Название: Geist Gottes - Quelle des Lebens
Автор: Heinrich Christian Rust
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Edition IGW
isbn: 9783862567607
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Es ist nahe liegend, diesen Fluss, diese Quelle des Lebens mit dem Geist Gottes in Verbindung zu bringen. Gott selbst wird im AT als die Quelle des Lebens (Ps 36,10) oder als lebendige Quelle (Jer 2,13; 17,13) bezeichnet. Aus Jahwe selbst fließen Lebenskräfte zum Segen der ganzen Schöpfung (Ps 65,10). Nach dem Zeugnis des NT empfangen Menschen aus dieser Quelle „Gnade um Gnade“ (Joh 1,16; LU). Jesus spricht von der neuen Geburt durch „Wasser und Geist“ (Joh 3,5; LU). Er ist es, der mit dem Heiligen Geist „tauft“ (Joh 1,33). Der Geist wird „ausgegossen“ (Joel 3,1; Apg 2,17; LU). Der Strom des Lebens begegnet uns auch in der Sicht der Vollendung. Johannes sieht ihn als Fluss, der hervorquillt aus dem Thron Gottes und des Lammes, glänzend wie ein Kristall (Offb 22,1). Wo der Geist Gottes wirkt, entsteht Frucht (Joh 15,5; Gal 5,22f). Der „Baum des Lebens“ (1Mo 2,9; LU) taucht am Ende der Geschichte wieder als „Holz des Lebens“ auf, das in der vom Himmel herabkommenden Stadt Jerusalem stehen soll und viele Früchte zur Heilung der Nationen trägt (Offb 22,2–3). Der Geist lädt gemeinsam mit der Gemeinde in die heilende Gottesgemeinschaft ein. „Der Geist und die Braut sagen: ‚Komm!‘ Und wer das hört, soll auch rufen: ‚Komm!‘. Wer durstig ist, der soll kommen. Jedem, der es haben möchte, wird Gott das Wasser des Lebens schenken“ (Offb 22,17).
Der Geist Gottes tritt auf den Plan, der durch alle Zeiten hindurch fließt wie ein Strom des Lebens, der seine Schöpfung in die große Mission Gottes ruft. Seit Pfingsten ist er ausgegossen in die Herzen der Menschen (Röm 5,5). Er will weiterfließen zur Transformation, zur Veränderung und Heilung der vertrockneten Landschaften und der Nationen. Dieser Strom ist nicht aufzuhalten, auch nicht durch die neuen Tempelmauern der menschlichen Vernunft, der kirchlichen Erstarrung oder des Hochmutes der Menschen. Wer sich in diesen Strom hineinbegibt, der verliert schnell den Boden unter den Füßen, er muss schwimmen.
Meine Fragen, die mich an diesem sommerlichen Morgen in dem Wolkenmeer der Ohnmacht und Hoffnungsarmut versenken wollten, haben durch die Frage Gottes an mich nun eine andere Richtung bekommen. „Kannst du schwimmen?“ – „Ich weiß es nicht, mein Herr, aber ich will mich gern von diesem Strom des Lebens, diesem Geist des Lebens neu erfassen lassen!“ Die Wolken sind noch da, aber ich weiß um den Glanz und um die Schönheit des ewigen, fließenden Lichtes Gottes. Mein Tag wird hell.
Diese bewusst erfahrene Einladung des Geistes Gottes, mich ganz neu auf den tragenden und fließenden Lebensstrom einzulassen, hat nicht nur meine Gedanken erhellt, sondern sie hat mich auch ermutigt, mich mit der Quelle und den Strömungen neu zu befassen und den Erstarrungen des Lebens nicht zu viel Aufmerksamkeit zu geben. Dieses Buch soll nicht einen klagenden und lamentierenden Unterton haben, sondern ich hoffe, dass es mir gelingt, die strahlenden Kristallfarben dieser Quelle des Lebens zu beschreiben. Das wird im Rahmen eines Sachbuches nur sehr schwer möglich sein, und so mute ich meiner Leserschaft immer wieder Geschichten des Lebens zu, die komplizierte theologische Zusammenhänge häufig klarer entfalten können als viele theologische Spitzfindigkeiten. Die Vorstellung vom kristallenen Lebensstrom wird uns dabei immer wieder begleiten, gleichsam wie ein Hintergrund für die theologischen Skizzen, die zu einer missionalen Pneumatologie beitragen sollen. Es ist nicht nur eine Vorstellung, sondern eine realistische Erfahrung, dass dieser Geist in mein Herz ausgegossen ist und mich immer neu ergreifen will. Hier und da komme ich in meinen Gedanken, meinen Argumentationslinien ins Schwimmen; manchmal fehlen mir die Worte und die Metaphern und Bilder überlagern sich. Das liegt wohl in der Natur der Sache bzw. des Geistes. Der Geist Gottes ist Bewegung und nicht Erstarrung. Allerdings gebe ich zu, dass auch die Erstarrungen des Lebens zum Nachdenken reizen.
Ich will der Frage nachgehen, warum die charismatischen Bewegungen oder auch andere Erneuerungsbewegungen so schnell an Schwung verlieren können. Es könnte an einer Einseitigkeit der Wahrnehmung liegen. Der Gedanke der „Wellen des Geistes“ symbolisiert zwar Dynamik, hat aber de facto dazu geführt, dass sich die verschiedenen Bewegungen voneinander abgrenzten und lediglich noch in einer Richtung unterwegs waren. Manche richteten ihre neuen „Tempel“ wohnlich ein und besangen die Gegenwart Gottes – ohne zu bemerken, dass diese gerade unterwegs war. Es blieben Formen, Rituale, Gewissheiten. Je mehr man es sich allerdings in den neuen Bewegungen gemütlich machte, desto mehr verloren sie an Schwung, der Strom wurde immer enger. Es ist bereits angeklungen, dass in den vielfältigen pfingstlich-charismatischen Bewegungen auch eine gewisse Engführung und Starre auszumachen ist. Ein Grund dafür mag darin liegen, dass neue Bewegungen sich nicht selten aufgrund einer Unzufriedenheit mit dem Status quo entwickeln, aber seltener, weil der Geist Gottes uns „mitfließen“ lässt und in seiner Liebeskraft zum Standortwechsel auffordert. Die Konzentration der charismatischen Erneuerungsbewegungen auf die Erneuerung des einzelnen Menschen hat nach meiner Einschätzung zu einer verhängnisvollen Verengung der Bewegung geführt. Da geht es um die Ersterfahrung des Empfangs der Gabe des Geistes, um ein vom Geist Gottes erfülltes Leben in der Heiligung und um die vielbesagten Charismen. Zuweilen stehen einzelne Geistesgaben unverhältnismäßig stark im Mittelpunkt (Sprachenrede, Heilungen, Prophetie, Leitung). Die gemeinschaftsfördernde Dimension, die ekklesiologischen und sozialpolitischen Akzente einer ganzheitlichen Lehre vom Heiligen Geist bis hin zur kosmischen und eschatologischen Pneumatologie werden nur wenig bedacht. Peter Zimmerling reflektiert diese Tatsache angesichts einer Zuordnung zu den drei Artikeln des apostolischen Glaubensbekenntnisses und resümiert: „Die Konsequenzen aus der nur mangelhaften trinitarischen Rückbindung des Geisteswirkens in charismatischer Theologie und Frömmigkeit besteht in einer häufig zu beobachtenden Vernachlässigung des ersten und zweiten Artikels. Der fehlende Bezug zum ersten Artikel lässt leicht übersehen, dass jede Geisterfahrung von soziologischen und charakterlichen Gegebenheiten des jeweiligen Menschen geprägt ist; der vernachlässigte christologische Rückbezug führt zur Gefahr des Triumphalismus. Beides lässt sich am Charismen-, Gemeinschafts-, Gottesdienst-, Seelsorge- und Gemeindeaufbauverständnis charismatischer Bewegungen verifizieren.“24 Zimmerling könnte hier auch zusätzlich eine verkürzte Wahrnehmung des dritten Artikels ausmachen, denn auch die eschatologisch-pneumatologische Dimension wird zu wenig bedacht. Die pneumatologische Gemeindelehre hat sich vielfach zu einem Reizthema auch unter den Charismatikern entwickelt. Es gibt unterschiedliche Gemeindeaufbaukonzepte. Während die innerkirchlichen Bewegungen auf die charismatische Erneuerung der bestehenden Ortsgemeinden zielen, wählen andere den Weg der Gemeindeneugründung. Hier entfaltete sich eine Vielzahl von verschiedenen ekklesiologischen Entwürfen (Hauskirchen, ökumenische Gemeinschaften, Kommunitäten, freie unabhängige Ortsgemeinden). Die Neugründungen sind oft begründet in der Ablehnung der bestehenden Kirchen und Freikirchen. Die Pfingstkirchen haben sich zur eigenen Kirchenbildung entschieden und bieten ekklesiologisch vielen charismatischen Gruppen und Gemeinschaften ein konfessionelles Zuhause. Die charismatischen Erneuerungsbewegungen in den traditionellen Kirchen und Freikirchen meiden zum Teil die Frage nach einer vom Geist Gottes geprägten Gemeindelehre. In diesem Sinne setzt die Charismatische Erneuerung in der katholischen Kirche in Deutschland den Akzent sehr eindeutig und zum Teil auch einseitig auf die geistliche Erneuerung des Einzelnen. Die Reduzierung des Geisteswirkens auf Themen wie Geistestaufe, Geisterfüllung oder auch auf die Freisetzung einzelner Charismen hat den missionarischen Schwung der charismatischen Bewegungen enorm ausgebremst.
Der Geist Gottes ist ein Geist der Mission in dieser Welt, nicht nur ein charismatischer Geist. Er ist der Geist des Lebens, der auch an all die vertrockneten Orte dieser Welt gelangen will. Ein neues Nachdenken über diesen Geist der Mission finden wir bereits bei dem jungen Karl Barth.25 In Anlehnung an Barths Redeweise von der „Actio Dei“ prägte der Missiologe Karl Hartenstein26 den Begriff der „Missio Dei“ (Sendung Gottes), um deutlich zu machen, dass Mission eine Aktion des dreieinen Gottes selbst ist und nicht nur eine menschliche Reaktion auf den Missionsauftrag Jesu. In jüngerer Zeit nahmen die Missiologen Lesslie Newbigin27, СКАЧАТЬ