Название: Malmedy - Das Recht des Siegers
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711727348
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„Vera lügt nicht“, sagt er zu Morris.
Morris nickt.
„Na, ist ja alles in bester Ordnung. Ich werde mal bei meiner Dienststelle etwas Wirbel machen. Mal sehen, wer hier Akten klaut.“
„Wer hat eigentlich Vera bei Ihnen angezeigt?“ fragt Morris.
Der Leutnant zuckt mit den Schultern.
„Anonym“, erwidert er dann. Über sein Gesicht streicht der Schatten des Ekels.
„Anonym auch für Sie?“
„Mal sehen“, antwortet der Leutnant.
Die beiden jungen Offiziere haben in diesem Augenblick den gleichen Gedanken: wenn nun Amerikaner hinter der Sache stünden? Wenn eine bestimmte amerikanische Dienststelle Wert darauf legte, ein bestimmtes Schriftstück verschwinden zu lassen … ausgerechnet jetzt, da der Malmedy-Prozeß in wenigen Tagen anlaufen wird?
„Was war denn eigentlich in den Akten?“ fragt Leutnant Tebster.
„Geständnisse … das Übliche.“
„Und sonst nichts?“
„Doch. Ein Brief des Angeklagten an seine Schwester, der uns eigentlich erst auf die ganze Sache gebracht hat. Vorwürfe gegen die Methoden der Untersuchung. Es war schon der zweite Brief, der aus der Zelle geschmuggelt worden war.“ Leutnant Morris richtet sich auf. „Keine schönen Vorwürfe“, sagt er, „wenn sie stimmen, kann der Ankläger etwas erleben.“
Tebster nickt zerstreut, steht auf.
„Gehen wir frühstücken?“ sagt er abrupt. „Kommen Sie mit, Vera?“
Sie antwortet mit einem Lächeln.
Sie gehen zu dritt. Vera in der Mitte, Vera zwischen zwei jungen, sympathischen Männern, die die gleiche Uniform tragen und die gleichen Gefühle für sie haben. Aber diese Gefühle bleiben im Schatten des Falles Malmedy stecken. Drei Menschen werden sich Tag und Nacht den Kopf zerbrechen, wie sie das Netz von Mord, Lüge, Betrug und Verbrechen aufrollen können.
Indessen aber wird ein junger, unschuldiger Mensch namens Werner Eckstadt auf den Henker warten …
„Ich kann Ihnen nicht viel sagen“, beginnt der Major, „ich bin erst seit einer Woche hier. Mein Vorgänger ist bereits in den Staaten.“
Evans nickt.
„Der Betrieb hier ist korrekt. Die Häftlinge erhalten anständiges Essen, werden zweimal täglich an die frische Luft geführt und dürfen lesen. Wir sind kein KZ.“
Wiederum nickt der Colonel.
„Die Strafanstalt ist mit 468 Insassen besetzt … Die Gefängnisverwaltung hat mit der Untersuchung nichts zu tun. Die einzelnen Untersuchungskommissionen rufen die Leute auf, sie werden in eigenen Vernehmungszimmern zusammengebracht.
„Und Sie haben nie Unregelmäßigkeiten festgestellt?“ unterbricht ihn der Oberst.
„Wissen Sie“, erwidert er, „ich bin ja auch in den USA in der Gefängnisverwaltung tätig. Eine Strafanstalt ist schließlich kein Sanatorium. Immer werden die Häftlinge behaupten, daß sie mißhandelt worden sind. Ich habe es mir abgewöhnt, diese … Aussagen wörtlich zu nehmen.“
„Ich bin Rechtsanwalt“, antwortet Evans, „Sie brauchen mir das nicht zu erklären … Es handelt sich auch nicht um gewöhnliche Mißhandlungen.“ Der Oberst steht auf, geht im Zimmer hin und her. „Wenn es stimmt, was man mir sagte“, fährt er fort, „dann wurden hier, in Ihrer Anstalt, die größten Scheußlichkeiten verübt, die sich je eine amerikanische Untersuchungskommission zuschulden kommen ließ.“
„Sprechen Sie mit den Leuten“, versetzt Wheeler betroffen.
„Gut“, erwidert der Colonel, „zunächst hätte ich gern den Häftling Eckstadt. Werner Eckstadt.“
Der Major drückt auf einen Klingelknopf auf seinem Schreibtisch. Ein Sergeant tritt ohne Eile ein. Wheeler hat den Namen auf einen Zettel geschrieben und übergibt ihn dem Unteroffizier.
„Diesen Mann will ich haben“, sagt er, „sobald wie möglich.“ Er wendet sich wieder dem Colonel zu: „Man soll sich mit diesen verdammten Krauts nicht einlassen. Die meisten lügen, und die nicht lügen, sagen nur die halbe Wahrheit … Oder haben Sie schon einmal einen getroffen, der zu seinem Verbrechen stand?“
„Nein“, entgegnet der Colonel ruhig. „Aber schließlich … alle Deutschen können keine Verbrecher gewesen sein.“
In diesem Augenblick kommt der Sergeant zurück.
„Tut mir leid“, sagt er, „Eckstadt ist gestern verlegt worden. Nach Dachau.“
Zufall? überlegt der Colonel. Er verabschiedet sich zerstreut. Seine Gedanken sind schneller als sein Wagen. In zwei Stunden kann er in Dachau sein.
Und er wird sich nicht vom Weg abbringen lassen.
An diesem Tage werden weitere Maschen des unsichtbaren Netzes, das die blonde Vera umgibt, zugezogen. Um neun Uhr ist sie beim Wohnungsamt vorgeladen. Sie fragt sich zu einem rundlichen Inspektor durch, der aussieht, als ob er seine Stellung unter Kaiser Wilhelm angetreten hätte und unter Adenauers Enkel sie noch ausüben würde. Er langt mechanisch nach einem Aktenstück, schlägt es auf und sagt, ohne Vera anzusehen:
„Sie sind also Fräulein Eckstadt?“
„Ja.“
„Sie müssen ausziehen.“
„Warum?“
„Die Wohnung ist beschlagnahmt.“
„Und weshalb ist sie beschlagnahmt?“
Der Mann zuckt die Achseln.
„Weshalb?“ fragt Vera noch einmal.
„Ihr Bruder ist schließlich Kriegsverbrecher“, erwidert der Beamte unwirsch.
„Erstens ist Werner noch nicht verurteilt“, fährt ihn das Mädchen unwirsch an, „und zweitens ist es meine Wohnung und nicht seine.“
„Es geht mich nichts an“, versetzt der Inspektor. „Es ist eine Anordnung … Sie müssen sie heute noch räumen.“
Der tägliche Dienst hat ihn längst abgestumpft, Die Vorgesetzten befehlen, und die Untergebenen führen aus. Das ist seine Welt, seine verdammt einfache Welt. Manchmal hat sie Zwischenfälle. Davon zeugen noch die Schlaufen auf seiner Bürojacke, an denen er, ordentlich wie er war, das Parteiabzeichen aufgehängt hatte. Das Blechding lag jetzt in der Isar, und der Beamte saß wieder auf seinem Amtsstuhl. Nach seiner Meinung mit Recht. Schließlich hatte er nur seinen Beitrag bezahlt. Die Leute, die die Anweisungen trafen, wechselten wie Parteiabzeichen, ihre Vollstrekker blieben … Dafür gibt es 400 pro Monat, nebst Pensionsberechtigung.
Vera СКАЧАТЬ