Schwarzstift die Wesenheit derselben so auszudrücken, daß man sie nach Art und Gattung erkennen sollte. Freilich waren die vor mir liegenden Zeichnungen die von Bauwerken. Ich hatte Bauwerke nie gezeichnet, ich hatte sie eigentlich nie recht betrachtet. Aber andererseits waren die Linien, die hier vorkamen, die von großen Körpern, von geschichteten Stoffen und von ausgedehnten Flächen, wie sie bei mir auch an den Felsen und Bergen erschienen; oder sie waren die leichten Wendungen von Zieraten, wie sie bei mir die Pflanzen boten. Endlich waren ja alle Bauwerke aus Naturdingen entstanden, welche die Vorbilder gaben, etwa aus Felsenkuppen oder Felsenzacken oder selbst aus Tannen, Fichten oder anderen Bäumen. Ich betrachtete daher die Zeichnungen recht genau und sah sie um ihre Treue und Sachgemäßheit an. Als ich sie schon alle durchgeblättert hatte, legte ich sie wieder um und schaute noch einmal jedes einzelne Blatt an.
Die Zeichnungen waren sämtlich mit dem Schwarzstifte ausgeführt. Es war Licht und Schatten angegeben, und die Linienführung war verstärkt oder gemäßigt, um nicht bloß die Körperlichkeit der Dinge, sondern auch das sogenannte Luftperspektive darzustellen. In einigen Blättern waren Wasserfarben angewendet, entweder um bloß einzelne Stellen zu bezeichnen, die eine besonders starke oder eigentümliche Farbe hatten, wie etwa wo das Grün der Pflanzen sich auffallend von dem Gemäuer, aus dem es sproßte, abhob, oder wo der Stoff durch Einfluß von Sonne oder Wasser eine ungewönliche Farbe erhalten hatte, wie zum Beispiele an gewissen Steinen, die durch Wasser bräunlich, ja beinahe rot werden; oder es waren Farben angewendet, um dem Ganzen einen Ton der Wirklichkeit und Zusammenstimmung zu geben; oder endlich, es waren einzelne sehr kleine Stellen mit Farben, gleichsam mit Farbdruckern, wie man sich ausdrückt, bezeichnet, um Flächen oder Körper oder ganze Abteilungen im Raume zurückzudrängen. Immer aber waren die Farben so untergeordnet gehalten, daß die Zeichnungen nicht in Gemälde übergingen, sondern Zeichnungen blieben, die durch die Farbe nur noch mehr gehoben wurden. Ich kannte diese Verfahrungsweise sehr gut und hatte sie selber oft angewendet.
Was den Wert der Zeichnungen anbelangt, so erschien mir derselbe ein ziemlich bedeutender. Die Hand, von der sie verfertigt worden waren, hielt ich für eine geübte, was ich daraus schloß, daß in den vielen Zeichnungen kein Fortschritt zu bemerken war, sondern daß dieser schon in der Zeit vor den Zeichnungen lag und hier angewendet wurde. Die Linien waren rein und sicher gezogen, das sogenannte Linearperspektive war, soweit meine Augen urteilen konnten – denn eine mathematische Prüfung konnte ich nicht anlegen – richtig, der Stoff des Schwarzstiftes war gut beherrscht, und mit seinen geringen Mitteln war Haushaltung getroffen, darum standen die Körper klar da und lösten sich von der Umgebung. Wo die Farbe eine Art Wirklichkeit angenommen hatte, war sie mit Gegenständlichkeit und Maß hingesetzt, was, wie ich aus Erfahrung wußte, so schwer zu finden ist, daß die Dinge als Dinge, nicht als Färbungen СКАЧАТЬ