Название: Malmedy - Das Recht des Siegers
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711727348
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„Es ist alles Scheiße!“ sagte er halblaut und erschrak vor seiner eigenen Stimme.
Dann fing er an zu rennen. Immer nach Osten. Aber er kam an Straßen, auf denen Amis fuhren und brüllten. Da rannte er wie ein scheuender Gaul wieder zurück. Er erschrak vor Fußspuren, die er im Schnee fand … bis er entdeckte, daß es seine eigenen waren. Er hatte sich im Kreis bewegt.
Seyfried heulte. Er ballte die Fäuste. Er stolperte, fiel und brach sich das Handgelenk. Mit der unverletzten Hand fühlte er einen Draht. Es war das Kabel eines Feldtelefons. Es muß irgendwohin führen, dachte er. Von jetzt ab war ihm alles egal …
Er nahm das Kabel hoch und lief an ihm entlang. Alle hundert Meter brüllte er auf amerikanisch:
„Hello!“
Erst nach einer Viertelstunde bekam er die Antwort. Aus dem Unterholz traten ihm vier Amerikaner mit vorgehaltenen Maschinenpistolen entgegen. Er sah Geschütze unter Tarnnetzen. Seyfried war mitten in eine amerikanische Artilleriestellung geraten.
„Where are you from?“ fragten ihn die Amis … „Wo kommst du her?“
Eine Sekunde überlegte Seyfried, ob er sich doch noch auf das verzweifelte Spiel einlassen sollte. Aber er hatte nicht mehr die Nerven.
Er gestand alles.
Sie brachten ihn zu ihrem Bataillonskommandeur. Der Major reichte ihn an die Division weiter. Von baumlangen Polizisten geführt, wurde Seyfried von Stellung zu Stellung nach hinten gebracht. Seine Geschichte verbreitete sich blitzschnell. Er lief durch die spalierstehenden Amis wie ein Tanzbär am Kirchweihfest durch die aufgeregte Dorfjugend.
Noch einmal hörte man sich die Geschichte des SS-Sturmmannes Seyfried an, ohne eine Miene zu verziehen.
„Ich hatte es satt … es ist doch alles sinnlos“, erklärte Seyfried immer wieder.
„Und wie viele von unseren Leuten haben Sie umgebracht, bevor Sie einsahen, daß alles sinnlos ist?“ fragte der verhörende Captain.
„Keinen Menschen“, beteuerte der blonde Seyfried.
„Es ist ohnedies egal“, erwiderte der Captain. „Sie stehen nicht unter der Haager Konvention. Das mußten Sie ja wissen, als Sie unsere Uniform anzogen.“
In einem kalten Keller irgendwo in Belgien erfuhr Seyfried am Heiligen Abend von einem mitleidigen Posten, daß die Ardennenoffensive längst zusammengebrochen war.
Es ist alles so sinnlos, dachte Seyfried noch einmal. Am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde er erschossen. Die amerikanische Division verlegte ihre Stellung sowieso nach vorne, und es bestand kein Grund, ihn noch weiter mit herumzuschleppen.
Haubold hatte es am besten von allen Fallschirmspringern, die zusammen mit Werner Eckstadt abgesetzt worden waren. Er hatte in der Nacht zum 17. Dezember einen wunderbaren Landeplatz gefunden. Ein freies Feld. Aber der Wind war zu stark, und Haubold glitt beim Aufprall aus. Er kam nicht mehr dazu, seinen Fallschirm zu überlaufen. Die aufgeblasene Seide zog ihn in einem Höllentempo quer über das ganze Feld. Haubold hatte den Kopf nach unten, die Beine in der Höhe. Sein Schädel schlug gegen Steine und Wurzeln.
Ein Koppelzaun trennte ihm den Kopf wie mit dem Rasiermesser vom Rumpf.
Belgische Bauern fanden ihn und beerdigten ihn mit allen Ehren als einen der Befreier, auf die sie seit Jahren gewartet hatten. Ais sie später der amerikanischen Armee das Grab nannten, konnten sie den Fall nicht mehr genau rekonstruieren.
Und so wurde Haubold in die Liste der unbekannten amerikanischen Soldaten aufgenommen. Und amerikanische Mütter weinen um ihn an den Ehrenmälern, die es dafür gibt …
Werner Eckstadt hockte in dem Panzer auf dem Platz, den ihm Obersturmführer Klausen zugewiesen hatte. Sein Sitz war miserabel. Die heißen Kartuschen mußten ihm unweigerlich ins Kreuz fliegen, falls der Panzer schoß. Außerdem mußte er sich klein machen. Vom ständigen Bücken verkrampfte sich sein Rücken.
Zum Glück fuhren sie nicht über Felder, sondern auf einer Straße. Das merkte Werner an der Erschütterung. Kein Mann der Panzerbesatzung wußte, daß es genau die gleiche Straße war, auf der Obersturmführer Friedberg und Unterscharführer Roettger in der Uniform des Feindes vor Stunden entlanggetippelt waren.
„Wenn’s jetzt nicht bald was gibt, Obersturmführer“, sagte der Fahrer Saalbeck, „dann sehen wir sauber aus.“ Er meinte Sprit für den Panzer, denn die Nadel des Brennstoffanzeigers zitterte knapp bei der Hundertlitermarke.
„Wird schon“, erwiderte der Obersturmführer.
Eine. Sekunde später befahl er:
„Turm auf elf Uhr!“
Saalbeck sah es im gleichen Augenblick. Knapp links voraus, in etwa 200 Meter Entfernung eine Straßenkreuzung. Es war die Stelle, an der die Leichen von Friedberg und Roettger lagen …
Auf der Kreuzung drängte sich der amerikanische Nachschub genauso noch wie vor Stunden. Obersturmführer Klausen hatte das Kehlkopfmikrofon vor dem Mund. Er wies die hinter seinem Tiger fahrenden Panzer seiner Einheit ein. Er ließ sie seitlich ausschwenken zu einer breiten Feuerfront. Er nahm die Augen nicht von der Zieleinrichtung. Klausen wollte selbst schießen und überließ Wieblich nur das Turm-MG. Die Gummimuschel klebte an den Augenbrauen des Obersturmführers.
Er sah, wie es drüben eine Stockung gab. Männer sprangen von den Fahrzeugen. Eine leichte Flak bellte. Maschinengewehre meckerten.
„Ach du jriene Neune!“ sagte Wieblich, „euch wern mer wat blasen!“
„Sprenggranate!“ befahl Klausen. „Aufschlagzünder.“
Die Patrone klackte in den Verschluß der 8,8 Panzerkanone.
Dann sagte der Obersturmführer nichts mehr. Er ließ die Straßenkreuzung auf der Spitze seines Zieldreiecks tanzen. Sein Handballen schwebte über dem roten Knopf.
Der Tiger brüllte auf, hob sich leicht.
„Rack … rrrack“, flog der Verschluß im Panzer zurück und vor. Die Kartusche polterte. Eckstadts Ohren sangen.
Der Schnee vor dem Tiger färbte sich schwarz. Schuß auf Schuß jagte hinaus. Neben ihm krachte es, rechts, dann links. Die orangenen Blitze standen über dem Schnee wie Marmelade auf Götterspeise.
Die Hölle gab ein Gastspiel …
3. kapitel
Das Gastspiel der Hölle war kurz und blutig. An der Kreuzung flammten Brände auf. Fahrzeuge kippten in Zeitlupe um. Schwarze Fetzen flogen durch die Luft. Wieblich, dessen Maschinengewehr noch nicht hämmerte, schlug sich vor Freude auf die Schenkel und lachte.
Aus dem brennenden, berstenden Durcheinander löste sich ein Sherman-Panzer und kroch Klausens Tiger entgegen. Der Obersturmführer hatte ihn im Visier. Eine Sekunde zu spät. Vor seinen Augen flimmerten plötzlich tausend Sterne. Werner Eckstadt bekam keine Luft mehr. СКАЧАТЬ