Der Sommer in dem Linda schwimmen lernte. Roy Jacobsen
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Название: Der Sommer in dem Linda schwimmen lernte

Автор: Roy Jacobsen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711448991

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СКАЧАТЬ hinüberschaute und langsam nickte:

      »Gemütlich.«

      »Ja, nicht wahr ...«

      »Aber kein Platz für einen Fernseher, wie ich sehe.«

      »Sie haben einen Fernseher, ja«, sagte Mutter, als sei es natürlich, einen Fernsehapparat zu haben, wenn man nicht einmal eine Wohnung hatte. »Dann stellen wir ihn eben ins Wohnzimmer«, sagte sie mit einer koketten Handbewegung, und er erwiderte ihr Lächeln mit einem schlichten:

      »Ja, natürlich, ich benutze ihn ohnehin nicht sehr viel.«

      Und damit war die Sache gewissermaßen entschieden.

      Er hieß Kristian und zog am folgenden Samstag ein. Ich war inzwischen zu Mutter übergesiedelt, die plötzlich nicht mehr so recht wusste, wohin mit sich. Nach einigem Hin und Her kam es dazu, dass auch sie eine Zwischenstation einlegte, in ihrem eigenen Schlafzimmer, dass sie also dort blieb, wo sie immer schon gewesen war, dort, wo wir ansonsten mit den Vorbereitungen zum Empfang unseres neuen Familienmitglieds beschäftigt waren, der sechsjährigen Linda.

      »Das muss doch seltsam für dich sein«, sagte Mutter und sah mich mitfühlend an.

      Nein, ich fand es gar nicht seltsam, jetzt hatte ich Blick auf die Blocks gegenüber, und auch dort hatte ich Freunde genug. Wir hatten außerdem das Glück, dass mein Bett eigentlich ein Etagenbett war, das Mutter billig drei Jahre zuvor gekauft und dann zerteilt hatte. Teil 2 stand auf dem Dachboden. Wir brauchten es nur herunterzuholen und auf mein Bett zu montieren, eine einfache Operation, bei der nicht einmal Franks Hilfe benötigt wurde.

      Aber es gab noch etwas anderes, was Mutter Sorgen machte, und das war der Fernseher, der jetzt wirklich im Wohnzimmer stand und niemals eingeschaltet wurde, denn nach Kristians Einzug sahen wir eine Zeit lang kaum etwas von ihm, außer seinem Mantel und seinem Hut, die auf einem ihm angewiesenen Platz in der Diele hingen, neben Mutters zwei Mänteln und meiner Knautschsamt-Jacke. Er hatte nicht gefragt, ob zu dem Zimmer auch Küchenbenutzung gehörte, was nicht der Fall war, er hatte nur Zugang zu Badezimmer und Klo, mit einem Wannenbad in der Woche. Dann aß er wohl auswärts, oder er verzehrte belegte Brote in seinem Zimmer, privat, falls er überhaupt dort war, es war nämlich kein Laut zu hören. Eines Abends fand Mutter, es reiche jetzt, und sie ging in die Diele und klopfte an.

      »Bitte einzutreten«, hieß es. Wir traten ein. Und da saß Kristian mäuschenstill in einem weinroten Sessel und las eine Zeitung, die ich noch nie gesehen hatte.

      »Wollen Sie denn niemals Ihren Fernseher benutzen?«, fragte Mutter.

      »Schalten Sie ihn nur ein, mir ist der ganze Apparat eigentlich scheißegal.«

      Das war ein Sprachgebrauch, von dem ich wusste, dass er Mutter nervös machte. Und das wollte sie sich verbeten haben.

      »Haben Sie gegessen?«, fragte sie beleidigt.

      »Ich fresse nie nach fünf«, sagte Kristian mit derselben tonlosen Stimme, den Blick noch immer in die Zeitung gerichtet.

      »Was sagen Sie denn da«, sagte Mutter. »Kommen Sie jetzt und essen Sie mit uns zu Abend.«

      Und Kristian tat genau das, was ich immer tue, wenn sie so anfängt, er erhob sich mit einem müden Lächeln und sagte, danke.

      »Aber das darf nicht zu einer Gewohnheit werden«, fügte er hinzu, als wir hinausgingen.

      »Machen Sie sich keine Hoffnungen«, gab Mutter zurück, erleichtert, weil der Satz mit dem »scheiß« offenbar nur ein Einzelfall gewesen war. »Setzen Sie sich dorthin.«

      »Wenn du aufhörst, mich zu siezen, dann ja«, sagte Kristian und setzte sich an das Ende des Tisches, an dem noch nie jemand gesessen hatte. »Das gehört sich nicht.«

      »Ach?«, fragte Mutter und schnitt Vollkornbrot in dünnere Scheiben als sonst.

      »Nein, wir sind doch Arbeitsleute.«

      Das war ja auch eine seltsame Begründung. Aber hier war ich Kristians Ansicht, diese Sprache, auf die Mutter sich immer dann verlegte, wenn sie mit der Umwelt in Berührung kam, und die im Schuhladen so notwendig war, die gehörte doch eigentlich an keinen anderen Ort als eben in den Laden.

      »Und was will der Sportsfreund einmal werden?«, fragte er mich.

      »Schriftsteller«, sagte ich sofort und Mutter prustete los.

      »Er weiß nicht einmal, was das ist.«

      »Nein, und das kann doch ein Vorteil sein«, sagte Kristian.

      »Ach?«, fragte Mutter noch einmal.

      »Ja, es ist ein anspruchsvoller Beruf«, sagte Kristian und schien fast zu wissen, wovon er redete. Mutter und ich wechselten einen Blick.

      »Hast du den Unbekannten Soldaten gelesen?«, fragte ich.

      »Hör jetzt auf«, sagte Mutter.

      »Natürlich«, sagte Kristian. »Ein phantastisches Buch. Aber das weißt du sicher noch nicht?«

      »Nein«, gab ich zu. Aber die Stimmung war jetzt so locker, dass ich mich auf das Essen konzentrieren konnte, während Mutter lächelte und sagte, Kristian dürfe nicht überrascht sein, wenn er hier bald auf ein kleines Mädchen stieße, denn wir erwarteten Familienzuwachs. Kristian sagte, das sei ihr aber wirklich nicht anzusehen. Und sie lachten einander auf eine Weise an, die ich gar nicht zu beschreiben versuchen will, ich will nur erwähnen, dass Kristian aß, wie er ging und stand, ruhig und würdevoll, und er wartete nach jeder Schnitte, bis Mutter ihn zu einer neuen nötigte, und er solle doch auch mehr Aufschnitt nehmen. Sie konnte nicht begreifen, was das für eine Idee sei, nach fünf nicht mehr zu essen, während Kristian meinte, dass wohl alle hier im Lande bald lernen müssten, was Askese bedeutet.

      »Denn es steht nicht fest, dass das hier so bleibt.«

      »Wie meinen Sie das?«, fragte Mutter spitz. Und er zeigte fröhlich mit dem Messer auf sie und lächelte.

      »Jetzt hast du es wieder getan, hast mich Sie genannt.«

      Aber ich konnte mir das nicht anhören, es juckte mir ohnehin schon viel zu lange in den Fingern, ich wollte den Fernseher einschalten. An den vergangenen Abenden hatten wir im Wohnzimmer gesessen, Mutter mit ihrem Strickzeug und ihrer Teetasse, ich mit einer Zeitschrift, und hatten unruhige Blicke zu dem teakbraunen Koloss hinübergeworfen, der dort stand und uns mit seinem grünschwarzen blinden Auge anstarrte. Was in diesem Kasten steckte, war die Zukunft. Die Welt. Groß und unbegreiflich. Schön und rätselhaft. Eine langsam wirkende mentale Atomexplosion. Wir wussten das nur noch nicht. Aber wir ahnten es. Und der Grund, aus dem es noch immer totenstill bleiben durfte, war unter anderem der, wenn ich Mutter richtig verstand, dass der Untermieter das Gefühl haben könnte, dass wir ihn ausnutzten, wenn sie mir erlaubte, auf den elfenbeingelben Einschaltknopf zu drücken. Oder er könnte auf seiner Zwischenstation die Geräusche hören und sich eingeladen fühlen, hervorzukommen und sich in größeren Bereichen breitzumachen, als der Vertrag ihm erlaubte, er könnte in unserem Wohnzimmer sitzen und dazu gewissermaßen berechtigt sein, Abend für Abend, die Sache hatte viele Seiten, es half nichts zu schreien:

      »Ich will einschalten!«

      Wir mussten so tun, als ob der Kasten nur zur Aufbewahrung bei uns sei. Und nichts hätte СКАЧАТЬ