Название: Mein geniales Leben
Автор: Jenny Jägerfeld
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9783825162313
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Darum sind wir jetzt umgezogen. Zu Oma in ihr großes gelbes Haus in diesem Nest namens Skärblacka oder kurz »Blacka«, das in der Nähe von Norrköping liegt, wo alle … ja … wie soll ich sagen: ein bisschen eigenartig reden. Der komische Dialekt ist wahrscheinlich der einzige Nachteil von Skärblacka. Und dass es hier eine gigantische Papierfabrik gibt, die das ganze Dorf manchmal in eine Wolke hüllt, die nach Kacke stinkt.
Als wir bei den Süßigkeiten ankamen, war Majken tatsächlich dort. Aber sie sammelte keine Bonbons auf. Stattdessen sahen wir, wie sie etwas aus einer kleinen Schachtel in eine der durchsichtigen Bonbonschütten leerte.
»Was machst du da?«, fragte ich.
Majken drehte sich zu uns um. Ihr sommersprossiges Gesicht strahlte. Sie versuchte zu flüstern, doch das liegt ihr nicht. Ihre Stimme eignet sich nicht für Geflüster.
»ICH MACHE EINEN STREICH!«
»Aha«, sagte Oma voller Interesse. »Was für einen Streich denn?«
Majken hielt kichernd die Schachtel hoch, damit wir lesen konnten: Bertie Botts Every Flavour Beans.
»Aber Majken!«, sagte ich.
»ICH HAB DIE ALLE ZU DEN JELLYBEANS GELEERT!«
»Was ist das überhaupt?« Oma streckte die Hand nach Majkens Schachtel aus.
»DAS IST AUS HARRY POTTER, DA GIBT ES ALLE GESCHMACKSSORTEN AUF DER WELT! EIN GRÜNES KANN NACH ROTZ ODER NACH APFEL SCHMECKEN, KOMMT GANZ DARAUF AN, WELCHES MAN ERWISCHT. DIE SEHEN ALLE GLEICH AUS. MANCHMAL SCHMECKEN SIE NACH REGENWURM, OHRENSCHMALZ ODER KOTZE. ABER MANCHMAL HAT MAN GLÜCK UND KRIEGT EINS, DAS NACH ZITRONE SCHMECKT! ICH HAB SIE VON MEINER FREUNDIN IN STOCKHOLM BEKOMMEN. UND DIE HAT SIE IM HARRY POTTER-MUSEUM IN LONDON GEKAUFT!«
»Oh dear. Ohrenschmalz und Kotze, das klingt nicht allzu appetitlich«, sagte Oma und gab Majken die Schachtel zurück.
»ICH WEISS! DARUM HAB ICH SIE JA HIER REINGELEERT!«
»Du hättest sie mir geben können«, sagte ich. »Ich liebe Jellybeans. Die Ekligen kann man doch einfach ausspucken, oder?«
»ICH MACH MIT MEINEN JELLYBEANS, WAS ICH WILL!«
»Aber trotzdem«, sagte ich verärgert.
»Das hier ist ein total unnötiger Streit«, sagte Oma. »Ich kann dir neue kaufen, Sigge.«
Wir sahen in die durchsichtige Bonbonschütte, die bis an den Rand mit leuchtend bunten Jellybeans gefüllt war. Ich öffnete den Deckel und rührte mit einer Plastikschippe darin herum. Es war unmöglich, die Harry Potter-Beans von den anderen zu unterscheiden.
»Darf ich mir vielleicht eine andere Sorte Süßigkeiten aussuchen?«, fragte ich hoffnungsvoll und sah zu Oma auf.
»Tut euch keinen Zwang an, Darlings«, sagte Oma mit einem ermunternden Kopfnicken zum Süßwarenregal hin. Und dabei war heute nicht einmal Samstag, der offizielle Süßigkeitentag.
Majken und ich wurden ganz wild! Wir füllten unsere Tüten mit mindestens je einem halben Kilo Süßkram. Bobo dagegen war mit ihrer Gujke hochzufrieden.
Wie gesagt: Mit Oma einkaufen ist toll!
EIN HOFFNUNGSLOSER TYP
Mama traf meinen biologischen Vater, als sie in Australien und Neuseeland als Backpackerin unterwegs war. Backpack bedeutet Rucksack auf Englisch, und Backpacker sein handelt eigentlich nur davon, dass man mit einem Rucksack durch die Welt reist. Da wohnt man nicht in irgendwelchen Luxushotels, sondern eher in Jugendherbergen, wo es Wanzen gibt.
Damals hatte Mama einen Job als Kellnerin in einem Lokal auf der Insel Kangaroo Island, und dort lernte sie meinen Vater kennen. Er war Koch, und sie verliebte sich bis über beide Ohren in ihn. Er hatte schulterlange schwarze Locken und die schönsten Augen, die sie je gesehen hatte. Sie behauptet, die hätte ich von ihm geerbt.
Sie waren genau sieben Wochen zusammen, dann musste Mama wieder nach Schweden zurück. Kaum hatte sie in Stockholm das Flugzeug verlassen, musste sie sich übergeben. Wie eine Fontäne kam alles hoch. Zuerst dachte sie, sie hätte sich den Magen verdorben, aber als die Kotzerei nach ein paar Tagen nicht aufhörte, sah sie ein, dass sie schwanger war. Mit mir!
Sie war zwar erst zwanzig, wusste aber gleich, dass sie mich behalten wollte, obwohl keine ihrer Freundinnen ein Kind hatte.
Außer wie seine Haare und Augen aussehen, weiß ich genau fünf Dinge über meinen Vater. 1. Er heißt Jonathan Taylor. 2. Er ist ein hoffnungsloser Typ (das hat Mama mir nicht so direkt gesagt, aber ich hab gehört, wie sie am Telefon über ihn geredet hat). 3. Er hat ein Piercing in der Zunge, das sieht von oben aus wie ein blaues Bonbon und von unten wie eine runde Metallkugel. 4. Er ist nicht sehr groß. 5. An einem Tag, als das Lokal geschlossen war, hat er ein märchenhaftes Gericht für Mama gekocht. Sie durfte auf der Terrasse sitzen, mit Blick aufs Meer, während die gelben, roten und blauen Lampions im Wind schaukelten. Er tischte das beste Hühnchen auf, das sie je gegessen hatte (das war, bevor sie Vegetarierin wurde), und als Nachtisch gab es einen Apfelkuchen, den er mit ihrem Namen, »Hannah«, aus lauter Apfelstückchen verziert hatte, dazu ringsum ganz viele Herzen. Also scheint er ja auch ziemlich verknallt in sie gewesen zu sein.
Mein Vater weiß, dass es mich gibt. Das hat Mama mir gesagt. Aber er hat nie den Wunsch geäußert, mich kennenzulernen. Klar, er wohnt ja auf der anderen Seite der Welt, da kann man sich natürlich nicht alle zwei Wochen sehen, aber man könnte vielleicht skypen, mal eine Mail schicken oder so. Aber dazu hat er sich nie aufgerafft. Mama sagt, ich soll mir nichts daraus machen. Sie habe Liebe genug für zwei Eltern und sogar mehr.
Meine Lehrerin hat einmal gesagt, das, was man nie gekannt hat, kann man nicht vermissen. Sie erzählte, sie sei ohne Mutter aufgewachsen. Die sei nämlich gestorben, als sie selbst noch ein kleines Baby war. Aber mir war sofort klar: Das stimmt nicht. Ich habe meinen Vater vermisst. Oder, vielleicht nicht direkt meinen Vater, weil ich ja nicht weiß, wie er ist (bis auf diese fünf Dinge). Aber einen Vater habe ich auf jeden Fall vermisst. Zwar war Svedrik da, aber das ist nicht dasselbe. Wir haben nicht die gleichen Augen. Wir sind uns in keiner einzigen Sache ähnlich.
Vielleicht irre ich mich total, aber manchmal denke ich, wenn es in meinem Leben einen Vater gegeben hätte, hätte ich nie solche Probleme mit Freunden und so gehabt. Vielleicht hätte ich mich dann nicht so komisch gefühlt? Nicht so verkehrt. Vielleicht hätte er mir beibringen können, wie man alles richtig macht? Vielleicht.
DAS PARADIES UND EIN AUSGESTOPFTER FISCHOTTER
Obwohl Mama behauptete, der Umzug zu Oma sei eine Notlösung, war er für mich ein Umzug ins reinste Paradies! Auch für die Tiere war es hier viel besser. Einstein durfte öfter frei herumrennen, Tarzan und Frasse bekamen einen viel größeren Käfig, und die Schildkröte Carolina konnte in ihrem Gehege draußen im Freien sein. Oma hatte es rechtzeitig bis zu unserem Einzug СКАЧАТЬ