Mein geniales Leben. Jenny Jägerfeld
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Название: Mein geniales Leben

Автор: Jenny Jägerfeld

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783825162313

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СКАЧАТЬ knuffte mich mit seiner feuchten Schnauze am Arm, um mich daran zu erinnern, dass ich weiterkraulen sollte.

      »Warum muss Sigge sich die Haare schneiden lassen?«, fragte Oma.

      »Weil man sonst sein Gesicht nicht mehr sieht.«

      »Warum sollte jemand sein Gesicht sehen wollen?« Oma lächelte und kniff mir in die Wange. »Das war ein Scherz, Darling, das begreifst du natürlich, wo du doch so intelligent bist. Dein Gesicht ist ganz entzückend. Müsste als Briefmarke erscheinen.«

      »Wie auch immer, morgen um zwei hast du einen Termin beim Friseur, Sigge. Bitte, Mama, kannst du ihn hinbringen? Ich habe morgen ein Vorstellungsgespräch.«

      »Charlotte, wenn ich bitten darf.«

      »Von mir aus, Charlotte«, sagte Mama mit ziemlich angespannter Stimme. »Kannst du ihn hinbringen?«

      Oma will weder Mama noch Oma genannt werden. Sie behauptet, in diesen Worten liege die eingebaute Erwartung, dass sie sich um uns kümmern werde, und das habe sie nicht vor. Es sei ja nicht so, dass sie das gar nicht wolle. Das wolle sie durchaus – aber nur ab und zu! Es solle vor allem nicht als selbstverständlich gelten. Das hatte sie sich erst vor Kurzem ausgedacht, darum hatten wir uns noch nicht so recht daran gewöhnt.

      Ihr Name wird mit englischem Akzent ausgesprochen: Chaaarlott. Oma ist zur Hälfte Britin, zu einem Viertel Deutsche und zu einem Viertel Norwegerin. Und zu hundert Prozent durchgeknallt, fügt Mama meistens hinzu. Aber Oma behauptet, Mischlinge wären schlauer als reinrassige Tiere. Für mich ist das nur gut. Ich bin zur Hälfte Australier, zu einem Viertel Schwede, zu einem Achtel Brite, zu einem Sechzehntel Deutscher und zu einem Sechzehntel Norweger. Aber wenn ich ehrlich sein soll, fühle ich mich vor allem als Schwede.

      »Er kann doch allein zum Frisör gehen, er ist immerhin zwölf«, sagte Oma.

      »Ich weiß, dass er allein gehen kann. Das Problem ist nur, dass er nicht allein gehen wird, weil er sich die Haare nicht schneiden lassen will.«

      »Aber Hannah, dann verstehe ich wirklich nicht, warum du ihn beim Friseur angemeldet hast?«

      »Ich glaube, es tut ihm nicht gut, wenn er sein schwaches Auge nicht trainiert!«

      »Oh dear! Ich wusste gar nicht, dass Haare so ein heikles Thema sein können.«

      Plötzlich läutete das Telefon. Ein altes rotes Plastikding mit langem Ringelkabel, das im Flur an der Wand hing.

      »Saved by the bell«, sagte Oma und zwinkerte mir zu, bevor sie abnahm und in ihre professionelle Stimme wechselte:

      »The Royal Grand Golden Hotel Skärblacka, Charlotte speaking!«

      Oma schwieg kurz, nickte und hörte zu.

      »Nein, bedaure. Es tut mir wirklich leid, aber das Hotel ist momentan total ausgebucht. Den ganzen Sommer, ja. Alle Zimmer. Hoffentlich finden Sie etwas anderes. Vielen Dank, dass Sie an The Royal Grand Golden Hotel in Skärblacka gedacht haben! Bye-bye.«

      Sie hängte den Hörer in die Gabel zurück.

      Mama hob misstrauisch die Brauen.

      »The Royal Grand Golden Hotel Skärblacka. Heißt es wirklich so?«

      »Ja, ganz genau so. Ich habe vor Kurzem den Namen geändert. Hotel Skärblacka klang ja unerträglich spießig.«

      »Aber«, sagte Mama, »The Royal Grand Golden Hotel … ist das nicht ein bisschen zu großartig? Fast eine Lüge?«

      »Finde ich nicht. Es ist doch tatsächlich das größte Hotel in Skärblacka.«

      »Es ist das einzige Hotel in Skärblacka!«

      »Ganz genau!«, stellte Oma lächelnd fest. »Und damit auch das größte und das großartigste.«

      Mama rollte mit den Augen, dann schob sie die Zwiebeln vom Schneidebrett in die Bratpfanne, wo sie sofort zu brutzeln anfingen.

      »Übrigens«, sagte Oma. »Ich kann ihm die Haare schneiden, wenn das so wichtig ist. Das Geld kannst du dir sparen.«

      »Ja, gute Idee«, meinte Mama, die immer scharf darauf war, Geld zu sparen. »Aber kannst du das denn überhaupt?«

      »Selbstverständlich. Schließlich hab ich Einstein jeden Sommer getrimmt, das ist nicht besonders schwierig. Und dir fällt es bestimmt leichter als Einstein, stillzuhalten, nicht wahr, Sigge? Hinterher kriegst du dann auch ein bisschen Frolic, wenn du willst.«

      »Bitte, Sigge?« Mama sah mich flehend an.

      »When hell freezes over«, sagte ich, das hatte ich nämlich mal in einem Film gehört. Es bedeutet »wenn die Hölle zu Eis gefriert«. Was so viel heißt wie nie.

      MEIN ZOMBIEAUGE

      Ja. Ich habe ein schwaches Auge. Ich schiele. Das bedeutet, dass mein eines Auge immer auf meine Nase zu gucken scheint, obwohl ich das nicht will. Als ich kleiner war, hatte ich eine Augenklappe. Die saß vor dem starken Auge, weil das schwache trainiert werden sollte. Sonst bestand die Gefahr, dass das starke Auge alle Arbeit übernehmen und das Gehirn das schwache Auge abkoppeln würde, und dann wäre ich einäugig. Oder ich hätte zwar immer noch zwei Augen, aber das eine Auge wäre wertlos und fast blind.

      Ich hasste die Augenuntersuchungen und ich hasste die Augenklappe. Jedes Mal, wenn die ausgewechselt wurde, fühlte es sich an, als würde man mir die ganze Augenbraue abreißen.

      Die Klappe war beige, hautfarben. Wie ein Pflaster. Echt beschissen. Erstens bin ich nicht beige. Und zweitens war sie kein bisschen unauffällig. Genauso gut hätte ich sagen können: Hallo! Ich hab hier kein Auge! Sieht man doch, oder?

      Als Oma einmal vor vielen Jahren meine Babysitterin war, bat ich sie, ein Auge auf die Klappe zu malen. Ich hoffte, dann würde die Klappe weniger auffallen. Oma nahm die Aufgabe ernst und holte Opas winzig kleine Farbdöschen hervor. Damit hatte er die kleinen Häuser und Figürchen für seine geliebte Modelleisenbahn bemalt, die im Keller stand.

      Oma erlaubte sich einige künstlerische Freiheiten, das muss man schon sagen. Sie malte nämlich ein Zombieauge auf die Klappe. Ein Auge, rund wie ein Tischtennisball, das aus der Augenhöhle herauszukullern schien, nur von einem kleinen roten Hautfetzen festgehalten. Die Iris hatte die gleiche Farbe wie meine eigenen Augen, dunkelgrün mit einem goldbraunen Ring. Aber rings um die Iris hatte Oma rote Striche gemalt, als wäre das Auge blutunterlaufen. Mir gefiel es, obwohl es nicht ganz so wurde, wie ich es mir vorgestellt hatte. Dass ich mich so deutlich daran erinnere, hat damit zu tun, dass am folgenden Montag in meiner Vorschule Schulfotos gemacht wurden. Mama war nicht begeistert. Aber Oma umso mehr. Sie bestellte eine Unmenge Abzüge und außerdem noch Klebebildchen und Kühlschrankmagnete mit meinem Porträt und verschenkte sie an die Verwandtschaft. Das Weihnachtsgeschenk des Jahres, wie sie es nannte. In unserer früheren Wohnung in Stockholm saß so ein Magnet am Kühlschrank. Oma hat hier in Skärblacka drei Stück am Kühlschrank kleben und im Wohnzimmer ein großes gerahmtes Foto hängen. Es ist ihr Lieblingsbild von mir.

      Nur eine Sache hasse ich mehr als die Augenklappe, und zwar die Tatsache, dass ich immer noch schiele. Wenn ich meine Brille aufsetze, СКАЧАТЬ