Название: Der Nachsommer
Автор: Adalbert Stifter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726630862
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Die Dunkelheit des Abends wurde endlich so stark, daß die Kerzen, welche früher mit der Dämmerung gekämpft hatten, nun vollkommen die Herrschaft behaupteten, und die schwarzen Fenster nur zeitweise durch die hereinleuchtenden Blitze erhellt wurden.
Da das Essen beendet war und wir uns zur Trennung anschickten, sagte der Hauswirt; daß er den Pfarrer und mich über die nähere Treppe in unser Zimmer führen würde. Wir nahmen jeder eine Wachskerze, die uns angezündet von der Magd gereicht wurde, währenddessen sich der Knabe Gustav empfahl und durch die gewöhnliche Tür hinaus, bei der ich zuerst hereingekommen war. Wir befanden uns draußen in dem schönen Marmorgange, von dem eine gleiche Marmortreppe emporführte. Wir durften die Filzschuhe nicht anziehen, weil jetzt über den Gang und die Treppe ein Tuchstreifen lag, auf dem wir gingen. In der Mitte der Treppe, wo sie einen Absatz machte, gleichsam einen erweiterten Platz oder eine Stiegenhalle, stand eine Gestalt aus weißem Marmor auf einem Gestelle. Durch ein paar Blitze, die eben jetzt fielen und das Haupt und die Schultern der Marmorgestalt noch röter beschienen, als es unsere Kerzen konnten, ersah ich, daß der Platz und die Treppe von oben herab durch eine Glasbedeckung ihre Beleuchtung empfangen mußten.
Als wir an das Ende der Treppe gelangt waren, wendete sich der Hauswirt mit uns durch eine Tür links, und wir befanden uns in jenem Gange, in welchem mein Zimmer lag. Es war der Gang der Gastzimmer, wie ich nun zu erkennen vermeinte. Unser Gastfreund bezeichnete eines als das des Pfarrers und führte mich zu dem meinigen.
Als wir in dasselbe getreten waren, fragte er mich, ob ich zu meiner Bequemlichkeit noch etwas wünsche, besonders ob mir Bücher aus seinem Bücherzimmer genehm wären.
Als ich sagte, daß ich keinen Wunsch habe und bis zum Schlafen schon Beschäftigung finden würde, antwortete er: „Ihr seid in Eurem Gemache und in Eurem Rechte. Schlummert denn recht wohl.“
„Ich wünsche Euch auch eine gute Nacht“, erwiderte ich, „und sage Euch Dank für die Mühe, die Ihr heute mit mir gehabt habt.“
„Es war keine Mühe“, antwortete er, „denn sonst hätte ich sie mir ja ersparen können, wenn ich Euch gar nicht zu Nacht geladen hätte.“
„So ist es“, antwortete ich.
„Erlaubt“, sagte er, indem er ein kleines Wachskerzchen hervorzog und an meinem Lichte anzündete.
Nachdem er dieses Geschäft vollbracht hatte, verbeugte er sich, was ich erwiderte, und ging auf den Gang hinaus.
Ich schloß hinter ihm die Tür, legte meinen Rock ab und lüftete mein Halstuch, weil, obgleich es schon spät war, die ruhige Nacht noch immer eine große Hitze und Schwüle in sich hegte. Ich ging einige Male in dem Zimmer hin und her, trat dann an ein Fenster, lehnte mich hinaus und betrachtete den Himmel. Soviel die Dunkelheit und die noch immer helleuchtenden Blitze erkennen ließen, war die Gestalt der Dinge dieselbe, wie sie am Abend vor dem Speisen gewesen war. Wolkentrümmer standen an dem Himmel, und wie die Sterne zeigten, waren zwischen ihnen reine Stellen. Zuzeiten fuhr ein Blitz aus ihnen über den Getreidehügel und die Wipfel der unbewegten Bäume, und der Donner rollte ihm nach.
Als ich eine Weile die freie Luft genossen hatte, schloß ich mein Fenster, schloß auch das andere, und begab mich zur Ruhe.
Nachdem ich noch eine Zeitlang, wie es meine Gewohnheit war, in dem Bette gelesen und mitunter sogar mit Bleifeder etwas in meine Schriften geschrieben hatte, löschte ich das Licht aus und richtete mich zum Schlafen.
Ehe der Schlummer völlig meine Sinne umfing, hörte ich noch, wie sich draußen ein Wind erhob und die Wipfel der Bäume zu starkem Rauschen bewegte. Ich hatte aber nicht mehr genug Kraft, mich zu ermannen, sondern entschlief gleich darauf völlig.
Ich schlief recht ruhig und fest.
Als ich erwachte, war mein erstes, zu sehen, ob es geregnet habe. Ich sprang aus dem Bette und riß die Fenster auf. Die Sonne war bereits aufgegangen, der ganze Himmel war heiter, kein Lüftchen rührte sich, aus dem Garten tönte das Schmettern der Vögel, die Rosen dufteten, und die Erde zu meinen Füßen war vollkommen trocken. Nur der Sand war ein wenig gegen das Grün des begrenzenden Rasens gefegt worden, und ein Mann war beschäftigt, ihn wieder zu ebnen und in ein gehöriges Gleichgewicht zu bringen.
Also hatte mein Gegner recht gehabt, und ich war begierig, zu erfahren, aus welchen Gründen er seine Gewißheit, die er so sicher gegen mich behauptet hatte, geschöpft, und wie er diese Gründe entdeckt und erforscht habe.
Um das recht bald zu erfahren und meine Abreise nicht so lange zu verzögern, beschloß ich, mich anzukleiden und meinen Gastherrn ungesäumt aufzusuchen.
Als ich mit meinem Anzuge fertig war und mich in das Speisezimmer hinabbegeben hatte, fand ich dort eine Magd mit den Vorbereitungen zu dem Frühmahle beschäftigt und fragte nach dem Herrn.
„Er ist in dem Garten auf der Fütterungstenne“, sagte sie.
„Und wo ist die Fütterungstenne, wie du es nennst?“ fragte ich.
„Gleich hinter dem Hause und nicht weit von den Glashäusern“, erwiderte sie. Ich ging hinaus und schlug die Richtung gegen das Gewächshaus ein.
Vor demselben fand ich meinen Gastfreund auf einem Sandplatze. Es war derselbe Platz, von dem aus ich schon gestern das Gewächshaus mit seiner schmalen Seite und dem kleinen Schornsteine gesehen hatte. Diese Seite war mit Rosen bekleidet, daß das Haus wie ein zweites kleines Rosenhäuschen hervorsah. Mein Gastfreund war in einer seltsamen Beschäftigung begriffen. Eine Unzahl Vögel befand sich vor ihm auf der Sande. Er hatte eine Art von länglichem, geflochtenem Korbdeckel in der Hand und streuete aus demselben Futter unter die Vögel. Er schien sich daran zu ergötzen, wie sie pickten, sich überkletterten, überstürzten und kollerten, wie die gesättigten davonflogen und wieder neue herbeischwirrten. Ich erkannte es nun deutlich, daß außer den gewöhnlichen Gartenvögeln auch solche da waren, die mir sonst nur von tiefen und weitabgelegenen Wäldern bekannt waren. Sie erschienen gar nicht so scheu, als ich mit allem Rechte vermuten mußte. Sie trauten ihm vollkommen. Er stand wieder barhäuptig da, so daß es mir schien, daß er diese Sitte liebe, da er auch gestern auf dem Spaziergange seine so leichte Kopfbedeckung eingesteckt hatte. Seine Gestalt war vorgebeugt, und die schlichten, aber vollen weißen Haare hingen an seinen Schläfen herab. Sein Anzug war auch heute wieder sonderbar. Er hatte wie gestern eine Art Jacke an, die fast bis auf die Knie hinabreichte. Sie war weißlich, hatte jedoch über die Brust und den Rücken hinab einen rötlichbraunen Streifen, der fast einen halben Fuß breit war, als wäre die Jacke aus zwei Stoffen verfertigt worden, einem weißen und einem roten. Beide Stoffe aber zeigten ein hohes Alter; denn das Weiß war gelblichbraun und das Rot zu Purpurbraun geworden. Unter der Jacke sah eine unscheinbare Fußbekleidung hervor, die mit Schnallenschuhen endete.
Ich blieb hinter seinem Rücken in ziemlicher Entfernung stehen, um ihn nicht zu stören und die Vögel nicht zu verscheuchen.
Als er aber seinen Korb geleert hatte und seine Gäste fortgeflogen waren, trat ich näher. Er hatte sich eben umgewendet, um zurückzugehen, und da er mich erblickte, sagte er: „Seid Ihr schon ausgegangen? Ich hoffe, daß Ihr gut geschlafen habt.“
„Ja, ich habe sehr gut geschlafen“, erwiderte ich, „ich habe noch den Wind gehört, der sich gestern abend erhoben hat, was weiter geschehen ist, weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß heute die Erde trocken ist und daß Ihr recht gehabt habet.“
„Ich СКАЧАТЬ