Malmedy - Das Recht des Siegers. Will Berthold
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Название: Malmedy - Das Recht des Siegers

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711727348

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СКАЧАТЬ Captain bietet ihr Platz und eine Zigarette an.

      „Es tut mir leid“, sagt er, „es tut mir wirklich leid …“

      „Was tut Ihnen leid?“ fragt Vera.

      „Ich habe hier die Order, daß ich Sie entlassen muß.“

      Er zuckt mit den Achseln. „Es ist mir unangenehm. Ich habe Sie sehr geschätzt.“

      „Und warum müssen Sie mich entlassen?“

      „No comment“, erwidert der Captain, „kein Kommentar.“

      Und so räumt Vera an diesem Tag Wohnung und Schreibtisch. Und sie muß an den Mann denken, der sie im Haus der CIC gewarnt hatte, sich weiterhin für ihren Bruder einzusetzen. Sie könnte ihre beiden Beschützer, Leutnant Tebster und Leutnant Morris, um Hilfe anrufen. Aber nicht ihr sollen sie helfen, sondern Werner, denkt Vera, und so nimmt sie die Schikanen hin. Sie sieht ihre beiden Freunde vor sich und lächelt. Harmlose, nette Burschen … olivgrüne Toggenburgs, die vielleicht nicht einmal wissen, wer der Ritter Toggenburg war.

      Vera hat nicht viel einzupacken. Die Familie Eckstadt wurde in ganz unglaublicher Weise vom Krieg betroffen. Der Vater entkam dem Ersten Weltkrieg mit einer Gasvergiftung. Er zog von Krankenhaus zu Krankenhaus, bis er 1929 in Bad Kissingen starb. Die englische Mutter besuchte unmittelbar vor Kriegsausbruch ihre Verwandten in London. Hitlers Einmarsch in Polen sperrte ihre Rückfahrkarte nach Deutschland. Sie wurde kurzfristig interniert, dann entsannen sich die britischen Behörden darauf, daß sie eine gebürtige Engländerin vor sich hatten, und entließen sie aus dem Lager. Sie lebte in London. Zweimal gelang es ihr, über die Schweiz Briefe an ihre Kinder zu schicken. Einmal erhielt sie Antwort darauf. Es war ein erschütterndes Dokument.

      Der Krieg beschied sich noch nicht damit, daß er den Vater getötet und die Mutter von den Kindern getrennt hatte. 1944 starb Veras Mutter an einer verirrten V 2. Kurz danach wurde Vera nach München dienstverpflichtet. Sie richtete sich eine kleine, bescheidene Wohnung ein und wartete auf Werner.

      Endlich war der Krieg zu Ende.

      Aber der Bruder kam nicht. Ein unberechenbarer Zufall machte ihn zum „Kriegsverbrecher“.

      Und ich bin seine Mutter und sein Vater gleichzeitig, überlegt Vera. Und dabei habe ich mich immer an ihn angelehnt, an den großen, starken Bruder. Und jetzt ist er der Schwächere.

      Veras Mut ist ungebrochen. Sie ist selbstsicher, gelöst, vernünftig und sauber … sauber wie ihr Gesicht. Weder der Krieg noch die dunkle Zeit, die ihm folgte, haben ihr etwas anhaben können. Sie ist unberührt und dabei weder ängstlich noch prüde. Sie kann mit Männern umgehen, ohne Männer zu kennen.

      Das verdankt das hübsche, elternlose Mädchen unter anderem einem Lulatsch von einem Mann, Heinz, dem Panzerleutnant.

      Sie liebte ihn. Sie liebte ihn von Anfang an. Er konnte mit den Augen lachen, ohne das Gesicht zu verziehen. Er hatte eine Art, zuzuhören und ohne zu reden, Antwort zu geben. Er konnte ihre Hände halten, ohne daß sie zitterten. Er konnte stundenlang neben ihr sitzen und sie ansehen und kein Wort sagen. Er war Student, hatte Pläne, hatte eine Zukunft. Nur in seinen Briefen sprach er davon.

      Vera und Heinz schwiegen auch noch, als sie sich in den Armen lagen. 1944 war das. Und Heinz mußte am nächsten Morgen wieder zurück an die Front. Sie verbrachten die letzte Nacht gemeinsam. Sie saßen sich gegenüber, bis sie müde wurden. Auf einmal lagen sie nebeneinander auf Veras Bett. Auf dem Nachttisch tickte ein Wecker, der die Zeit, die ihnen blieb, in kleine Portionen zerhackte. Das Licht hatte Vera ausgelöscht. Der Mond schien so hell, daß jeden Augenblick die Alarmsirenen aufheulen mußten. Aber ein strategischer Zufall trug die Bomben in dieser Nacht in eine andere Stadt.

      Sie küßten sich wie nie zuvor. Sie klammerten sich aneinander. Sie hielten ihre Hände so fest, daß sie schmerzten. Aber sie merkten es nicht. Weder die zwanzigjährige Vera noch der lange Heinz.

      Und es wurde ihnen heiß. Es dröhnte in ihren Ohren. Es legte sich auf ihr Bewußtsein. Es kroch ihnen den Rücken hoch. Es ließ ihre Hände beben. Es ließ sie mit den Zähnen küssen. Und durch das Brausen hindurch, durch den Drang, durch den Sturm spürten sie, was sie sich bedeuteten.

      „Vera“, flüsterte Heinz keuchend.

      „Ich liebe dich“, erwiderte sie. „Ich habe noch nie geliebt. Du bist der erste … und du wirst auch der letzte sein.“

      Er lächelte. In seinen Augen standen Tränen. Er drehte den schmalen Kopf in das Kissen, damit sie es nicht sehen konnte. Aber Vera bemerkte es trotzdem und war glücklich darüber.

      Und ich gehöre ihm, dachte sie. Und es wurde ihr wohlig und warm. Das Glück war groß und ungebärdig. So schön ist das, dachte sie, und so sauber und so anständig und so selbstverständlich.

      „Nein“, stöhnte Heinz, „es darf nicht sein! Es soll nicht sein!“ Er verkrampfte die Hände zu Fäusten, bis die Knöchel weiß wurden. Er biß sich auf die Lippen, daß die Spuren noch tagelang daran hafteten.

      „Wir heben uns das auf“, flüsterte Heinz. „Verstehst du, Vera? Diese Welt ist so dreckig. Wir zwei … wir beide … wir machen das anders … ganz altmodisch.“

      Sie streichelte sein Haar. Ihre Finger kannten sein Gesicht auswendig. Sie lächelte mit glänzenden Augen. Ein Radio spielte halblaut, er spuckte süße Melodien und bittere Meldungen in den Raum. Die übliche Mischung aus Schnulze und Heldentod.

      Mein Gott, wie liebte sie ihn in diesem Augenblick. Nicht nur in diesem Moment. Aber die Zeit ließ sich nicht viel Zeit in dieser Nacht. Sie teilten ihr Glück in Minuten und Sekunden ein, in denen sie besprachen, wie es sich durch ihr ganzes, weiteres Leben ziehen sollte. Sie sagten sich Zärtlichkeiten und Gemeinplätze, und alles klang gut und schön und wahr und einmalig.

      Vera brachte Heinz an den Zug. Sie war nicht die einzige Begleiterin eines Soldaten, aber sicher die glücklichste und die traurigste. Es gibt nichts Häßlicheres, nichts Gemeineres, nichts Trostloseres während eines Krieges als die Bahnhöfe, als das Nebeneinander von Abschied und Begrüßung. Hier steht eine überglückliche Mutter und umarmt ihren einzigen Sohn, und daneben sieht eine Frau ihrem Mann nach, dessen Kopf am Fenster immer kleiner wird, ein dunkler Punkt zuletzt. Und den sie nie mehr sehen wird, nie mehr, nie mehr …

      „Komm bald wieder“, sagt Vera.

      „Gewiß“, erwiderte er, „der Krieg ist ja bald aus.“ Ein Kloß würgte in seinem Hals.

      „Wie lange dauert er noch?“ fragte sie.

      „Nicht mehr lange.“

      Der Stationsvorsteher pfiff gedankenlos. Beide zuckten zusammen. Und die Lokomotive heulte zurück. Es klang wie das Wimmern eines Hundes, dem man versehentlich auf den Schwanz tritt.

      Dann zerriß die Panzermine den Leutnant.

      Der „Panther“ legte sich auf die Seite und begrub vier Mann, darunter Heinz, den Kommandanten.

      „Für Führer, Volk und Vaterland“, stand auf dem Waschzettel, den der Kreisleiter Vera in das Haus brachte, zusammen mit patriotischen Phrasen, unsteten Blicken und ungeduldigem Füßescharren.

      Vera hält das Bild von Heinz in der Hand. Er sieht sie mit seinen offenen Augen an, mit Augen, die jetzt gebrochen sind, die nie mehr den Glanz СКАЧАТЬ