Название: Geist Gottes - Quelle des Lebens
Автор: Heinrich Christian Rust
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Edition IGW
isbn: 9783862567607
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Schon bald kam es auch hier zu Erstarrungen und zu notvollen Erfahrungen. Es zogen dunkle Wolken auf. Mitglieder aus den charismatisch geprägten Gemeindegruppen klagten zunehmend über geistlichen Missbrauch. Nicht wenige trennten sich wieder von ihrer neuen geistlichen Heimat. Einige fanden zurück in die „alten“ Kirchen und entschieden sich für eine softe Version des Geisteswirkens. Die Offenheit für die Charismen und das Wirken des Heiligen Geistes wurde zwar noch postuliert, aber in kleine Zirkel, Gebetsgruppen oder Sonderveranstaltungen verbannt. Einige nahmen die Sicht des amerikanischen Theologen C. Peter Wagner auf, der von einer „Dritten Welle“ der charismatischen Bewegung sprach6. In dieser dritten Welle spielt die Redeweise von der „Taufe im Heiligen Geist“ oder auch die Bedeutung der Gabe der Glossolalie (Sprachenrede) keine herausragende Rolle mehr, ja, sie wird zum Teil sogar aus Rücksichtnahme bewusst gemieden. Ob daraus aber nun wirklich eine „Welle“ geworden ist, kann ich nicht beurteilen. Zudem finde ich den „Wellen-Gedanken“ auch etwas befremdlich. Muss ich denn davon ausgehen, dass der Geist Gottes immer versucht, in neuen Wellen, mit neuen Akzenten Bewegung in eine erstarrte Christenheit zu bringen?
Die Fragen nach dem, was der Geist Gottes gegenwärtig tut oder bewegen will, trieb mich und andere charismatisch geprägte Leiter in ungezählten Zusammenkünften um. Angeregt durch die Berichte aus der argentinischen Erweckung, nahmen wir die Impulse zu einer „geistlichen Kampfführung“7 auf. Carlos Annacondia oder Ed Miller waren gern gesehene Gäste bei deutschen charismatisch geprägten Zusammenkünften. Dennoch war das Urteil über diese Art des Betens und inneren Kämpfens nicht ungeteilt. Wolfram Kopfermann, der langjährige Leiter der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen Kirche, distanzierte sich von einer derartigen Machtanmaßung „ohne Auftrag“8. Ich selbst habe mich wenige Jahre später dazu ebenfalls differenziert in meinem Buch „Und wenn die Welt voll Teufel wär …“9 geäußert. Anfang der 90er-Jahre schien der Heilige Geist einen neuen Segen für die kämpfende charismatische Bewegung bereit zu halten. Die Toronto Airport Christian Fellowship, eine pfingstlich geprägte Freikirche in der Nähe des Flughafens der kanadischen Stadt Toronto, erlebte seit 1994 eine besondere Ausgießung des Heiligen Geistes, die von starken Manifestationen begleitet war. Die ekstatischen Erfahrungen wie etwa das nach einer Segnung erfolgte Umfallen, auch als „Ruhen im Geist“ bezeichnet, euphorisches Lachen, Weinen oder Schreien, Zittern und Schütteln oder außergewöhnliche Laute unterschiedlichster Art wurden als eine besondere Salbung des Geistes gedeutet und als „Toronto-Segen“10 bekannt. Menschen hatten sich offenbar nicht mehr unter Kontrolle. Es machte mich neugierig, was der Geist Gottes wohl hier für einen neuen Akzent setzen wollte. Im Herbst 1994 flog ich nach Toronto, um mir dieses Wirken anzuschauen. Ich war ja vieles schon gewohnt, doch was ich dann dort erlebte, faszinierte mich zum einen und es stieß mich zum anderen auch irgendwie ab. Ich hatte den Eindruck, dass sich hier zum Teil auch ganz bewusst angeleitete Prozesse der gemeinsam gewollten Ekstase vollzogen, die jedoch nicht alle eindeutig vom Geist Gottes initiiert waren. Dennoch spürte ich in den Versammlungen eine heilige Gegenwart Gottes. Ich hatte schon häufig prophetische Impulse empfangen und konnte vielen Menschen und Gemeinden damit dienen. In den Toronto-Versammlungen waren die Offenbarungen bei mir nun verstärkt und außergewöhnlich klar. Ich erfuhr, wie Gott mir zum Teil sehr konkrete Einzelheiten über Menschen offenbarte, die ich niemals in meinem Leben zuvor gesehen hatte. Ich empfing klare Zusprüche und prophetische Worte, die ich weitergab und die in ihrer Wirkung und Treffsicherheit nicht nur die Empfänger verblüfften, sondern auch mich selbst. Schließlich erfuhr ich bei einem Segnungsgebet am eigenen Leib, wie der Geist Gottes mich in einer starken Kraft berührte und ich die körperliche Beherrschung verlor und zu Boden sank. In diesen Momenten erlebte ich einen ganz tiefen inneren Frieden und es umgab mich so etwas wie ein helles, wohltuendes, fließendes Licht. Es waren kurze, aber sehr schöne Augenblicke, an die ich mich heute noch gern erinnere. Wieder in Deutschland angekommen, berichtete ich von meinen Erfahrungen. Aber ich teilte auch die Auffassung, dass es sich bei den Toronto-Phänomenen nicht immer um vom Geist Gottes gewirkte Manifestationen handeln müsse. Bei all den ekstatischen Äußerungen war wohl auch viel Manipulatives und Menschliches im Spiel. Ich versuchte einerseits, die Kritiker der Toronto-Bewegung zu gewinnen, indem ich ihnen darlegte, wie auch die ekstatischen Erfahrungen hier und da vom Geist Gottes genutzt oder auch initiiert werden können. Es gab hierfür genügend Beispiele im AT oder ich erinnerte an Petrus, der betete und dabei in Ekstase war (Apg 10,10). Andererseits versuchte ich meine charismatischen Freunde zu besänftigen, die meinten, dass dieser „Toronto-Segen“ der Start für eine weltweite geistliche Erweckung sei. Nein, diese Auffassung konnte ich nicht teilen, zumal es doch sehr „menschelte“ in dieser Bewegung. Nach zum Teil heftigen Debatten und Urteilen ebbte diese Toronto-Welle wieder ab.
Ich selber erfahre heute immer wieder einmal ähnliche ekstatische Augenblicke, wenn ich im Geist bete. Aber es sind nicht diese Phänomene, die ich suche, sondern ich suche meinen Herrn und Gott. Ich würde diese Erfahrungen auch niemals als den entscheidenden Schlüssel für einen geistlichen Aufbruch sehen.
Der Toronto-Welle folgten noch andere Bewegungen des Heiligen Geistes. Da pilgerte schon bald die charismatische Jüngerschaft zur Brownsville Assembly of God in Pensacola im US-Staat Florida. Der Geist Gottes wirkte hier seit dem 18. Juni 1995 in einem kontinuierlichen starken missionarischen Aufbruch11. Tausende Menschen wurden vom Geist Gottes ergriffen und von Sünde überführt. Der Akzent in dieser Geistesbewegung lag auf der Buße. Zwar gab es auch hier und da ekstatische Erfahrungen, sie standen aber keineswegs im Mittelpunkt. Vielmehr war das Wirken des Geistes in der Pensacola-Bewegung an einzelne Verkündiger (Steve Hill, John A. Kilpatrick u. a.) geknüpft. Als ich wenige Jahre später Pensacola besuchte, war es um diese starke Bußbewegung sehr ruhig geworden. Ich fragte den Taxifahrer, der mich zur Erweckungsveranstaltung fuhr, wie sich denn dieser starke geistliche Aufbruch in der Stadt niedergeschlagen habe. Er schaute mich verdutzt an und fragte mich zurück, von welchem Aufbruch ich denn sprechen würde, er hätte davon noch nichts gehört. Nach wenigen Jahren des Aufbruchs in dieser Gemeinde erlebte ich nun Gottesdienste, die von einer eher klassischen pfingstlich-spirituellen Kultur geprägt waren. Im Anschluss an die Veranstaltungen sprach ich mit geistlichen Vätern und Müttern der Brownsville-Assembly-of-God-Gemeinde, die mir unter Tränen mitteilten, wie viele Fragen sie umtrieben. War es wirklich alles so vom Geist Gottes gewollt und initiiert? Niemals werde ich diese fragenden und enttäuschten Gesichter der Frauen und Männer vergessen, die über viele Jahre diese Gemeinde begleitet und geleitet haben. Hatte diese Erweckungswelle auch Schaden angerichtet?
Immer, wenn in der Folgezeit von einer neuen „Welle des Geistes“ die Rede war, hörte ich deshalb nicht nur mit Freude und einer inneren Hoffnung zu, sondern auch mit Skepsis. Da wurden wir von unseren Mitchristen in Uganda aufgefordert, eine starke Freisetzung des Geistes durch das Gebet zu bewirken. Da riefen uns geistliche Leiter aus Kanada auf, die Generationen in einer neuen Väterbewegung zusammenzubringen. Da legten wir immer wieder die „Kronen des konfessionellen Stolzes“ vor dem Thron des Lammes Gottes nieder und erhofften so einen neuen Durchbruch zu einer geistlichen Einheit. Wir bekannten ungezählte Male unsere nationale Schuld, die wir gegenüber dem Volk der Juden auf uns geladen haben, gingen Wege der Versöhnung und suchten die Gemeinschaft mit der immer stärker werdenden Gruppe der messianischen Juden. Wir reichten uns im ökumenischen Chor neu die Hände und sind nun „Miteinander für Europa“ unterwegs. Doch die Kraft der geistlichen Erneuerung, der Geist des Aufbruchs, wich immer mehr einem Lazarettdenken. Das Lamento über den beklagenswerten Zustand von Kirchen und Freikirchen, immer noch steigenden Austrittszahlen und zahme neue charismatische СКАЧАТЬ