Die Musikantenstadt. Max Geißler
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Название: Die Musikantenstadt

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788711467701

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СКАЧАТЬ verschlafenes Meckern hören, wie es der Schlummernde von daheim kannte, wenn jemand in der Nacht an dem Stalle vorüberging. Darum erwachte er vollends: aber das Leuchten der Schätze des Berges war nicht um ihn, sondern ein tiefes Dunkel, in das nur eine einzige silberne Saite Mondschein gespannt war. Die fiel durch eine winzige Lücke im Reisig des Daches. Und es war auch ein dumpfes, schweres Schreiten draussen auf dem Moose.

      Darum stockte der Atem des Knaben, und sein Herz wollte nicht mehr schlagen. Er fürchtete sich; er lauschte, ob die Tritte vorübergingen. Wie sie wirklich ferner zu sein schienen, drückte er einen Zweig des Daches lautlos zur Seite und lugte hindurch. Da sah er ein Rudel Hirsche auf dem nahen Wechsel schreiten, das zu dem fliessenden Brunnen zog. Und eine fromme Dankbarkeit kam in sein Herz, dass es keine Gefahr gewesen sei, aber auch die Sorge, das Mädchen möchte erwachen, wenn das Wild wieder von dannen ziehe, und es möchte eine noch tiefere Verzagtheit über sie kommen, als er sie jetzt gelitten habe.

      Darum rückte er ein wenig auf dem Mooslager hinab, bis er mit dem Fusse die spannenweit geöffnete Tür zudrücken konnte.

      Nach einer Zeit vernahm er wieder das Wandern.

      Wie er dachte, dass nun alles Wild fortgezogen sei, und wie er nun schon recht lange mit unter dem Kopfe verschränkten Armen wach gelegen hatte, fiel ihm ein, dass es kurz vor Tag sein werde. Die Zeit seines Traumes, in der er soviel Reichtümer gesehen hatte, schätzte er auf Stunden. Weil er aber das tiefe, ruhevolle Atmen des Mädchens hörte, verliess er das Lager allein, schritt lautlos und biss sich auf die Lippen, als die Knöchel seiner Füsse knackten; denn er dachte, die Schläferin könne davon erwachen. Dann zog er die Türe hinter sich zu.

      Nun sah er: Es war wirklich der Tag, der auf dem Wege war, wiewohl der halbe Mond noch seine blitzenden Bänder durch die Gezweige der Bergfichten flocht. Es war das kalte Licht der ersten Frühe, und ganz ferne erscholl der kollernde Ruf des Auerhahns.

      So schritt der Knabe lautlos über das weiche Moos, um an dem rinnenden Quell die letzte Müdigkeit sich aus den Augen zu spülen und die Füsse für den langen Heimweg zu kühlen. Da erhob sich plötzlich dicht vor ihm ein dröhnendes Schlagen.

      Der Schreck warf ihn zurück; er taumelte gegen einen Stamm.

      Ein Hirsch, ein ‚Abgeschlagener‘, der als der Schwächere den Kampf gegen den Platzhirsch verloren hatte und nun das Reich seines königlichen Vetters mied, hatte noch allein an der Tränke gestanden und stob nun — weil er den einzigen Weg aus dem Talkessel versperrt fand — in wilder Flucht den steilen Berghang empor. Geröll löste sich unter seinen schlagenden Hufen und rollte krachend hernieder.

      Der Knabe fühlte sein Herz noch zittern und suchte mit den Augen in dem zwitterigen Lichte. Aber nur der silberne Fall des Quells klang in die goldene Schale.

      Er trat hinzu und stellte seine Füsse in die Klarheit des Wassers, aus dem das feine Gewebe eines Nebels stieg. Da war drüben, wo der Hirsch die Flucht gesucht hatte, ein Glänzen im zerwühlten Erdreich um den versiechten Bronnen. Das war leuchtend wie der Schein, den er in seinem Traume gesehen hatte. Und es kam ein Glück über ihn, so gross, dass es ihn bange machte wie die Furcht, in der er vorhin gezittert hatte.

      Endlich ging er dem Ort entgegen. In das Licht zwischen den Stämmen brach ein heimlicher goldener Glanz; denn der strahlende Rand der Sonne stieg irgendwo über den Wald.

      Wie der Knabe mit den Händen das gelockerte Erdreich zur Seite geschoben hatte, sah er: Das ist die Stelle, an der sonst der Brunnen aus dem Riss im Gestein gefallen ist. Nun war der Hirsch mit schlagenden Hufen darübergesetzt, nun lag das blendende Erz zu Tage, und nun stand der arme Hütejunge aus dem Walddorfe vor den silbernen Toren der Tiefe!

      Und der lange verhaltene jauchzende Ruf rang sich aus seiner Brust und flog in den erwachenden Forst. Die Ziegen vor der Hütte sprangen empor; das Mädchen auf dem Moosbette schlug die Augen auf und erschrak, denn der Knabe war nicht mehr da. Aber da sprang auch schon die Türe auf, und es brach ein Strom Taglicht und überquellende Freude in die Dunkelheit unter dem armen Dache —

      „Pechschabermirl, das silberne Tor, das silberne Tor!“

      15.

      Ein Jahr darnach war ein neuer Pfad durch den Bergwald gebrochen, waren Schluchten überbrückt, waren Stufen in die Felsen geschlagen; es war ein Weg vom Walddorfe nach den drei Brunnen gebahnt worden, und jene Stelle, an der einst die Köhlerhütte zwei Kindern Unterschlupf gewährte, die sich auf brennenden, ungebahnten Steigen die Füsse wund gelaufen hatten, war nun vom Dorf aus in wenig mehr als einer Stunde zu erreichen.

      Aber die goldene Schale, in die damals der silberne Strahl des Brunnens klang, war zertrümmert. Felsen waren gebrochen, der Hochwald war gefällt, graue Halden brüchigen Gesteins erhoben sich und wuchsen, wo vordem rauschender Forst gegrünt hatte. Die Förderkarren rollten auf Schienen; das Schichtglöcklein schlug, und Bergleute fuhren an und aus und sprengten in den Tiefen der Erde die silbernen Wände, zu denen ein Hütejunge das Tor gefunden, und von denen er in der Einsamkeit seines Bergfriedens geträumt hatte.

      Des Nachts wandelten Lichter auf dem neuen Waldsteige und überschritten die Brücken der Schluchten; das waren die Blenden der Bergleute, die aus dem Walddorfe zur Arbeit in den Drei-Brunnenschacht hinabstiegen, oder die nach beendeter Schicht heimkehrten. Hunderte von fremden Arbeitern hatte die Botschaft von dem Funde des kleinen Propheten ins Walddorf gelockt; hunderte von Familien waren mit ihrem armen Hausrat in das Gebirgsdorf gezogen, das sie bis dahin nicht einmal dem Namen nach gekannt hatten.

      Die Jahre wandelten.

      Haus an Haus erstand im Talgrund, durch den längst wieder das stark gewordene Wildwasser um die Blöcke schäumte. Aber der Wald auf der Talsohle, der noch da und dort um die Dächer der Hütten gerauscht hatte, war gefallen. Strassenzüge von kleinen, armen Häusern, deren Schindeldächer nun schon wieder grau wurden und mit dem weichen Grün des Mooses sich überwoben, zeigte das Tal. Nur die alten Hütten der Waldleute von einst zerbrachen noch manchmal das Regelmass der Häuserreihen. Dicht und niedrig standen die Dächer beieinander, und schmal waren die Wege; denn es war kein Raum im Talgrund für ein Gärtlein am Haus und war kein Raum für einen Streifen Grün. Immer mehr Dächer erhoben sich; lauter kleine, verkümmerte Häuser mit engen Höfen dahinter, in die kaum ein Licht der Sonne sich wagte.

      Bleiche, arme Kinder liefen zwischen den Häusern oder spielten im Sande. Aber wenn der Sommer kam und die Beeren reiften, wenn zur Herbstzeit im Bergwalde die Schwämme aufgingen, dann zogen Kinder und Mütter in die Forsten, die Güter der freigebigen Wälder zu sammeln.

      Und auch an den Hängen, die den Talkessel umrahmten, sank der Wald; denn auch dort wuchsen die Mauern der kleinen Häuser.

      Bei den drei Brunnen wurden neue Schächte und Stollen gebrochen; immer höher hoben sich die Halden des zutage geförderten Gesteins, und an den zuerst aufgeworfenen blühte nun schon wieder die harte Schlehe, wuchsen die Wildrosen und der blauäugige Natterkopf.

      So wandelten die Jahre.

      Die Hausnamen, die den Holzleuten und Schmugglern geläufig gewesen waren, verloren sich. Nur die ‚schwarzen Kreuzleute‘, die ‚Propheten‘ und die ‚Pechschaber‘ waren geblieben. Aber die neuen Leute, die aus allen Winden herzugezogen waren, redeten sie gedankenlos nach und wusste kaum einer, warum sie da seien; denn in den Hunderten der neuerstandenen Häuser erzählte man von dem heimlichen Frieden des einstigen Walddorfes als von einem Märchen. Die Erlebnisse auf dem Schmuggelpfade und auf der Wildbahn berichtete man wohl noch, aber viele der Leute, die damals dabei gewesen waren, kannte fast niemand mehr, weil sie gestorben oder fortgegangen waren in eine andere grüne Einsamkeit.

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