Название: Vom Wind geküsst
Автор: Lin Rina
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783959913683
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Eine Hand legte sich auf meine Schulter und schickte Todesangst durch meinen Körper, wie ein harter Schlag gegen die Brust. Mir setzte das Herz aus, meiner Kehle entfuhr ein halb erstickter Schrei. Die Beine versagten mir den Dienst und der Schweiß brach mir aus.
Justus schlang mir in diesem Moment die Arme um die Mitte und hielt mich aufrecht. »Cate«, stieß er hervor und mein Schreck spiegelte sich in seinen Augen.
Bei allen Winden!
Zittrig holte ich Luft und klammerte mich an ihn. Denn es war kein Meuchelmörder, der mich angreifen wollte. Es war nur Justus.
Er zog mich an sich, so nah, dass ich die Hitze seines Oberkörpers durch den Stoff seines grob gewebten Leinenhemdes spüren konnte. Mein Herzschlag stolperte und mir wurde noch schwindliger.
Es war, als ob jemand die Welt hinter einem Vorhang verborgen hätte, trüb und unscharf verschwand sie und alles um uns herum wurde bedeutungslos.
Nur Justus existierte. Seine Hände an meiner Taille, die mich zurück auf die Füße hoben. Seine Wange war so nahe, dass sie meine leicht streifte. Eine dunkle Haarsträhne kitzelte mich am Ohr.
»Was ist passiert?«, fragte er bestürzt und der Augenblick fiel in sich zusammen. Ich blinzelte.
Justus steuerte uns auf eine Seitengasse zu, raus aus der Menge, und das Gewicht, das auf meinem Brustkorb lastete, hob sich.
Doch kaum hatte er mich losgelassen, knickten mir die Knie ein und ich landete auf dem staubigen Boden. Justus beugte sich sofort zu mir herunter, musterte sichtlich besorgt mein Gesicht.
Auch Marc und Mei tauchten von der Seite auf und wirkten nicht weniger betroffen.
Ich musste noch einmal blinzeln, um ganz zu mir zu kommen und die beißende Panik aus meine Lunge wegzuatmen.
Der Wind drehte sorgenvolle Runden um meinen Kopf.
»Äm, ja … ich denke, ich …«, stammelte ich und versuchte mich zu konzentrieren. »Es waren nur die vielen Leute. Ich wäre doch besser nicht mitgekommen«, flüsterte ich und meine Stimme klang immer noch zitterig. Mühsam probierte ich mich an einem Lächeln, das in einer schüchternen Grimasse endete.
Der Wind versteckte sich in meinen Haaren und zerzauste sie noch mehr.
Justus seufzte lautlos, eindeutig erleichtert, doch sein Lächeln sah genauso gequält aus wie meins.
»Sag vorher was, damit du uns nicht so einen Schreck einjagst, verdammt, wenn du einfach so umkippst«, warf Marc mir leise vor und es überraschte mich, dass er so sanft fluchen konnte.
Moment, was hatte er gesagt?
»Ich bin umgekippt?«, fragte ich verblüfft. Wann war das denn gewesen?
Auf dem Platz. Ich bin auch erschrocken, flüsterte der Wind und pustete mir eine Haarsträhne aus der Stirn.
»Justus hatte dich ja sofort«, versuchte Mei mich zu beruhigen, drehte aber nervös ihre Zöpfe auf dem Finger auf.
Sah ich so furchtbar aus, dass alle sich solche Sorgen um mich machen mussten?
Ich blickte zu Justus, der mich noch immer beunruhigt ansah.
Ich bin in Ordnung, sagte ich ihm mit den Augen und er nickte. »Lasst uns zuerst zum Haus des Stadtrates gehen«, entschied er mit fester Stimme. »Da müssen wir nicht wieder über die Hauptstraße.« Die Gelassenheit ihres älteren Bruders wirkte auf Marc und Mei offenbar gleichermaßen beruhigend.
Der Wind tanzte um meine Fingerspitzen, als jagte er sich selbst.
Ich ergriff die Hand, die Justus mir reichte, und genau in dem Moment, als ich seine Haut berührte, durchzuckte es mich, als würde ein Blitz in mein Herz einschlagen. Der Wind zerstob erschrocken in alle Richtungen. Justus half mir auf die Füße und ließ mich wieder los. Doch mein Herz wummerte weiter, entschlossen, aus meiner Brust auszubrechen.
Es war mir unbegreiflich, wie er es nicht bemerken konnte.
»Lasst uns die Straße da vorn nehmen. Ich denke, ich weiß, wo wir langmüssen«, sagte er jedoch ungerührt zu Marc und zeigte in irgendeine Richtung. Die beiden setzten sich in Bewegung und Mei hakte sich bei mir unter, um mich mitzuziehen.
Ihr Blick ruhte auf mir, als befürchtete sie, dass ich noch einmal umkippen könnte. »Cate?«
Ich sah zu ihr auf. Obwohl sie ein Jahr jünger war als ich, überragte sie mich schon fast um einen Kopf. Aber in ihrer Familie waren ja schließlich alle groß.
»Ja?« Ich legte einen festen Schritt vor, um ihre Sorgen zu zerstreuen, und versuchte mich auf anderes zu konzentrieren. Das Pflaster hier in den Gassen war uneben und rau. Überall spross Moos aus den Ritzen hervor.
»Geht es dir wirklich gut?«, wollte Mei wissen. Misstrauen schwang in ihrer Stimme mit, jedoch sehr viel weniger Sorge, als ich geglaubt hatte.
»Ich denke schon, warum?« Ich ließ den Blick schweifen und sah zu der Wäsche, die viele Meter über uns von einem Haus zum anderen gespannt in der Sonne trocknete. Zu den luftigen, hell bemalten Fensterläden oder den beiden Frauen, die uns schwatzend entgegenkamen. Bloß um nicht zu Justus zu sehen, der vor uns herging.
»Dein Gesicht ist feuerrot«, behauptete Mei und musterte mich argwöhnisch. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, du bist ein glühendes Feuermädchen.«
Innerlich seufzte ich. Sie hatte recht. Zudem schwitzte ich, obwohl meine Hände eiskalt waren, und mein Herz raste immer noch, als wäre es vor mir auf der Flucht.
Der Wind war zurückgekommen und versuchte mir das Gesicht zu kühlen. Es half nichts.
Mei hatte sicher eine Erwiderung von mir erwartet, aber ich schwieg, wagte es nicht, den Mund aufzumachen, als sich mir langsam der Grund für all das aufdrängte.
Ich wusste es ja bereits, aber es mir einzugestehen war viel schwerer als gedacht. Justus war immer wie ein Bruder gewesen und die Tatsache, dass er etwas anderes für mich sein könnte, machte mir Angst.
Mein Blick wanderte nun doch zu Justus, der uns durch die engen Seitenstraßen des Dorfes um den Marktplatz herumführte.
Er sah im gleichen Moment zu mir, als wüsste er doch, dass ich an ihn dachte, und lächelte so, wie er es immer tat. Ruhig und frei von versteckten Absichten.
Es raubte mir den Verstand und zauberte auch mir ein Lächeln auf die Lippen, das ich nicht kontrollieren konnte.
Bei allen Winden, ich war nicht krank! Nein, ich war bestimmt verrückt. Und Justus war schuld daran.
2
Das Haus des Stadtrates lag nicht weit vom Marktplatz entfernt. Ich blickte durch die Gasse auf die Menschenmasse, die sich um die Stände des Marktes СКАЧАТЬ