Название: Die Nacht der Schakale
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711726938
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»Hoffentlich bleibe ich es auch«, entgegnete ich. »Was hat Steve eigentlich mit dem Camp im Isartal zu tun?«
»Eine ganze Menge«, erwiderte Gregory. »Wir haben ihn vorübergehend als unseren Sonderbevollmächtigten in die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes entsandt.«
Er sah mich mit seinen kleinen starren Augen an, die wie hineingedrückt in tiefen Höhlen steckten. »Ich garantiere Ihnen, daß ich nichts damit zu tun habe, wenn Ihr Freund zu der Auffassung gelangt ist, daß er Sie unbedingt braucht, Lefty.«
Er konnte sagen, was er wollte. Gregory wußte ziemlich genau, daß ich kaum eine Möglichkeit hatte, eine Anforderung Steves auszuschlagen. Es gab eine stattliche Reihe von CIA-Leuten, mit denen ich recht gut auskam – und mindestens genauso viele, die ich nicht ausstehen konnte. Aber Steve war mein einziger Freund, und das nicht grundlos. Er hatte mich bereits zweimal aus der Klemme geholt und mir dabei einmal mit Sicherheit das Leben gerettet. Cassidy würde sich eher die Zunge abbeißen, als mich daran zu erinnern, daß noch eine Dankesschuld bestand. Er brauchte es auch nicht, denn das besorgte schließlich der Vice Director von Langley.
»Kommen wir endlich zur Sache«, forderte mich der große Gregory zu einer Analyse auf, die ebensogut er wie jeder andere Deutschland-Spezialist im Hause erstellen konnte. »Was halten Sie von diesen Vorgängen?«
»Es ist noch zu früh, um etwas davon zu halten«, erwiderte ich. »In diesem Stadium stehen noch viele Möglichkeiten offen. Zunächst einmal sieht es aus wie die ein wenig unübliche Eröffnung eines gewöhnlichen Geheimdienstspiels, in einer allerdings beträchtlichen Größenordnung. Es ist unübersehbar, daß Pullach in der Tat in rascher Folge drei ungewöhnliche Einbrüche in SSD-Agentenringe gelungen sind, vermutlich durch Hinweise von der anderen Seite, womöglich in allen drei Fällen dieselbe Quelle. Sie liegt im dunkeln. Wer der Informant auch sein mag, er hat keinen Namen, kein Gesicht, keine Dienststelle – und was noch weit mehr zählt, vorderhand auch kein Motiv.«
»Stimmt«, erwiderte mein Gegenüber »aber wenn er das Spiel fortsetzen will – wenn er es nicht wollte, hätte er es mit Sicherheit nicht eingeleitet –, mußte er umgehend und irgendwie aus dem Dunkel heraustreten und uns eine Gegenleistung abverlangen, und dann erfahren wir auch das Motiv und können uns mit ihm beschäftigen.«
Gregory hatte natürlich recht, und ich mußte ihm zustimmen. »Es gibt gewisse Hinweise, die eine Mutmaßung rechtfertigen, der große Unbekannte säße in unmittelbarer Nähe des Stasi-Generals Lupus«, sagte ich, »und damit beginnt bereits die Schweinerei: Die Hinweise können konstruiert sein, Leimruten, auf die wir kriechen sollen.« Ich suchte die Augen des großen Gregory. »Entweder haben Sie mir in dem Dossier Material vorenthalten, Sir, oder Sie setzen neuerdings in einer Art Wunschdenken auf gewaltige Spekulationen.«
»Bleiben Sie nur kritisch, Lefty«, fing er meine Spitze ab. »Sie wissen ja, wie sehr mir voreiliger Überschwang zuwider ist.«
»Gut«, erwiderte ich. »These Nummer eins: Es kann sich bei den Enttarnungen um ein zufälliges Zusammentreffen von Abwehrerfolgen handeln.«
»Möglich, doch unglaubhaft,«
»Das ist es eben, Sir. Wir sind so sehr in unsere Kabalen verstrickt, daß uns die Banalitäten und Eventualitäten des täglichen Lebens entgehen. Sie wissen, was ich meine, Sir?«
»Nein«, entgegnete Gregory. »Das sollten Sie mir schon genauer erklären.«
»Ein Arzt wittert überall Bazillen, ein Pfarrer Sünden, ein Bankdirektor Pleiten, eine Nutte Freier, und wir – wir sehen in jeder Zufälligkeit einen Fallstrick der Gegenseite.«
»Und Ihre These Nummer zwei?« überging der CIA-Gewaltige meine saloppe Ausdrucksweise.
»Ich will nur noch sagen: Wenn es wirklich Zufälle waren – das Gegenteil ist noch nicht bewiesen und vielleicht auch nie beweisbar –, droht die Gefahr, daß wir mit Kanonen auf Spatzen schießen. Vielleicht wäre es das beste, die Akten zu schließen, Sir, und auf weitere Glücksfälle zu warten.«
»Und bis sie eintreten, soll ich Sie wieder auf Ihre Paradies-Insel zurückschicken.«
»Ich hätte nichts dagegen, Sir«, antwortete ich. »These Nummer zwei: General Lupus hat meines Erachtens sofort eine Untersuchung der Pannen angeordnet. Selbstverständlich muß er annehmen, daß Verrat im Spiel ist. Der Ausgang seiner Fahndung ist klar: Entweder gibt es keinen Maulwurf in seinem Lager, oder er läuft schleunigst über, oder er wird – oder ist bereits – liquidiert.«
»Nicht von der Hand zu weisen«, erwiderte Gregory. »Aber vielleicht dreht es sich gar nicht um einen Untergeordneten, sondern es handelt sich um General Lupus persönlich. Sie wissen doch, Lefty, daß er uns seit einiger Zeit besondere Rätsel aufgibt.«
Drahtzieher der unsichtbaren Front sind im allgemeinen auch bei ihren eigenen Leuten mehr gehaßt als beliebt. Der Chef der Hauptverwaltung Aufklärung war eine Ausnahme. Er wurde von seinen Mitarbeitern vergöttert; selbst Überläufer, die dem verlassenen Arbeitgeber selten etwas Gutes nachsagen, bezeichneten ihn als hochintelligent und faszinierend im persönlichen Umgang. Sie rühmten seine Schlagfertigkeit und Führungsqualität ebenso wie sein Eintreten für die sozialen Belange seiner Mitarbeiter, die er selbst bei Versäumnissen nicht ohne weiteres fallen ließ. Solcherlei Berichte stimmten überein, was aber noch kein Beweis war, daß sie auch zutrafen.
Lupus war im Schwäbischen geboren und als Sohn eines deutschen Arztes und Bühnenschriftstellers in Moskau aufgewachsen. Das bekannteste Drama seines Vaters trug den Titel Zyankali, und genauso giftig wie HCN waren auch die subversiven Ränke, die der Sohn für den zweiten deutschen Staat betrieb. Immer wieder gelang es ihm, Bonner Regierungsstellen zu unterwandern und schließlich einen Agenten sogar im Vorzimmer des Bundeskanzlers zu plazieren. Ein Jahrzehnt lang saß er in der BND Zentrale mit am Tisch: Der Regierungsrat Heinz Felfe und zwei weitere frühere SS-Männer hatten über 300 Minox-Filme mit 15661 Aufnahmen sowie 20 Tonbänder und zahllose Funkmeldungen an den Osten geliefert. Ein Jahrzehnt war das Camp durchsichtig gewesen wie ein Glashaus. Dieser Zustand war zwar beendet, aber eine Wiederholungsgefahr ist immer gegeben.
General Alexander Lupus, der Westdeutschland zu einem Tummelplatz seiner Agenten gemacht hatte, war in Untergrundkreisen legendär. In Ostdeutschland selbst kannte ihn keiner. Sein Name wurde nie erwähnt, sein Foto nie gezeigt. Man wußte nur, daß er eine Nickelbrille trug, Geheimratsecken mit angegrauten Haaren hatte und dem Minister für Staatssicherheit, der es vom Polizistenmörder der Jahres 31 zum allmächtigen DDR-Polizeichef gebracht hatte, loyal ergeben war.
Im März 1982 war sein Bild plötzlich im Neuen Deutschland zu sehen gewesen. Sein Bruder Konrad Lupus, der Präsident der Ostberliner Akademie der Künste, war gestorben, und der Untergrundstratege stand mit seinen Angehörigen am offenen Grab und ließ sich auch von zahlreichen westlichen Fotografen ablichten. Bei aller Trauer – man wußte, daß er seinem an Krebs verstorbenen Bruder sehr zugetan war – hätte er die Veröffentlichung verhindern können, in der DDR-Presse ohnedies und im Westen durch Aussperrung der ausländischen Fotografen von der Bestattung.
Seitdem rätselten alle westlichen Geheimdienste darüber, was diese bewußte Zurschaustellung bedeutete: Sollte Lupus der Nachfolger seines 75 Jahre alten Ministers Mielke werden oder – wie nicht selten und vielleicht auch nicht unbegründet behauptet wurde – beim SED-Zetka in Ungnade gefallen sein und bald abgelöst werden?
»Wenn an diesen Gerüchten etwas ist, Sir«, sagte ich zum großen Gregory, »dann СКАЧАТЬ