Kirche ist Mission. Roland Hardmeier
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kirche ist Mission - Roland Hardmeier страница 8

Название: Kirche ist Mission

Автор: Roland Hardmeier

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Edition IGW

isbn: 9783862567577

isbn:

СКАЧАТЬ evangelistischen Bemühungen, eine intensive soziale Tätigkeit der Evangelikalen (Tidball 1999, 261–267). Dabei spielten so bekannte Namen wie John Wesley, William Wilberforce, Charles Finney und Jonathan Edwards eine wichtige Rolle. Sie alle hatten ein traditionelles Evangelisationsverständnis, gleichzeitig war die soziale Betätigung, bis hin zum politischen Einsatz einzelner, ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Die soziale Tätigkeit kam auch auf struktureller Ebene zum Ausdruck. So hatte die Evangelische Allianz, die 1846 in London gegründet wurde, von Anfang an eine soziale Agenda. Sie wurde namentlich auch deshalb gegründet, um für das Recht auf Religionsfreiheit auch für die Angehörigen anderer Religionen einzutreten (Randall und Hilborn 2001, 45–70).

      Mit dem Aufkommen des protestantischen Fundamentalismus in Nordamerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts zerbrach in der so genannten „großen Wende“ das Miteinander von Evangelisation und sozialer Aktion. Edinburgh lag nur einige Jahre zurück, aber die Situation hatte sich für die Kirche bereits verschlechtert. Vom Geist der Aufklärung beflügelt, begannen liberale Ideologien wie der Darwinismus und die Bibelkritik ihren Marsch durch die theologischen Institutionen. Die Evangelikalen mobilisierten im Kampf gegen den Liberalismus ihre Kräfte für die Verteidigung des Glaubens und die Selbsterhaltung. Eine zunehmend pessimistische Weltsicht als Folge des Ersten Weltkriegs verstärkte den Trend zum Rückzug aus der gesellschaftlichen Verantwortung. In der Folge konzentrierte man sich auf die Evangelisation als alleinige Aufgabe der Kirche. Man sah in der Welt ein sinkendes Schiff, aus dem die letzten Seelen zu retten waren – ein Bild, das auf den Evangelisten und Erweckungsprediger Dwight Moody zurückgeht und bis heute den Missionsgedanken der Evangelikalen prägt.

       Soziale Verantwortung

      In den 1970er Jahren versuchten die Evangelikalen an das sozialethische Erbe der frühen evangelikalen Bewegung anzuknüpfen. Am Lausanner Kongress für Weltevangelisation 1974 begann die moderne evangelikale Bewegung sich erstmals gründlich mit der sozialen Aufgabe zu befassen. Das Verhältnis zwischen Verkündigung und sozialer Verantwortung wurde in die missionstheologische Diskussion aufgenommen und die soziale Verantwortung im Schlussdokument des Kongresses, in der Lausanner Verpflichtung, wie folgt beschrieben (Artikel 5):

      Wir bekräftigen, dass Gott zugleich der Schöpfer und Richter aller Menschen ist. Wir müssen deshalb seine Sorge um Gerechtigkeit und Versöhnung in der ganzen menschlichen Gesellschaft teilen. Sie zielt auf die Befreiung der Menschen von jeder Art von Unterdrückung. Da die Menschen nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, besitzt jedermann, ungeachtet seiner Rasse, Religion, Farbe, Kultur, Klasse, seines Geschlechts oder Alters, eine angeborene Würde. Darum soll er nicht ausgebeutet, sondern anerkannt und gefördert werden. Wir tun Buße für dieses unser Versäumnis und dafür, dass wir manchmal Evangelisation und soziale Verantwortung als sich gegenseitig ausschließend angesehen haben. Versöhnung zwischen Menschen ist nicht gleichzeitig Versöhnung mit Gott, soziale Aktion ist nicht Evangelisation, politische Befreiung ist nicht Heil. Dennoch bekräftigen wir, dass Evangelisation und soziale wie politische Betätigung gleichermaßen zu unserer Pflicht als Christen gehören. Denn beide sind notwendige Ausdrucksformen unserer Lehre von Gott und dem Menschen, unserer Liebe zum Nächsten und unserem Gehorsam gegenüber Jesus Christus. Die Botschaft des Heils schließt die Botschaft des Gerichts über jede Form der Entfremdung, Unterdrückung und Diskriminierung ein. Wir sollen uns nicht scheuen, Bosheit und Unrecht anzuprangern, wo immer sie existieren. Wenn Menschen Christus annehmen, kommen sie durch Wiedergeburt in sein Reich. Sie müssen versuchen, seine Gerechtigkeit nicht nur darzustellen, sondern sie inmitten einer ungerechten Welt auch auszubreiten. Das Heil, das wir für uns beanspruchen, soll uns in unserer gesamten persönlichen und sozialen Verantwortung verändern. Glaube ohne Werke ist tot.

      Seit der Niederschrift dieses Artikels ist die soziale Verantwortung aus der evangelikalen Mission nicht mehr wegzudenken. Freilich geschah dies nicht ohne Widerspruch und unter heftigen Auseinandersetzungen. Die Frage nach der Einordnung der sozialen Verantwortung in den Missionsauftrag führte in der Folge zu beträchtlichen Spannungen in der evangelikalen Bewegung. Die späten 1970er Jahre waren durch offen geführte Kontroversen in dieser Frage geprägt, und erst Anfang der 1980er Jahre gelang es, sich auf einen Konsens zu verständigen.

       Transformation

      In den frühen 1980er Jahren gelangte das Thema der Transformation auf die Tagesliste der Evangelikalen. Unterdessen hatte sich der Konsens verfestigt, dass zur Aufgabe des Christen in der Welt die soziale Verantwortung gehört. Dies führte zur Frage, wie der sozialen Gerechtigkeit auf struktureller und institutioneller Ebene zum Durchbruch verholfen werden konnte. Man wollte nicht nur Not lindern, sondern früher ansetzen und sie möglichst verhindern. Am Missionskongress in Wheaton 1983 wurde das Transformationskonzept in die evangelikale Missionstheorie eingebracht. Mission und Entwicklungshilfe sollten sich nicht länger nur auf Verkündigung und Hilfeleistungen beschränken, sondern auf die Umwandlung (Transformation) der Gesellschaft hinarbeiten und Strukturen verändern. Nicht mehr nur der einzelne Mensch in seiner Verlorenheit und in seiner sozialen Not stand im Fokus des missionarischen Geschehens, sondern die gesamte Gesellschaft.

      Während der Gedanke der Transformation in der Zwei-Drittel-Welt in der Folge immer stärker zum missionarischen Ziel avancierte, wurde diese Neuorientierung von den Evangelikalen im Westen mit Vorbehalten aufgenommen. Es wurde die Befürchtung geäußert, das historische Ziel der Mission – die Rettung von Menschen – könnte aus den Augen verloren werden. Und tatsächlich war nach Wheaton die Rettung von Seelen und der Aufbau der Kirche für viele Evangelikale nicht mehr das einzige Ziel der Mission. Der Missionsauftrag wurde um den Transformationsgedanken erweitert und dieser vor allem in den Ländern des Südens in der Praxis erprobt.

       Inkarnation

      Am Ende der 1980er Jahre wurde der Transformationsgedanke durch den Inkarnationsgedanken ergänzt. Am größten evangelikalen Missionskongress seit Lausanne, in Manila 1989, setzte sich die Überzeugung durch, dass Mission inkarnatorisch sein muss. Als Missionsbegründung wurde nicht mehr nur Mt 28 beigezogen, sondern es wurde früher angesetzt bei der Inkarnation (Menschwerdung) Christi. So wie Christus sich den Nöten der Menschen annahm und ihnen diente, müsse der missionarische Dienst in klarem Bezug zu den sozialen Nöten der Menschen bestehen. Es kam zu einer christologischen Begründung der Mission, die sich nicht nur auf das Kreuz und die Auferstehung berief, sondern das gesamte Leben Jesu als Modell der Mission begriff. Auf diese Weise bekam die evangelikale Mission eine ganzheitlichere Färbung, ohne dass die Priorität der Verkündung aufgegeben wurde. Im Manila-Manifest, dem Schlussdokument des Kongresses, heißt es:

      Die Evangelisation ist vorrangig, weil es uns im Sinn des Evangeliums in erster Linie darum geht, dass alle Menschen Gelegenheit erhalten, Jesus Christus als Herrn und Retter anzunehmen. Aber Jesus hat das Reich Gottes nicht nur verkündigt, sondern er hat die Ankunft des Reiches durch Werke der Barmherzigkeit und durch Vollmacht unter Beweis gestellt. Wir sind heute zu einem ähnlichen Miteinander von Wort und Tat aufgerufen … Unsere fortwährende Verpflichtung zu sozialem Handeln ist nicht eine Verwechslung des Reiches Gottes mit einer christianisierten Gesellschaft. Sie ist vielmehr eine Anerkennung der Tatsache, dass das biblische Evangelium unausweichlich soziale Folgerungen hat. Wahre Mission muss immer „inkarnatorisch“ sein. Darum müssen wir demütig Zugang suchen zu der Welt anderer Menschen, indem wir uns mit ihrer sozialen Wirklichkeit identifizieren, mit ihrer Trauer und ihrem Leid, mit ihrem Ringen um Gerechtigkeit gegen Unterdrückungsmächte. Dies kann nicht ohne persönliche Opfer geschehen. (Manila Manifest 1989, Abschnitt 2, Absatz 4)

      Ich werde die Entwicklung des Missionsverständnisses in der evangelikalen Bewegung in Kapitel 2 im Detail nachzeichnen. Für den Augenblick reicht es wenn СКАЧАТЬ