Название: Missionale Theologie
Автор: Roland Hardmeier
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783862567621
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2.4Ein Gott, der sendet
Die Missio Dei ist ein aus der Missionstheologie nicht mehr wegzudenkendes Konzept. Auch missional gesinnte Theologen aus dem evangelikalen Segment beginnen neuerdings, ihn für ihre Sichtweise zu reklamieren. Ein besonderes Problem in der Entstehungsgeschichte des Konzepts bestand in seiner Vieldeutigkeit. So konnte es geschehen, dass unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche Ansichten in das Konzept hineingelesen wurden. Diese Unschärfe bedarf der Korrektur. Noch zu Beginn der 1980er-Jahre konnte David Bosch sagen, „dass die Trinitätslehre in Kirche, Mission und Theologie eine nur recht vage Funktion ausübt“. Es sei daher notwendig, „detaillierter auszuführen, was wir unter einer trinitarischen Grundlage der Mission verstehen“.78 Deshalb halte ich es für angebracht, im Folgenden einige biblische Grundzüge der Missio Dei herauszuarbeiten.79
Gott sendet
Obwohl wir den Begriff „Mission“ zu Recht mit dem Neuen Testament – und dort insbesondere mit dem sogenannten Missionsbefehl in Mt 28 und Parallelen – in Verbindung bringen, ist Mission nicht auf das Neue Testament beschränkt. Das neutestamentliche Missionsverständnis hat tiefe alttestamentliche Wurzeln.
Das Alte Testament offenbart einen sendenden Gott, der sich aus Liebe offenbart und Menschen zu Werkzeugen seines Heils macht. Gott selbst ist der erste Missionar. Nach dem Sündenfall geht er zu den Menschen und kündigt ihnen Gericht und Rettung an: „Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ (1Mo 3,15). Mit diesem Versprechen kündigt Gott den Menschen die Überwindung des Bösen an. An diesem Punkt in der Geschichte beginnt inmitten der menschlichen Unheilsgeschichte die Heilsgeschichte Gottes. Hier werden die Grundzüge biblischen Heils sichtbar:80 Gott geht aus sich heraus und sucht das Heil des Menschen. Das Heil ist Gottes Werk, die Selbsterlösung steht schon hier ganz am Anfang im Gegensatz zum Wirken Gottes. Das Heil wird Satan, den Feind der Menschen, zerstören. Damit ist angedeutet, dass die Geschichte nicht endlos weitergeht. Sie hat mit der Schöpfung einen Anfang und mit Gericht und Neuschöpfung ein Ende (Offb 21,1ff). Das Heil wird durch einen Menschen kommen, den „Nachwuchs“ Evas. Dies ist ein verhüllender Hinweis auf Jesus Christus. Durch sein Leiden („du triffst ihn an der Ferse“) verwirklicht er das Heil. Damit wird schon auf den ersten Seiten der Bibel klar: Gott gebraucht Menschen als seine Werkzeuge, um sein Heil zu verwirklichen. Die Initiative geht von Gott aus und das Heil, das er anbietet ist ein Geschenk. Doch dieses Geschenk muss vermittelt werden. Die Vermittlung des Heils, die sowohl im Alten als auch im Neuen Testament eine wichtige Rolle spielt, klingt hier bereits an. Denn wo es keiner menschlichen Vermittlung bedarf, ist auch keine Mission nötig. Und auch das Zusammengehen von Gericht und Gnade findet sich hier: „Gott selbst kommt und verkündigt ihnen [Adam und Eva] das Gericht. Das gehört immer zur Mission dazu. Denn wenn das Gericht nicht wäre, brauchten wir nicht von Gnade und Vergebung zu sprechen.“81
Die Grundzüge der Missio Dei sind auf den ersten Seiten der Bibel also bereits vorgezeichnet. Entlang dieser Linien entfaltet sich im Alten Testament eine immer deutlicher werdende Theologie der Sendung, in welcher Gott der Handelnde ist. Einige Beispiele: Gott sendet einen Engel, um Abrahams Knecht zu helfen, eine Frau für Isaak zu finden (1Mo 24,7). Gott sendet Josef nach Ägypten, um seine Familie zu retten (1Mo 45,7). Gott sendet Mose zum Pharao, um die Freilassung seines Volkes zu fordern (2Mo 3,10). Gott sendet einen Engel, um sein Volk in das verheißene Land zu führen (2Mo 23,20).
Gott liebt
Die zentrale Motivation der Sendung Gottes ist seine Liebe, die sich in seiner Barmherzigkeit zeigt. Nirgends im Alten Testament wird das deutlicher als im Exodus, der paradigmatischen Erfahrung Israels. Das rettende Eingreifen Gottes wird zweifach begründet:
Zum einen gründet Gottes heilbringendes Handeln in seiner Bundestreue, die auf das Versprechen an Abraham zurückgeht, aus ihm ein Volk zu schaffen. „Gott hörte ihr Stöhnen und Gott gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob. Gott blickte auf die Söhne Israels und gab sich ihnen zu erkennen“ (2Mo 2,24f), steht wie eine Überschrift über dem Exodus. Gott hatte Abraham versprochen, dass seine Nachkommen Gottes Volk sein sollten und dass er ihnen das Land Kanaan zum Pachtbesitz geben würde (1Mo 12,1–3). In der Befreiung aus Ägypten begann Gott dieses Versprechen einzulösen.
Zum andern ist es die in Gottes Wesen begründete Barmherzigkeit, die ihn zur rettenden Tat drängt. „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen“ (2Mo 3,7f). In diese Situation des Elends sendet Gott Mose, um die Israeliten zu befreien: „Jetzt ist die laute Klage der Israeliten zu mir gedrungen und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie unterdrücken. Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus!“ (2Mo 3,9f). Sowohl hier als auch in den mosaischen Gesetzen offenbart sich Gott als ein aus Barmherzigkeit handelnder Gott.82 Am Ursprung jeglicher Sendung steht Gott, seine Liebe, seine Barmherzigkeit und seine Treue zu seinen Verheißungen.
Im Exodus zeigt sich exemplarisch Gottes Handeln mit der Welt.83 Gottes Plan ist es, Heil zu schaffen, und dieses Heil betrifft den Menschen ganzheitlich. Israel wurde durch das Passa von seinen eigenen Sünden erlöst, aber im Exodus ebenso von der an ihnen begangenen Sünde der Unterdrückung befreit. Aus dem Exodus lassen sich Grundzüge missionalen Handelns mit Gültigkeit für die christliche Mission ableiten: In der Mission wendet sich Gott den Menschen ganzheitlich zu und begegnet der ganzen Bandbreite menschlicher Bedürfnisse. Christliche Sendung muss, wenn sie sich Gottes Sendung anschließen will, immer den ganzen Menschen im Blick haben.
Gott beruft
Durch das gesamte Alte Testament hindurch wird deutlich, dass Gott sich Menschen sucht und sie zu Mittlern des Heils macht. Die Sprache der Berufung und Sendung durchzieht das ganze Alte Testament: Gott gibt seinem Volk Richter, um sie zu befreien (Ri 3,9). Gott sendet seine Propheten, um sein Volk zu warnen und zu leiten (Ri 6,8). Gott sendet Samuel, um mit der Salbung von Saul (1Sam 15,1) und David (1Sam 16,1) eine neue Ära einzuleiten. Das Sendungsmuster des Alten Testaments ist durchgängig dasselbe: Gott ist der Sendende, der Menschen zu seinen Gesandten macht, damit diese in seinem Namen reden und handeln.
Grundsätzlich für das Alte Testament ist, dass Israel ein gesendetes Volk ist, um zeichenhaft unter den Völkern zu leben. Israel existierte als priesterliches Volk um der Völker Willen (2Mo 19,5f).84 Als gehorsames Volk war es dazu bestimmt, unter den Segen Jahwes zu kommen, damit die Völker voll Staunen auf Israel und seinen Gott blickten (5Mo 4,6–8; 28,10). Auf diese Weise sollte Israel ein missionarisches Volk sein und Zeuge bis an die Enden der Erde werden (Jes 49,6).85
Die prophetischen Bücher machen am ausführlichsten von der Sprache der Sendung Gebrauch: Gott sendet seine Propheten zu seinem Volk und zu den Völkern (Jer 1,7). Gott sendet Gericht unter sein Volk (Hes 5,16) und unter die Völker (Hes 39,6). Gott sendet sein Wort, damit es bewirkt, was ihm gefällt (Jes 55,11). Gott sendet Ägypten einen Retter (Jes 19,20). Seinem Volk sendet er aus seinem Erbarmen Korn, Wein und Öl (Joel 2,18f).
In der Berufung der Propheten zeigt sich, dass Gott СКАЧАТЬ