Название: Sherlock Holmes' Buch der Fälle
Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783955012410
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Wir sind auch sofort ein bißchen aneinandergeraten, und ich wäre zurück zum Bahnhof gelaufen, wenn ich nicht das Gefühl gehabt hätte, daß ihm das gerade recht gewesen wäre. Man hat mich gleich in sein Arbeitszimmer geführt, und dort traf ich ihn an – einen riesigen Mann mit krummem Rücken, vergilbter Haut und einem zottigen grauen Bart; er saß hinter seinem Schreibtisch, auf dem alles kreuz und quer lag. Eine rotgeäderte Nase ragte wie ein Geierschnabel aus dem Gesicht, und unter buschigen Augenbrauen funkelten mich zwei grimmige graue Augen an. Ich konnte nun verstehen, warum Godfrey so selten von seinem Vater gesprochen hatte.
›Nun, Sir‹, schnarrte er. ›Ich würde ganz gern die wahren Gründe für diesen Besuch erfahren.‹
Ich antwortete, daß ich die schon in meinem Brief an seine Frau dargelegt hätte.
›Ja, ja; Sie haben behauptet, daß Sie Godfrey in Afrika kennengelernt hätten. Als Beweis dafür haben wir natürlich nur Ihr Schreiben.‹
›Ich habe seine Briefe in der Tasche.‹
›Lassen Sie die doch freundlicherweise mal sehen.‹
Er warf einen flüchtigen Blick auf die beiden, die ich ihm reichte; dann warf er sie mir wieder zu.
›Also, worum geht es?‹ fragte er.
›Ich mag Ihren Sohn Godfrey gern, Sir. Viele gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen verbinden uns. Ist es denn nicht natürlich, daß ich mich über sein plötzliches Schweigen wundere und wissen will, was aus ihm geworden ist?‹
›Ich entsinne mich recht deutlich, Sir, daß wir schon einmal miteinander korrespondierten und daß ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, was aus ihm geworden ist. Er befindet sich auf einer Weltreise. Nach den Strapazen in Afrika war er in schlechter gesundheitlicher Verfassung, und sowohl seine Mutter als auch ich waren der Auffassung, daß völlige Ruhe und Ortswechsel erforderlich seien. Geben Sie freundlicherweise diese Erklärung auch an alle anderen Freunde weiter, die sich dafür womöglich interessieren.‹
›Gewiß‹, antwortete ich. ›Aber vielleicht hätten Sie noch die Güte, mir den Namen seines Dampfers und der Schiffahrtslinie nebst Abfahrtszeit anzugeben. Ich habe keinen Zweifel, daß ich dann in der Lage wäre, mit einem Brief an ihn durchzukommen.‹
Meine Bitte schien meinen Gastgeber ebenso zu verwirren wie zu ärgern. Seine großen Brauen senkten sich über die Augen, und er trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch. Schließlich blickte er auf mit der Miene eines Schachspielers, der einen gefährlichen Zug seines Gegners bemerkt und sich entschieden hat, wie er ihn erwidern kann.
›Manch einer, Mr. Dodd‹, sagte er, ›würde wohl Anstoß nehmen an Ihrer verteufelten Hartnäckigkeit und wäre der Meinung, dieser Starrsinn sei nichts anderes als eine verdammte Unverschämtheit.‹
›Das müssen Sie als Ausdruck meiner echten Zuneigung für Ihren Sohn sehen, Sir.‹
›Schon recht. Das habe ich Ihnen auch in hohem Maße zugute gehalten. Dennoch muß ich Sie bitten, diese Nachforschungen einzustellen. Jede Familie hat ihre ureigensten Erfahrungen und Beweggründe, die man einem Außenstehenden nicht immer erklären kann, so gut seine Absichten auch sein mögen. Meiner Frau liegt viel daran, etwas über Godfreys Vergangenheit zu erfahren; Sie können ihr gern davon erzählen, aber ich möchte Sie bitten, Gegenwart und Zukunft aus dem Spiel zu lassen. Solche Nachforschungen dienen keinem nützlichen Zweck, Sir; sie bringen uns nur in eine peinliche und schwierige Lage.‹
Damit war ich also in eine Sackgasse geraten, Mr. Holmes. Es gab kein Weiterkommen. Ich konnte nur so tun, als ob ich mich mit der Situation abfände, und innerlich ein Gelübde ablegen, daß ich erst ruhen würde, wenn sich das Schicksal meines Freundes aufgeklärt hätte. Es war ein trübseliger Abend. Wir speisten ruhig zu dritt, in einem düsteren, verblichenen alten Zimmer. Die Lady fragte mich eifrig über ihren Sohn aus, aber der Alte schien mürrisch und niedergedrückt. Die ganze Prozedur hat mich derartig gelangweilt, daß ich mich, so rasch wie mir schicklicherweise möglich war, entschuldigte und mich auf mein Zimmer zurückzog. Es war ein großer, kahler Raum im Erdgeschoß, so düster wie der Rest des Hauses, aber wenn man ein Jahr lang in der südafrikanischen Steppe geschlafen hat, Mr. Holmes, ist man nicht allzu wählerisch mit seinem Quartier. Ich zog die Vorhänge auseinander, schaute hinaus in den Garten und stellte fest, daß es eine schöne Nacht mit einem hell scheinenden Halbmond war. Dann setzte ich mich ans prasselnde Kaminfeuer, stellte die Lampe neben mich auf einen Tisch und versuchte, mich mit einem Roman abzulenken. Ich wurde allerdings gestört von Ralph, dem alten Butler, der mit frischem Nachschub an Kohlen hereinkam.
›Ich dachte, die könnten Ihnen über Nacht vielleicht ausgehen, Sir. Wir haben rauhes Wetter, und diese Räume sind kalt.‹
Er zögerte etwas, bevor er wieder hinausging, und als ich mich umschaute, stand er da und sah mich mit einem nachdenklichen Ausdruck auf seinem runzligen Gesicht an.
›Verzeihung, Sir, aber es ließ sich nicht vermeiden, mit anzuhören, was Sie bei Tisch über den jungen Master Godfrey gesagt haben. Sie wissen, Sir, daß meine Frau seine Amme war, und deshalb darf ich wohl sagen, daß ich sein Pflegevater bin. Die Sache interessiert uns natürlich. Und Sie sagen, er hat sich gut gehalten, Sir?‹
›Es gab keinen mutigeren Mann im Regiment. Er hat mich einmal aus dem Gewehrfeuer der Buren herausgeschleppt – sonst säße ich wahrscheinlich nicht hier.‹
Der alte Butler rieb sich die mageren Hände.
›Ja, Sir, ja, das ist Master Godfrey, wie er leibt und lebt. Er war schon immer tapfer. Im Park gibt es nicht einen Baum, Sir, auf den er nicht geklettert ist. Nichts konnte ihn aufhalten. Er war ein feiner Junge, und – oh, Sir, er war ein feiner Mann.‹
Ich fuhr hoch.
›Hören Sie!‹ rief ich. ›Sie sagen, er war. Sie reden, als ob er tot wäre. Was hat diese ganze Geheimniskrämerei zu bedeuten? Was ist mit Godfrey Emsworth geschehen?‹
Ich packte den Alten an der Schulter, aber er drehte sich weg.
›Ich weiß nicht, was Sie meinen, Sir. Fragen Sie den Herrn nach Master Godfrey. Er weiß Bescheid. Mir kommt es nicht zu, mich einzumischen.‹
Er war im Begriff, den Raum zu verlassen, aber ich hielt ihn am Arm fest.
›Hören Sie‹, sagte ich. ›Eine Frage werden Sie mir noch beantworten, bevor Sie gehen, und wenn ich Sie die ganze Nacht festhalten muß. Ist Godfrey tot?‹
Er konnte mir nicht in die Augen sehen. Er war wie hypnotisiert. Nur mühsam ging ihm die Antwort über die Lippen. Sie war schrecklich und unvermutet.
›Ich wünschte bei Gott, er wäre es!‹ rief er; dann riß er sich los und stürzte aus dem Zimmer.
Sie können sich denken, Mr. Holmes, daß ich in nicht gerade glücklicher Verfassung zu meinem Stuhl zurückgegangen bin. Die Worte des Alten schienen mir nur eine Erklärung zuzulassen. Offenbar war mein Freund in irgendwelche kriminelle oder zumindest unehrenhafte Geschäfte verwickelt, die den guten Ruf der Familie antasteten. СКАЧАТЬ