Название: Vom Wind geküsst
Автор: Lin Rina
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783959913683
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Hier im Süden, wo das Wetter im Sommer sengend heiß und im Winter äußerst mild war, wurden die Häuser luftig und nicht besonders massiv gebaut. Türen und Fenster ließen immer einen leichten Windhauch hinein, selbst wenn sie mal geschlossen waren.
Ein junger Mann in weißen Gewändern öffnete uns die Tür und sah uns fragend an.
»Wir haben ein paar Briefe auszuliefern«, teilte Justus ihm mit und zog einen Stapel gefalteten Papiers aus einer ledernen Tasche, die an seinem Gürtel baumelte.
Der Mann nahm sie ausdruckslos entgegen und bat uns mit einer Handbewegung hinein. Der Vorraum wirkte leer und wurde lediglich von einem Schreibtisch, einem Stuhl und einem offenen Regal mit vielen kleinen Fächern geziert. Die großen Fenster ließen den Lärm des Markplatzes hinein.
Ich liebte die Art, wie die Häuser hier gebaut wurden, mit all dem hellen Holz und den zahlreichen Schnitzereien.
Der Wind mochte sie auch. Fröhlich spielte er mit den naturfarbenen Gardinen wie eine Katze mit einem Grashalm.
Ich ermahnte ihn, sich zu mäßigen, als er sich vorsichtig an den Papieren zu schaffen machen wollte, die fein säuberlich auf dem Tisch gestapelt lagen.
»Ich bin Ratssekretär Lar«, stellte der Mann sich vor und sah flüchtig die Briefe durch, die wir gebracht hatten. »Ich danke vielmals für eure Mühe. Schulden wir euch noch etwas? Oder wurde die Rechnung fürs Überbringen dieser Schriften schon beglichen?«, fragte er ernst und mit wenig Emotion.
Er nimmt diese Arbeit sehr ernst und ist sehr gewissenhaft. Er hat deshalb Ärger mit seiner Frau, weil er zu viel arbeitet, flüsterte der Wind und zupfte spielerisch an dem Dokument, das obenauf lag.
Lar merkte es sofort und legte einen Briefbeschwerer auf den Stapel, ohne ihm viel Aufmerksamkeit geschenkt zu haben.
Ich sah mir den Mann an, wie er mit regungslosem Gesicht zu Justus blickte, und konnte mir kaum vorstellen, dass er verheiratet war oder wie seine Frau wohl aussehen mochte. Er war nicht hässlich, das war es nicht. Er war nur so … regungslos.
»Sieh dir das an, Cate«, wisperte mir Mei zu, ergriff meine Hand und zog mich zu den Fenstern, die vom Marktplatz wegzeigten. Durch die durchscheinenden Gardinen konnten wir auf die Straße hinter dem Gebäude sehen.
Ich folgte mit dem Blick ihrem ausgestreckten Finger. In der Nähe der Hauswand standen drei junge Männer, die lässig eine junge Frau umringten und ihren Erzählungen lauschten.
Sie hatte langes weizenblondes Haar und ihr tiefblaues, goldbesticktes Seidengewand betonte ihre schlanke Figur fast genauso gut wie ihre adrett in die Taille gestützte Linke.
»Die Stickereien sind wunderschön. Das hat sicher Monate gedauert, bis sie damit fertig war«, raunte Mei und sah schmachtend auf die blaue Seide.
Erst musterte ich die Frau und dann Mei. »Dir würde das bestimmt auch stehen«, sagte ich lächelnd und ihre Augen glitzerten geschmeichelt.
»Wirklich?«, fragte sie noch einmal spitzbübisch nach und biss sich geziert auf die Unterlippe. Mei liebte prachtvolle Kleider, so wie alle Mädchen in ihrem Alter, was ich ihr nicht verdenken konnte. Lachend lehnte ich mich an sie.
»Ich bezweifle aber, dass sie es selbst bestickt hat«, raunte ich und wandte mich vom Fenster ab.
Es war ein Geschenk von der Prinzessin von Berill, flüsterte der Wind.
Mit einer unauffälligen Handbewegung scheuchte ich ihn zu den Vorhängen zurück, damit er mir nicht noch mehr erzählte.
Marc stützte sich neben Mei an den Fensterrahmen und pfiff leise durch die Zähne. »Wer ist denn das?«, fragte er mit einem anzüglichen Lächeln auf den Lippen.
Ich musste einfach die Augen verdrehen, als er sich vorbeugte und ebenfalls zu der weizenblonden Schönheit hinausstarrte.
Mei funkelte ihn böse an und ich kniff ihn ziemlich fest in den Arm.
»Das sag ich deiner Mutter«, witzelte ich amüsiert.
Marc sah mich erschrocken an. »Ich habe gar nichts gemacht!«, verteidigte er sich und verschränkte reserviert die Arme vor der Brust. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen.
»Ich kann hören, was du denkst«, erwiderte ich herausfordernd und hob demonstrativ die Augenbrauen.
»Kannst du nicht«, zischte er, trat aber dennoch vom Fenster zurück.
Ich musste keine Gedanken lesen können, um zu wissen, was Marc dachte. Dafür kannte ich ihn schon zu lange und seine Mimik war viel zu leicht zu durchschauen.
»Kann ich wohl«, behauptete ich weiterhin und wollte noch eine Stichelei nachsetzen, da sah Justus zu mir und zog meine Aufmerksamkeit sofort auf sich. Er nickte Richtung Tür.
»Wir gehen«, teilte ich den anderen mit und scheuchte sie vom Fenster weg zum Ausgang.
Bevor einer von uns jedoch nach der Klinke greifen konnte, wurde die Tür von außen geöffnet und ein Mann trat in den Raum. Blond, schlaksig, vielleicht Anfang zwanzig, in Justus’ Alter.
Er hielt uns die Tür auf und schenkte mir ein auffallendes Lächeln. Eins, bei dem die Mundwinkel sich nur minimal bewegten und die Augen zu glänzen begannen. Sie waren so blau, dass es mir sofort auffiel und tief wie das Meer. Er neigte leicht den Kopf zur Begrüßung, als ich an ihm vorbeitrat, und eine vorwitzige Locke fiel ihm in die Stirn.
Etwas in mir prickelte wie sich auflösender Schaum und ich sah rasch zu Boden. Hatte ich ihn etwa angestarrt?
Mit einem schweren Gefühl in den Beinen eilte ich die Stufen hinunter auf die Gasse, ohne mich noch einmal umzusehen, und hinter mir fiel geräuschvoll die Tür ins Schloss.
Justus und Marc ließen den Blick über den Marktplatz schweifen, auf dem das Gedränge nicht mehr ganz so groß war wie gerade eben noch, und ich schnappte die Worte Butterfass und Kräuterstände auf.
Justus reckte den Hals und versuchte wohl herauszufinden, wo sie die Besorgungen für ihre Mutter erledigen konnten.
Als hätte er es nötig, sich so zu strecken. Seine Körpergröße erlaubte es ihm, immer einen Blick über die Menge zu haben, und ich beneidete ihn darum. Er war den Wolken näher, wenn auch nur ein kleines Stück.
Mei blickte immer noch mit gerunzelter Stirn zur Tür des Stadtrates. »Kanntest du ihn?«, fragte sie und riss mich damit aus meinen Gedanken.
»Wen?«, gab ich zurück und zwang mich, die Augen von Justus abzuwenden.
»Diesen Mann gerade.« Sie zeigte zur Tür. Ihre bunten Armbänder klimperten. »Er hat dich angesehen, als ob ihr euch kennen würdet. Er hat dir sogar nachgesehen.« Da hellte sich ihre Miene plötzlich auf. »Oder«, flüsterte sie geheimnisvoll und kam einen Schritt auf mich zu. Mir wurde mulmig zumute. »Oder er findet dich toll. Vielleicht hat er dich angesehen, eure Blicke trafen sich und die Liebe ist ihm unerwartet ins Herz gefahren.« Sie legte theatralisch eine Hand an die Stirn.
O Mei. Widerwillig schüttelte СКАЧАТЬ