Название: Autochthone Minderheiten und Migrant*innen
Автор: Sarah Oberbichler
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
Серия: Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte
isbn: 9783706561075
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• Journalistische Form (Nachrichten/Meldungen, Berichte, Reportagen, Dokumentationen, Leitartikel/Kommentare/Glosse, Interviews, Pressemitteilungen, Leserbriefe)
Die Kombination von Diskursanalyse und Inhaltsanalyse hat sich als gewinnbringend gezeigt. Durch die Inhaltsanalyse wurden die einzelnen Artikel mit den notwendigen Metadaten versehen, die für die Strukturierung, Einordnung und Auswertung der Artikel notwendig sind. Außerdem konnten inhaltliche Aspekte wie die Artikulationsmöglichkeiten von Migrant*innen erhoben werden.
3.2 Analysestrategie- und vorgehen: Blended Reading
Blended Reading bezeichnet eine Analysestrategie, die menschliche und computergestützte Kompetenzen kombiniert. Konkret bedeutet das, dass Analyseverfahren aus dem Repertoire des Text Mining mit der Notwendigkeit, Einzeltexte selbst zu lesen, verknüpft werden. Als Text Mining wird hierbei ein weitgehend automatisierter Prozess der Wissensentdeckung auf der Basis computergestützter Programme verstanden. Dieser Prozess steht dem genauen Lesen einzelner Texte und dessen Interpretation gegenüber. Die beiden Politologen, Alexander Stulpe und Matthias Lemke, unterscheiden drei wesentliche Analyseebenen des Blended Reading: Verfahren erster Ordnung sind datenstrukturierend, dienen also der basalen Strukturierung des Textdatenbestandes im Zeitverlauf (z. B. Frequenzanalysen). Verfahren zweiter Ordnung sind quantitativ und eröffnen erste Wege zur inhaltlichen Erschließung des Textmaterials (z. B. Topic Modelle oder Kookkurrenzanalysen). Verfahren dritter Ordnung sind qualitativ und interpretengestützt (manuelle Annotation relevanter Textstellen). Diese Verfahren stehen nicht starr nebeneinander, sondern umschließen sich vielmehr, womit maschinelle und manuelle Analyse in einem ständigen Austausch stehen.242
Analyseprogramm
Um der schieren Anzahl von Zeitungsartikeln gerecht zu werden, ist der Einsatz computerbasierter Programme sinnvoll und notwendig. Für die vorliegende Forschungsarbeit hat sich der Rückgriff auf das qualitative Analyseprogramm ATLAS. ti als vorteilhaft erwiesen, da es eine Kombination von automatisierter und manueller Analyse zulässt, Netzwerkanalysen ermöglicht und einen unkomplizierten Rückgriff auf die Volltexte gestattet. ATLAS.ti erlaubt es, neben der manuellen Kodierung von Texten, komplexe automatisierte Stichwortsuchen durchzuführen.
Für die manuelle Kodierung mit ATLAS.ti wird der Text zunächst in Kategorien eingeordnet und nach Analysefragen sortiert und kodiert. Des Weiteren können die erarbeiteten Konzepte auf der Basis einer netzwerkartigen Datenstruktur gespeichert werden. D. h., Daten werden mithilfe von Kodes miteinander verknüpft. Es können sowohl Verweise auf Datenmaterial als auch Zitate im Datenmaterial erstellt werden. Kodes enthalten Stichwörter und mit Memos werden Textnotizen zugefügt. Auf der Grundlage dieser netzwerkartigen Datenstrukturen und deren Speicherung erhält man eine Gesamtübersicht, die alle Verweise enthält.243
In einem ersten Schritt werden Familien gebildet. Diese Familien fassen alle Artikel einer bestimmten Ordnungsstruktur zusammen (zum Beispiel Jahrgänge oder Themenfelder). In einem weiteren Schritt werden Unterkategorien festgelegt. Hierbei werden die Artikel mit Kodes manuell und/oder mit einer komplexen Stichwortsuche maschinell beschlagwortet. Anschließend können all jene Artikel, die zu einer bestimmten Unterkategorie gehören, mithilfe einer Netzwerkanalyse auf einem Blick erfasst werden. Durch das Query Tool ist es schließlich möglich, komplexere Analysen durchzuführen. Dabei kann nach mehr als einem Kode gefragt werden, etwa nach bestimmten z. B. logisch definierbaren Kombinationen von Kodes.
Vom Korpus zu validen Analyseergebnissen – eine 7-Schritte-Methode
Schritt 1: Frequenzanalyse
Ein erster wichtiger Schritt ist die Herstellung eines sinnvollen Zugangs zum Zeitungskorpus, womit eine Basis für weitere Analyseschritte geschaffen und eine basale Strukturierung des Textdatenbestandes vorgenommen wird.244 Die Frequenzanalyse bietet hierbei einen idealen Einstieg und gibt den Auftakt zur computergestützten Analyse. Frequenzanalysen zählen relative und absolute Häufigkeiten von Zeitungsartikeln bzw. Suchbegriffen und geben dadurch einen Aufschluss über die Anzahl von Texten im Zeitverlauf bzw. über die Verbreitung von bestimmten sprachlichen Mustern.245
Grafik 2 visualisiert die absoluten Häufigkeiten von Zeitungsartikeln des Subkorpus Migration und Südtirol. Hierbei handelt es sich um jenes Korpus, der aus dem Gesamtbestand der digitalisierten Tageszeitung Dolomiten und Alto Adige mittels komplexer Begriffssuche extrahiert wurde.
Grafik 2: Frequenzanalyse aller Zeitungsartikel des Korpus Migration und Südtirol
Der Frequenzgraph bietet erste Einstiegspunkte für das weitere genaue Lesen. Der Graph wirft Fragen auf, die eine weitere genauere Untersuchung einzelner Zeitabschnitte unabdingbar machen. Diese Fragen können wie folgt lauten: Warum wurde 1991/1992 so häufig über Migration berichtet, obwohl zu dieser Zeit nicht mehr als 5.099246 Menschen mit ausländischem Pass in Südtirol lebten? Was ist der Grund für quantitative Unterschiede in der Berichterstattung beider Tageszeitungen (zum Beispiel 2002, 2006 oder 2009) und wann wird besonders selten über Migration gesprochen?
Um Rückschlüsse auf die Verwendung von bestimmten Stichwörtern oder Mehrworteinheiten im Korpus zu erhalten, bietet sich ebenfalls die Durchführung einer Frequenzanalyse an. Ein Beispiel für eine solche Frequenzanalyse ist in Grafik 3 zu finden. Die Grafik zeigt, wann bestimmte Bezeichnungen für Migrant*innen in der deutschsprachigen Tageszeitung besonders häufig auftreten oder wie sich die Verwendung der Begriffe im Laufe der Zeit verändert hat. Die in der Legende angegeben Begriffe umfassen dabei alle Benennungsmöglichkeiten (z. B. Flüchtling*, Aslylwerber*, Geflüchtete* usw.). Treten zu einem Zeitabschnitt Häufungen auf (zum Beispiel 1999 der Begriff Flüchtlinge oder der Anstieg des Begriffs Ausländer und Einwanderer 2007 und 2008) oder zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen beiden Tageszeitungen, bietet sich eine genauere Betrachtung durch manuelle Analysen an.
Grafik 3: Frequenzanalyse der Begriffe Einwanderer, Ausländer, Migrant, Saisonarbeiter, Flüchtlinge
Schritt 2: Inhaltliche Auswertung
Nachdem Frequenzanalysen erste Einstiegspunkte und wichtige Hinweise zu signifikanten Diskursen offengelegt haben, kommt es zu ersten inhaltlichen Analysen. Ziel dieser inhaltlichen Erschließung ist die Generierung essentieller Diskurse bzw. Themen, die für die weiteren Analysen von Bedeutung sind. Diese Themen können entweder durch genaues Lesen oder – falls es das gewählte Analyseprogramm zulässt – durch computerbasierte Methoden wie Kookkurrenzanalysen bzw. Topic Modelle erschlossen werden. Im Falle der manuellen Analyse werden die Überschriften der Artikel überflogen und dadurch wesentliche Themen und Entwicklungen festgehalten. Dasselbe Ziel wird mit computerbasierten Methoden angestrebt. Kookkurrenzanalysen können nicht mehr nur einfache Wortfrequenzen aufzeigen, sondern СКАЧАТЬ