Название: Die Nacht der Schakale
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711726938
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Der Major reichte ihm die Meldung. Lupus las sie aufmerksam durch und beugte sich zu dem neben ihm sitzenden Konopka: »Ich brauche Sie anschließend noch.« Dann drehte er sich zu Brosam um: »Sie bitte auch.«
Er schob die Meldung in die Tasche. »Wir werden also den Sperber hier im Haus genau nach den Vorstellungen, Wünschen und Träumen unserer Gegenspieler aufbauen«, erklärte er dann. »So wie die Pullacher und Amerikaner ihn sich wünschen, sollen sie ihn auch haben, und …«
»Und wer soll das sein, Genosse Lupus?« fiel ihm Gelbrich ins Wort.
»Einer von uns«, erwiderte der General. »Ich sehe keine andere Lösung, wenn wir Nägel mit Köpfen machen wollen.«
»Einer der hier Anwesenden?« fragte der empfindliche Gelbrich betroffen.
»Warum nicht – wenn es uns weiterhilft.«
»Und an wen denken Sie dabei, Genosse Lupus?« fragte Gelbrich weiter.
»Wir haben noch Zeit, uns auf einen geeigneten Pappkameraden zu einigen«, besänftigte Lupus den Proleten vom Dienst. »Sie jedenfalls nicht, Gelbricht. Aber einer der anderen Genossen hier im Raum muß in den sauren Apfel beißen und vorübergehend diese Dreckarbeit übernehmen.« Er lächelte schief. »Es ist eine Laiendarstellung mit einer Stargage.«
»Es wird nicht so einfach sein«, erinnerte Laqueur. »Ein solcher Mann wirkt im Westen erst dann glaubhaft, wenn er einen glaubhaften Beweggrund vorzeigen kann, und wir hier sind ja wohl alle bewährte und überzeugte Genossen.«
Beweggründe, die DDR zu verlassen, gab es viele, und 3,1 Millionen Menschen hatten sie genutzt, als es noch möglich war, um in den Westen zu entschlüpfen. Aber die Vorstellung, einer der führenden Männer der Spionagefabrik, die sich seit Jahren an der Frontlinie des Untergrunds mit ihren Gegenspielern herumschlug, könnte sich an einer Volksabstimmung mit den Füßen‹ beteiligen, schien absurd und abwegig.
»Ganz recht, Genösse Laqueur«, erwiderte der General. »Wir müssen ihnen ein überzeugendes Motiv bieten, und das haben wir auch.« Einen Moment lang war sein intelligentes Gesicht in Spott getaucht. »Wir nehmen ihren Höchstwert: Geld. Geld schlechthin. Vom Geld verstehen diese Kapitalisten etwas«, sagte er mit spitzen Lippen. »Um Geld dreht sich doch alles bei ihnen, und je gieriger desto glaubhafter wird ein Judas mit dem SED-Abzeichen sein. Fangen wir an mit einer halben Million Dollar. Sicher wollen die Pullacher und Amerikaner einige Vorleistungen haben. Dafür wird der Sperber sorgen und den Preis erhöhen und erhöhen und die Übergabe immer gewichtigeren Materials in Aussicht stellen.«
»Und das nehmen die uns ohne weiteres ab?« fragte Gelbrich weiter.
»Nicht ohne weiteres, aber wenn wir die Mischung richtig dosieren, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Gewöhnliches Spielmaterial tut’s in diesem Fall natürlich nicht. Hier brauchen wir Ungewöhnliches, und das heißt, daß wir schon mal ans Eingemachte heranmüssen. Bei der Zusammenstellung bin ich auf Ihre Mithilfe angewiesen, Genossen.«
Laqueur hatte erkannt, daß der General den neuralgischen Punkt seines Plans erreicht hatte: Mit Speck fängt man Mäuse, aber die Mäuse hatten viel dazugelernt. Sie waren ziemlich resistent geworden und unterschieden längst zwischen Delikatesse und Gift. Man mußte ihnen schon eine besondere Nahrung zuführen, wenn sie sich zu Tode fressen sollten, und das hieß: mehr oder weniger eigene Leute ans Messer liefern, Agenten im Einsatz, die bisher unergiebig gewesen waren und die man deshalb abdrehen konnte. Die übliche Tour: Dem Gegner Geheimnisse enthüllen, die er bereits kannte oder ahnte, würde versagen. Hier hieß es opfern, nicht spenden.
Laqueur überlegte bereits, welche seiner Leute verzichtbar wären, und die anderen würden es wohl ebenfalls tun. Befehl ist Befehl, und der Zweck heiligt die Mittel, auch bei den kommunistischen Jesuiten. Die Hexenjagd nach der Laus im eigenen Pelz, die BND und CIA mit Sicherheit bald vorgespielt werden würde, hätte noch den Nebeneffekt, die größte Spionagefabrik Mitteleuropas, die Resultate wie vom Fließband lieferte, auf Pannenquellen und säumige Mitarbeiter abzutasten und noch sicherer zu machen, als sie es bereits war.
Sie erwärmten sich langsam, dann aber bis zum Siedepunkt. Brosam machte an seiner Zigarettenattrappe gesundheitsneutrale Lungenzüge. Der besonnene Konopka pflückte bereits Vorschußlorbeeren. Der Optimismus Laqueurs, des Herrenreiters, ritt Galopp. Gelbrich nörgelte nicht mehr herum, sondern wirkte wie der Bauer, der sein Huhn im Topf hat. Nur Phimoses, der Berichterstatter, war traurig wie der Mann, der ein letztes Mal seinen Hund spazierenführt, bevor er ihn zum Einschläfern bringen muß.
Nach einer Stunde endete die Geheimbesprechung in Sachen Sperber. Die Teilnehmer hatten sich auf den Mann geeinigt, der die Rolle des Maulwurfs übernehmen sollte. Alle waren zufrieden, und Gelbrich, der Prolet vom Dienst, klopfte den roten Gentlemen Brosam und Konopka auf die Schulter, obwohl er sonst ihre feine Art nicht ausstehen konnte. Selbst Phimoses hatte in der Aufregung vorübergehend den verräterischen Rotpunkt vergessen. Lemmers, der Gruftspion, trug schwer an seiner Wichtigkeit, er hatte es eilig.
Lupus hatte für jeden ein Lächeln und einen Händedruck. Er mußte müde sein, aber der Fall Sperber hielt ihn auf Trab.
»Sehen Sie sich das an«, sagte er zu Konopka und reichte ihm die Tonbandabschrift. »Was halten Sie davon?«
»So ähnlich habe ich es mir vorgestellt«, erwiderte der rote Gigolo. »Manchmal wundere ich mich wirklich, was unsere Gegenspieler für Einfaltspinsel sind.«
»Häufig«, schränkte der subversive Militär ein.
»Und die Nachricht ist zuverlässig, Sascha?« fragte Konopka.
»Wie immer«, bestätigte der General.
Bevaujots Günstling fragte nicht nach der Herkunft der Mitteilung. Sie war nicht die erste und würde nicht die letzte sein, die aus der gleichen Quelle stammte.
Einem Fachmann wie ihm war von vornherein klar, daß sie nur vom Bonner Außenministerium oder aus der inoffiziellen Botschaft der Bundesrepublik in Ostberlin kommen konnte.
Konopka setzte auf die Hannoversche Straße – nicht erst seit heute.
3
Auf der Insel des Lichts war es schon Freitag, 7 Uhr 55 Ortszeit, als ich am Donnerstagnachmittag aus dem Headquarter von Langley – wo ich ein Gäste-Apartment bewohnte – im Bali Hyatt am Strand von Samur an der südlichen Westküste anrief, um Vanessa einen guten Morgen zu wünschen und sie zu bitten, meine Rückkehr abzuwarten, selbst wenn sie sich um ein, zwei Tage verzögern sollte.
Die Verbindung kam nicht so glatt zustande, wie ich es mir wünschte. Ständig war die Vorwahlnummer belegt. Endlich kam ich durch, hörte aber zunächst nur Balis ewige Gamelan-Musik. Das Hyatt, ein internationales Ferienhotel, war in der Saison fast immer voll ausgebucht, aber der Mann, der sich schließlich meldete, vermutlich ein Hausboy bei der Reinigungsarbeit, sprach nur dürftiges Pidgin-Englisch.
Als er endlich begriff, was ich wollte, war die Leitung wieder zusammengebrochen.
Ich begann von neuem mit meinem Geduldsspiel, geriet dabei in Zeitnot, denn in 20 Minuten wollte mich der große Gregory sprechen, und der CIA-Vice haßte Unpünktlichkeit – ich übrigens auch. Schließlich kam ich durch; jetzt war am anderen Ende der Leitung auch der zuständige Rezeptionist auf dem anderen Kontinent: »Good morning, Sir«, sagte er, als ich СКАЧАТЬ