Название: Drachentochter
Автор: Liz Flanagan
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9783968267005
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»Warum? Es weiß doch jeder, dass er im Gegensatz zu seiner Frau kein echter Adliger ist«, zischte Tarya zurück. »Sie musste ihn bloß heiraten, um den Frieden zu besiegeln.«
»Nicht jetzt. Und nicht hier …«, fauchte Isak seiner Schwester mit zusammengebissenen Zähnen zu. »Die Wachen schauen schon!«
»Warum?«, wiederholte Tarya. »Das ist die Wahrheit!«
Wieder drückte Milla ihre Hand und hoffte, dass sie die Botschaft verstand. Es war ein schmaler Grat zwischen Furchtlosigkeit und Leichtsinn, und sie war es gewohnt, dass Tarya sich darüber hinwegsetzte, aber heute Abend stand zu viel auf dem Spiel.
Nestan drehte sich um und funkelte die Zwillinge an. Wie ein Habicht sah er aus mit seiner dunklen Maske.
»Wir haben die alte Stadt wieder mit Leben gefüllt«, erklärte der Herzog gerade. »Und unsere Bemühungen stehen unter einem guten Stern. Unsere Schiffe werden mehr und unser Wohlstand nimmt zu. Unsere Kinder wachsen ohne Furcht auf.«
Manche vielleicht. Milla fühlte sich unbehaglich, diesem goldenen Herzog in Gedanken zu widersprechen. Tarya unterdrückte ein Gähnen.
»Zu Ehren dieses Tages – meines Geburtstags und der Ankunft unserer Vorfahren – mache ich mir das Symbol von Arcosi, der Geburtsstätte der Drachen, zu eigen.«
Bei diesem magischen Wort wurde es totenstill. Milla hielt den Atem an.
»Ich mache dieses stolze Bildnis von Arcosis Vergangenheit zu meinem Wappen. Die Drachen sind tot, auf rätselhafte Weise verschollen, genau wie die früheren Bewohner dieses Ortes …« Die Stadt war zwar voller Bilder der verschollenen Drachen: auf Schnitzereien und Statuen. Aber nicht eine dieser verwitterten Gravuren lieferte einen Hinweis darauf, wohin sie verschwunden waren.
»Wir gedenken ihrer. Wir ehren sie.« Der Herzog machte ein bekümmertes Gesicht. »Doch jetzt sind wir die Kinder dieser Stadt.« Seine Miene hellte sich auf. »Wir sind die Kinder der Drachen. Und ich bin der Drachenfürst.«
Bei diesen Worten erschollen Dutzende Trompeten, Schauspieler traten ein und trugen vier auf Holzstangen balancierende riesige Papierdrachen, die von innen leuchteten und dadurch lebendig wirkten. Die Menge raunte begeistert.
Die Farbenpracht war überwältigend. Einer war so blau wie eine Pfauenfeder, einer so gelb wie Eidotter, einer so rot wie das Blut, das an diesem Tag vor Millas Augen vergossen worden war, und einer so grün wie ein frisches Blatt im Frühling. Die Papierdrachen breiteten die Flügel aus und flogen mit geschmeidigen Schwüngen um den Herzog herum, sodass ihre Schatten über die hohen Wände tanzten. Milla sah, wie die Armmuskeln der jungen Puppenspieler arbeiteten.
Schließlich klatschte der Herzog in die Hände, die Drachentänzer hielten inne und versammelten sich um ihn. »Bitte«, befahl Olwar, »genießt die Unterhaltung und das Feuerwerk. Anschließend werde ich den Treueeid der jungen Männer entgegennehmen. Und danach lade ich euch hier in meinem Heim zu Speise, Trank und Tanz ein. Heute Abend stehen dem Volk von Arcosi meine Türen offen!«
Die Menge hatte gebannt gelauscht und zugesehen. Die Menschen lächelten und hoben die Hände, um zu applaudieren. In diesem winzigen Moment des Schweigens ertönte ein merkwürdiges Geräusch: ein hohes, schrilles Wehklagen.
Gehörte das zum Programm?
Das breite Grinsen des Herzogs erlosch.
»Du bist nicht der Drachenfürst!«, schrie eine Frauenstimme, so greinend und laut wie eine Katze in der Nacht.
Wer sprach da? Milla sah sich um, die Menge hielt den Atem an.
Auf einen Wink des Herzogs rückten die Leibgardisten von ihm ab und schoben sich lautlos zwischen die Besucher, um die unentdeckte Sprecherin zu suchen.
»Ihr seid Diebe! Eindringlinge! Diese Stadt gehört euch nicht!«
Es war, als würden alle zu Stein erstarren, die gesamte Schar der norländischen Edelleute.
»Behaltet eure Papierdrachen! Etwas anderes als das werdet ihr nie kennenlernen.«
Alle standen regungslos da und lauschten.
»Wir sind die Kinder der Drachen. Diese Stadt gehörte uns …« Die Frau sprach mit dem gleichen Akzent wie der ermordete Mann. »Unsere Leute wurden versklavt. Sie starben auf der Flucht. Diese Steine tragen unser Blut. Unsere Geister spuken um eure Betten. Hört ihr sie nicht?«
»Findet sie!«, brüllte der Herzog jetzt. Abgesehen von den roten Flecken auf seinen Wangen war sein Gesicht noch blasser als sonst.
Ohne auf die Zwillinge zu achten, schob sich Milla nach vorn. Sie hatte die Sprecherin entdeckt: eine alte Frau mitten in der Menge.
Die Frau breitete die Arme aus und schritt, scheinbar ohne jede Angst, im Kreis herum. Ihre grauen Haare waren von silberweißen Strähnen durchzogen und zu einem losen Knoten aufgebunden, der den Blick auf goldene Kreolen an ihren Ohren freigab. Ihre Haut war tiefbraun, ihr Gesicht so verwittert wie ein Stück Treibholz. Aufrecht und stolz stand sie da, selbst als die Wachen näher kamen.
Auf der Innenseite ihres Arms entdeckte Milla die gleiche schwarze Tätowierung wie jene, die sie an dem Mann im blauen Umhang gesehen hatte. Und der Stoff ihres Kleides? Auch er glich dem des toten Mannes. Waren sie die beiden Reisenden auf dem Schiff, das vorhin angelegt hatte?
Als die Wachen die Menschen mit den Ellbogen zur Seite drängten, um zu ihr zu gelangen, sprach die Frau schneller: »Wir wurden von hier fortgerissen. Aber ich bin in meine Heimat zurückgekehrt. Und ich bin nicht die Einzige. Eure Tage hier sind gezählt, ihr werdet sehen …«
Ihre Stimme gewann immer mehr an Stärke, sie wurde laut und klar, sodass niemandem auch nur eine Silbe entging: »Wir kommen nach Hause. Die Drachen von Arcosi werden zurückkehren! Und sie werden niemals euch gehören!«
Dann setzte die Frau ihre Kapuze auf und zog sich in den hinteren Teil der Halle zurück.
»Eine Belohnung für die Ergreifung dieser Frau!«, rief der Herzog. »Wohin ist sie gegangen?«
Milla beobachtete die suchenden Wachen und hielt den Mund.
Als die Frau an ihr vorüberging, begegneten sich ihre Blicke. Die glänzenden braunen Knopfaugen fixierten Milla, die den Blick nicht abwenden konnte.
Er ist tot! Jemand hat deinen Freund getötet. Du bist in Gefahr! Am liebsten hätte Milla die Frau festgehalten und ihr erzählt, was sie gesehen hatte, aber ihr Mund schien voller Sägemehl zu sein, sie bekam keinen Ton heraus.
Die Frau senkte für einen kurzen Moment den Blick und richtete ihn auf die goldene Schmuckmünze an Millas Hals. Sie atmete laut ein und ihre Augen weiteten sich. Überraschung, Freude, Angst: All diese Gefühle spiegelten sich wie Wolkenschatten auf dem Meer in schneller Folge in ihrem Gesicht.
Milla wurde heiß unter der СКАЧАТЬ