Название: Drachentochter
Автор: Liz Flanagan
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9783968267005
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Neugierig geworden, wen diese Frau anstarrte, sahen sich die Menschen nach Milla um. Diese senkte den Kopf. Sie war froh, dass die purpurne Maske ihr Gesicht bedeckte, und wich langsam zurück. Dann drehte sie sich um, riss die Maske herunter und schob sie in die Tasche ihres Kleides, damit niemand sie daran erkannte. Sie erreichte das Podest mit der herzoglichen Familie und umrundete es verstohlen. Hoffentlich bemerkte sie niemand!
Herzogin Serina stand neben ihrem Mann und sprach leise auf ihn ein. Mit ihrer reinen goldbraunen Haut, den hohen Wangenknochen und den ausdrucksvollen Augen, die im gedämpften Licht schwarz wirkten, war sie selbst mit sorgenvoller Stirn atemberaubend schön.
»Warum rufst du die Wachen nicht zurück?«, fragte sie den Herzog. »Diese Frau sah alt aus. Sie war allein. Sie ist keine Bedrohung für uns.«
»Meine Liebe.« Herzog Olwars Stimme war beherrscht und sehr leise. Er starrte auf die Herzogin hinab. »Lass es gut sein. Lass die Wachen sich darum kümmern …«
Milla stand am hinteren Rand des Podests, nah genug, um zu sehen, dass die Fingerknöchel des Herzogs weiß wurden, als er den Arm seiner Frau umklammerte.
Plötzlich bemerkte Milla aus den Augenwinkeln eine winzige Bewegung. Während alle anderen durch die Wachen abgelenkt wurden, die die Menge durchkämmten, hatte die alte Frau das hintere Ende der Halle erreicht. Ihr tiefblauer Umhang war im Dunkeln kaum zu sehen. Sie zog einen Wandbehang zur Seite und verschwand hinter dem Bilderteppich.
Niemand sonst sah sie entkommen.
Milla spürte, wie ihr die Worte Da ist sie. Sie entkommt! die Kehle hinaufstiegen. Doch dann erinnerte sie sich an den strahlenden Glanz des Wiedererkennens in den braunen Augen der Frau und schwieg.
6. Kapitel
Die Unterbrechung hatte die Planungen durcheinandergebracht. Draußen vor der Halle begann das Feuerwerk. Milla hörte das Heulen und Zischen, mit dem die Raketen zum Himmel hinaufschossen. Die Menschen schwärmten durch die großen Türen der Drachenhalle, um dem Spektakel beizuwohnen: Funkelnde goldene Blüten explodierten in der Luft und gingen schimmernd über der Insel nieder. Von der Menschenmasse mitgerissen, die in den Garten hinausströmte, geriet Milla ins Stolpern.
Die Menschen schoben ihre protzigen Masken zurück, um besser sehen zu können. Dahinter kamen geschockte Mienen mit einem starren, aufgesetzten Lächeln zum Vorschein. Selbst die goldenen, grünen und scharlachroten Lichter des Feuerwerks änderten nichts daran. Herzog Olwars Gesicht war wie versteinert. Anspannung und Beklemmung machten sich breit.
Milla fand Tarya und Isak wieder.
»Wer war diese Frau?«, flüsterte Tarya im Lärm des Feuerwerks. »Hat sie wirklich Drachen gesagt?«
»Bestimmt hat sie bloß in Symbolen gesprochen, wie der Herzog, oder?« Milla war immer noch wie benebelt vor Hitze und Hunger.
»Wie hat sie das mit den Menschen gemeint, die hier früher gelebt haben?« Die Vorstellung schien Isak zu entsetzen. Er schob seine Augengläser nach oben. »Es kann doch nicht sein, dass sie zurückkommen!« Sein Atem ging wieder flach und schnell.
»Atme mit mir, Isak. Komm, wir setzen uns hier hin.« Tarya legte ihm die Hand auf den Rücken und holte in tiefen, langsamen Zügen Luft, was er nachahmen sollte. »Schon viel besser.« Die Konzentration und die Sorge um ihn standen ihr ins Gesicht geschrieben.
»Na ja, irgendjemand muss die Stadt ja erbaut haben. Und dann verschwunden sein«, sagte Milla. »Was habt ihr denn gedacht?«
»Die Frau war wütend. Aber wir können doch nichts dafür!«, sagte Isak zwischen abgehackten Atemzügen. »Wie auch? Die Stadt war leer, als unsere Leute hier ankamen. Und wir sind hier geboren.« Er beugte sich vor und legte einen Finger auf seine Augengläser, damit sie an Ort und Stelle blieben. Während er über die Palastgärten aufs Meer hinausstarrte, das die letzten Funken des Feuerwerks als kleine Lichtpunkte zurückwarf, wurden seine Atemzüge ruhiger. »Das hier ist unser Zuhause. Was vorher passiert ist, ist nicht unsere Schuld.«
»Wo stecken diese Menschen jetzt?«, fragte Tarya, die immer noch den Arm um ihren Bruder gelegt hatte. »Wenn die Stadt ihnen gehört, warum kommen sie nicht her und holen sie sich zurück?«
»Sie hat nicht gesagt, dass wir schuld sind«, mischte sich Milla ein. »Nur, dass Menschen gestorben sind. Von Schuld hat sie nichts gesagt –«
»Wen kümmert schon die Schuldfrage, was ist mit den Drachen?«, unterbrach Tarya sie. »Sie hat gesagt, dass sie wiederkommen! Man hat doch jahrelang gesucht …«
Die nächste Ankündigung eines nervösen Herolds ersparte Milla weitere Fragen.
»Die jungen Männer von Arcosi werden nun vor dem Drachenfürsten ihren Eid ablegen!«
»Jetzt?«, fragte Isak. »Ich bin noch nicht bereit, Tarya.« Der Herzog hatte sich aus Anlass seines Geburtstags eine komplizierte Eidesformel ausgedacht und alle würden zuhören.
Tarya half Isak beim Aufstehen und nahm seine Maske. Dann rückte sie seine Gläser zurecht und strich sein Hemd glatt. »Du schaffst das. Du kennst den Text. Wir können ihn alle auswendig, vorwärts, rückwärts und im Schlaf. Stimmt’s?«
Isak lächte matt. »Stimmt.«
»Viel Glück!«, rief Milla.
Er nickte unsicher und nahm seinen Platz in der Reihe ein.
Milla ging mit den anderen Angestellten ans Ende der Halle. Die norländischen Dienstmädchen hielten Abstand und sahen hochnäsig auf sie herab, doch Milla ignorierte ihr Getuschel. Sie ließ Isak nicht aus den Augen.
Er legte seinen Eid tadellos ab, blieb sogar ein wenig länger auf dem Podest und plauderte mit Herzog Olwar. Als er anschließend mit einer Zinnmedaille um den Hals, in die der Umriss eines Drachen aus schwarzer Emaille eingearbeitet war, an seinen Platz zurückging, war er voller Energie. Das war Olwars Gabe: Er zog die Menschen an. Er war ihre Sonne und alle wandten seinem Licht die Gesichter zu.
Milla beeilte sich, den Zwillingen mit Speisen beladene Teller zu bringen, wobei sie unterwegs diskret selbst ein paar Bissen aß, damit sie Josi sagen konnte, dass ihr Essen wesentlich besser war. Trotzdem schmeckte es köstlich und sie fühlte sich gleich ein wenig kräftiger. Nachdem die Gäste gespeist hatten, traten die Palastmusikanten auf, und schon bald war die alte Drachenhalle von Musik erfüllt.
»Zeit für den Tanz …« Tarya starrte sehnsüchtig zum polierten Tanzboden hinüber, der mit einem weiteren Feuer spuckenden schwarzen Drachen dekoriert war. »Aber du solltest lieber kein Risiko eingehen, Isak, und dich ausruhen. Wir schauen einfach nur zu.«
»Mir geht es wieder gut. Wir tanzen nur diesen einen Tanz«, sagte er und schluckte. »Es ist der Ball des Herzogs. Ich bin es ihm schuldig. Er war sehr freundlich, als er mit mir gesprochen hat. Habe ich dir erzählt, dass er mich zum Segeln eingeladen hat?«
»Ja, schon drei Mal.« Tarya verdrehte die Augen, lächelte aber.
»Hier, kannst du meine Gläser festhalten, Milla?«
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