Gefangen im russischen Winter. Roland Kaltenegger
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Название: Gefangen im russischen Winter

Автор: Roland Kaltenegger

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Zeitzeugen

isbn: 9783475543029

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СКАЧАТЬ uns herab, Grüße der Heimat. Jetzt, da des Tages Mühen und Gefahren vorbei sind, wandern die Gedanken dorthin zurück, viele hundert Kilometer, und man merkt gar nicht, dass man eigentlich irgendwo im Schützenloch in einem polnischen Getreidefeld liegt und das müde Haupt nur auf einen Stahlhelm gebettet ist.45

      Die Nacht vom 24. zum 25. Juni 1941 verlief wieder Erwarten ruhig. Doch bereits während des 25. Juni, es war ein heißer Tag, warf der sowjetische Kommandierende General des III. Panzer-Korps in Lemberg seine Stahlkolosse in den Kampf gegen das vorwärtsdrängende XXXXIX. Gebirgs-Armeekorps. Zum ersten Mal trafen die Soldaten mit dem Edelweiß auf die gut gepanzerten und aus allen Rohren feuernden T 34, die seinerzeit als die besten Panzer der Welt galten. Sie waren eine gefährliche und von den Deutschen während des ganzen Ostfeldzuges überaus gefürchtete Panzerwaffe. In Pulks zu zehn, zu zwanzig, ja bis zu vierzig Panzern brachen die Sowjets ohne begleitende Infanterie gegen die abwehrbereiten Gebirgsjäger, Infanteristen und Grenadiere auf. Hier und da gelang ihnen tatsächlich ein Einbruch in die deutschen Linien.

      »Unsere Panzer sind feuerbereit«, liest man bei Lanz. »Als die mit viel Lärm und Qualm anrumpelnden Stahlkästen auf etwa 600 Meter vor uns sind, eröffnen die Panzerabwehr-Geschütze schlagartig das Feuer. Bündelweise sausen die Leuchtspuren den Panzern entgegen – und spritzen ab. Wir trauen unseren Augen nicht, überall Treffer und jedes Mal Abpraller. Natürlich ist unsere Artillerie feuerbereit und eröffnet nun ihrerseits ein sauberes Punktschießen. Bei der unerwarteten Wirkungslosigkeit unserer 3,7-cm-Pakgranaten rücken etliche 30 Panzer unaufhaltsam vor und brechen, soweit sie nicht in einem großen Sumpfloch unten an der Straße hängen bleiben, in unsere Stellung ein. Nun greifen die Jäger zur Selbsthilfe. Mit Handgranaten und geballten Ladungen springen sie die Panzer an und setzen im Nahkampf eine Anzahl von ihnen außer Gefecht.«46

      Das Versagen der viel zu schwachen 3,7-cm-Panzerabwehrkanonen lähmte die Landser für einen Moment. Nur ihrer Fähigkeit zur Improvisation hatten sie es zu verdanken, dass sie nach der ersten großen Panzerschlacht bei Jazow Stary am Abend des 25. Juni 1941 in ihren befohlenen Stellungen standen. Im nervenaufreibendem und gefährlichen Nahkampf war es ihnen gelungen, Panzer durch in die Geschützrohre geschobene Handgranaten außer Gefecht zu setzen. »Die eigenen Verluste in diesen Kämpfen waren vor allem bei 1. Geb. Div. und 68. Inf.Div. besonders hoch«, vermerkte das »Kriegstagebuch des XXXXIX. Gebirgs-Armeekorps aus dem Russlandfeldzug 1941« am 26. Juni 1941.

      Zerstörte Panzer, Lastwagen und Versorgungsfahrzeuge übersäten das Schlachtfeld. Zu Hunderten bedeckten die Kadaver erschossener Pferde das Feld. Zerschossen lagen die Panzer im Felde; elendig verbrannt und zerfetzt waren die Leichen der sowjetischen Soldaten. Wer würde die Toten bestatten? Das war mehr als nur ein Akt der Menschenwürde. Denn durch die warme Jahreszeit kam es sehr schnell zur Verwesung, und damit stieg auch die Gefahr von Seuchen.

      »Die Säuberung des Schlachtfeldes hat ergeben, dass […] in der Panzerabwehrschlacht am 24. und 25. 6. mindestens 100 Panzerwagen abgeschossen und über 50 Geschütze erbeutet wurden. An den Kämpfen waren in hervorragender Haltung in gleicher Weise beteiligt: 1. Geb.Div., 68. Div., die zuerst im Walde um und ostwärts Krakowiec den feindlichen Angriff auszuhalten hatte, und Teile der 257. Div.«, lautet eine Eintragung vom 26. Juni 1941 im Kriegstagebuch des XXXXIX. Gebirgs-Armeekorps.47

      Aber nicht nur die sowjetischen Panzer bereiteten große Probleme. Kaum hatte man sich die Stahlkolosse so gut es ging vom Leib gehalten, schon erschienen am Himmel die sowjetischen »Nähmaschinen«, von den Landsern auch »UvD«, »Nervensäge« oder »Kohlenschipper« genannt. Der antiquierte Bomber Polikarpow PO 2, ein Doppeldecker, den die Sowjets »Kukurusnik« nannten, warf dann im Gleitflug bei abgestelltem Motor seine 25- und 50-Kilogramm-Bomben auf die Stellungen der Deutschen.

      Auf der Rollbahn drängten sich Verbände und Fahrzeuge von mehr als sechs Divisionen, die man an ihren taktischen Zeichen erkannte: Edelweiß und Enzian, Tannenbaum und Spielhahnfeder, Wiesel und Ochsenkopf, Pfeil und Bogen. Dazu wurden Divisions-Nummern herumgereicht: 1. und 4. Gebirgs-Division, 97. leichte und 100. Jäger-Division, 125., 257. und 295. Infanterie-Division sowie die 5. SS-Panzer-Division »Wiking«. Welche Nummer zu welchem Zeichen gehörte, wusste niemand vollständig zu sagen. Die »Braune-Bären«-Division war nicht mehr dabei, das hatten die »Feldherren« unter den Obergefreiten sofort erkannt. Und da sie sich zu Hunderten aus allen Verbänden auf eine Zigarettenlänge im Straßengraben trafen, blühte schon sehr schnell die Fantasie.

      »Die Berlin-brandenburgische Braune-Bären-Division hat dermaßen schwere Verluste gehabt, so dass die 68. Infanterie-Division nach Frankreich verlegt wird. Im August ist der Krieg aus!«

      Jeder wollte es hören, alle wollten es glauben. Nach den Grenzschlachten drängte die Truppe dem Sieg entgegen, mit von der Partie war auch die 68. Infanterie-Division. Denn statt nach Frankreich wurde sie Anfang Juli 1941 als Reserve der Heeresgruppe Süd durch die galizische Hauptstadt in Richtung Osten nachgeführt. Erst in der zweiten Julihälfte konnten die Infanteristen wieder am Nordrand des Kessels bei Uman und Winniza in die Kampfhandlungen eingreifen. Aber schon sehr bald wurde die »Braune-Bären«-Division nach Osten verlegt und griff nun unter dem Kommando des XXXXIV. Armeekorps in Richtung Tscherkassy an.

      Die anfängliche Hochstimmung der Truppe verflog bei der drückenden Hitze alsbald, und der seit dem Polen- und Frankreichfeldzug gewohnte Frontalltag kehrte wieder ein. Viele marschierten mit leerem Magen. Die Rollbahn war derart belegt, dass die Trosse höchst selten zu ihren Einheiten durchkamen. Nur allzu oft kochten die Feldküchen daher vergebens. Denn sobald das Essen bei dem schwülen Wetter sauer geworden war, mussten es die Feldköche in den Straßengraben schütten, während die Mägen der Landser vor Heißhunger nur so knurrten.

      »Den Fleischverzehr müssen wir inzwischen aus den eroberten Gebieten requirieren, und ich bin der Unglückliche, der mit dem Metzgergehilfen der Küche über Land fahren und das Vieh den Bauern wegnehmen soll«, klagte der Münchner Heinrich Heimkes. »Einmal sollte es ein Schwein sein. Die Dorfkolchose war schon leer geräumt, also sind wir zu den Bauern. Ich kann mich noch gut erinnern: Eine Frau mit mehreren kleinen Kindern fiel vor uns bittend auf die Knie, wir möchten ihr doch das einzige Schwein für ihre zahlreiche Familie lassen. Wir sind weitergezogen, aber das ist dann Haus für Haus so oder ähnlich vor sich gegangen, bis es meinem Kameraden zu dumm geworden ist und wir ein fettes Schwein zur Kompanie gebracht haben, das mir gewissermaßen aus Rache die Brücke meines Fahrzeuges im wahrsten Sinne des Wortes versaut hat.«48

      Da die 4. Gebirgs-Division des Generalmajors Karl Eglseer bis zum Beginn des Russlandfeldzuges als Reserve des Oberkommandos des Heeres fungierte, stand sie am ersten Tag des Unternehmens »Barbarossa« nicht gleich im Brennpunkt der heftigen Auseinandersetzungen. Doch dann wurde die »Enzian«-Division ab 25. Juni endgültig für fast zwei Jahre dem Generalkommando des XXXXIX. Gebirgs-Armeekorps unterstellt. Von nun an marschierte die »Vierte« neben ihrer Schwesterdivision, der »Ersten«, über Monate hinweg ostwärts – und zwar von Lemberg durch den Südabschnitt der Ostfront bis zum Kaukasus und von dort in den Kuban-Brückenkopf. Es war am 26. Juni 1941, als die 4. Gebirgs-Division vom XXXXIX. Gebirgs-Armeekorps den Befehl erhielt, die bereits stark angeschlagene 68. Infanterie-Division in ihrer vorderen Linie im Raum um Jaworow abzulösen. Kübler zog damit die frische »Enzian«-Division in die erste Angriffslinie vor. Sie sollte zusammen mit der 257. Infanterie-Division den Schutz der tiefen Südflanke der 1. Gebirgs-Division übernehmen und dann die Seenenge bei Dobrostany und Kamienobrod durchbrechen. Die Ablösung der beiden Gebirgs-Großverbände verlief reibungslos, die russischen Verbände zogen sich unter dem Schutz von starken Nachhuten ostwärts zurück.

      »Dann sahen wir den ersten Russen«, berichtet Werner Schneider von der 4. Gebirgs-Division. »Klein und krumm lag er im Straßengraben, bartlos das Gesicht, in guter Uniform und festen Stiefeln. Es folgten mehr und mehr, lauter junge Kerle, kaum 20 Jahre mochten sie zählen, karmesinrot der Rand ihrer Mützen. Gefallene lagen überall im Getreide. Einzelne waren von unseren Soldaten bereits bestattet, ein in den Boden gestecktes Gewehr СКАЧАТЬ