Название: Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane
Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027222049
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«Herr», warnte ihn der griechische Arzt, «du mußt dich schonen…»
«Hörst du nicht? Totila trägt die Gotenkrone! Jetzt ist nicht Zeit, sich zu schonen. Meinen Helm, Syphax.»
Und er riß Lucius Licinius, der die Botschaft gebracht, den Aufruf aus der Hand und las begierig.
«Ist das nicht lächerlich? Nicht Wahnsinn?» meinte dieser.
«Wahnsinn ist es, wenn die Römer noch Römer sind. Aber sind sie’s noch? Sind sie es nicht mehr? – Dann schaffen wir – und nicht der Barbarenfürst – ein Werk des Wahns. Diese Probe darf gar nicht gemacht werden. Im Keime muß diese neue Gefahr zertreten werden. Der Streich gegen den Adel und für die Colonen ist ein Meisterstück. Er darf nicht Zeit haben zu wirken. Wo ist Demetrius?»
«Schon gestern abend aufgebrochen, Totila entgegen. Du schliefst, der Arzt verbot, dich zu wecken. Auch Demetrius verbot es.»
«Totila König, und ihr laßt mich schlafen! Wißt ihr nicht, daß dieser Blondkopf der Genius des Gotenvolkes ist? Demetrius will sich den Lorbeer allein holen. Wie stark ist er?»
«Den Goten mehr als zweimal unterlegen: Zwölftausend gegen Fünftausend.» – «Verloren ist Demetrius! Auf, zu Pferd! Bewaffnet alles, was eine Lanze tragen kann. Laßt nur die Wunden auf den Wällen. Dieser Brand Totila muß erstickt werden im ersten Knistern. Sonst löscht ihn kein Ozean von Blut mehr aus. Meine Waffen, zu Pferd.»
«So hab’ ich den Präfekten nie gesehen», sagte Lucius Licinius zu dem Arzt. «Es ist wohl das Fieber? Er erbleichte.»
«Er ist fieberfrei.»
«Dann fass’ ich’s nicht. Denn Furcht kann es nicht sein. Syphax, laß uns ihm folgen.»
Rastlos trieb Cethegus seine Scharen vorwärts. So rastlos, daß nur ein kleines Reitergefolge mit seinem Ungestüm und Pluto, seinem raschen und unermüdlichen Rappen, Schritt halten konnte. In weiten Zwischenräumen folgten Marcus Licinius, Massurius mit des Cethegus Söldnern und Balbus mit den in Eile bewaffneten Bürgern von Ravenna. Denn wirklich nur Greise und Kinder hatte Cethegus neben den Wunden in der festen Stadt zurückgelassen.
Endlich hatte der Präfekt wenigstens Fühlung mit dem Nachtrab des byzantinischen Feldherrn gewonnen. Totila zog von Tarvisium her nach Süden gegen Ravenna. Zahlreiche Haufen bewaffneter Italier, aus den Provinzen Ligurien, Venetien, Ämilia stießen zu ihm, durch seine Worte aufgerufen zu neuer Hoffnung und neuen Entschlüssen. Sie verlangten seine erste Schlacht gegen die Byzantiner mit schlagen zu dürfen.
«Nein», hatte Totila ihren Führern erwidert, «erst nach der Schlacht faßt euren letzten Entschluß. Wir Goten fechten allein. Siegen wir, so mögt ihr uns folgen. Fallen wir, so soll euch nicht der Byzantiner Rache treffen. Wartet ab.»
Die Verbreitung solch hochsinniger Entscheidung zog neue italische Scharen zu den Goten heran.
Totilas Heer aber verstärkte sich von Stunde zu Stunde auf dem Marsche auch durch gotische Krieger, die einzeln oder in kleinen Scharen, aus der Gefangenschaft entkommen, oder auch aus ihren früher erreichten Verstecken wieder aufbrachen, nachdem sie den Verrat an Witichis und die Erhebung eines neuen Königs, das Wiederaufflammen des Krieges erfuhren.
Bei der Eile, mit welcher Totila vorwärts drängte, die frische Begeisterung seiner Scharen noch unverhüllt zu verwerten, und bei dem Eifer, mit dem Demetrius ihm entgegenflog, um ihn allein zu schlagen, stießen die beiden Heere bald aufeinander.
Bei Pons Padi war es.
Die Byzantiner standen in der Ebene, sie hatten den Fluß, den sie erst mit der Hälfte ihres Fußvolkes überschritten hatten, hinter sich. Da erschienen die Goten auf den sanft geneigten Höhen, den Rücken nach Nordwesten.
Die untergehende Sonne blendete die Byzantiner.
Totila übersah von dem Hügel, dicht vor den Feinden, deren Stellung. «Mein ist der Sieg»! rief er jauchzend, zog das Schwert und jagte mit seiner Reiterei auf die Feinde hernieder, wie der Falke auf seine Beute stößt.
Cethegus hatte bald nach Sonnenuntergang mit seinen Reitern das letzte, verlassene Lager der Byzantiner erreicht. Da jagten ihm schon die ersten Flüchtlinge entgegen. «Wende dein Roß, Präfekt», rief ihm der erste Reiter zu, der ihn erkannte, «und rette dich. Totila über uns! Er hat Artabazes, dem tapfersten Führer der Armenier, mit eigner Hand Helm und Kopf durchhauen.»
Und unaufhaltsam jagte der Flüchtling weiter.
«Ein Gott vom Himmel führte die Barbaren!» schrie ein zweiter. «Alles verloren! Der Feldherr gefangen! Alles in wilder Flucht.»
«Unwiderstehlich ist dieser König Totila!» rief ein dritter und wollte an dem Präfekten vorbei, der den Weg versperrte.
«Sag’s in der Hölle weiter!» sprach Cethegus und stieß ihn nieder. «Vorwärts!»
Aber kaum ausgesprochen, nahm er den Befehl zurück.
Denn schon fluteten in dichten Massen die geschlagenen Byzantiner, den ganzen Wald erfüllend, zurück und ihm entgegen. Der Präfekt erkannte: unmöglich war’s mit seinem Häuflein die Flucht der Tausende aufzuhalten. Eine Zeitlang sah er unschlüssig dem Gewoge zu.
Schon wurden die gotischen Verfolger in der Ferne sichtbar. Da erreichte ihn verwundet Vitalius, ein Heerführer des Demetrius. «O Freund», rief ihn dieser an. «Da ist kein Halten mehr! Das flutet fort bis Ravenna!»
«Ich glaub’ es selbst», sprach Cethegus. «Sie werden die Meinen eher mit sich fortreißen als stehen.»
«Und doch verfolgt uns nur die Hälfte der Sieger, unter Teja und Hildebrand. Der König wandte noch auf dem Schlachtfeld um. Ich sah ihn abziehen. Er schwenkte nach Südwesten.»
«Wohin?» fragte Cethegus aufmerksam, «sag’ nochmal an! In welcher Richtung?»
«Nach Südwesten bog er aus!»
«Er will nach Rom!» rief Cethegus und riß den Hengst herum, daß er bäumend hochstieg. «Folgt mir! Zur Küste!»
«Und das geschlagene Heer? Ohne Führer!» rief Lucius Licinius, «sieh, wie sie fliehen!»
«Laß sie fliehen! Ravenna ist fest! Es wird sich halten. Hört ihr denn nicht? Der Gote will nach Rom! Wir müssen vor ihm dort sein. Folgt mir! An die Küste, der Seeweg ist frei! Nach Rom!»
Drittes Kapitel
Lieblich ist – und weit berühmt ob seiner Lieblichkeit – das Tal, in welchem die Passara von Norden her in die von Westen nach Südosten eilende Athesis rinnt. Wie eine vorgebeugte, nach dem schönen Südland sehnende Gestalt neigt sich in der Ferne auf deren rechten Ufer die Mendola heran.
Hier, oberhalb des Einlaufs der Passara, lag die römische Siedlung Mansio Majä. Noch etwas weiter flußaufwärts, auf beherrschendem Fels die Burg Teriolis. Heute heißt – von einem Berg «Muhr» oder «Mar» (Rutsche) – die Stadt Meran. Die Burg hat der Grafschaft Tirol den Namen gegeben. «Mansio Majä» СКАЧАТЬ