Название: Nochmal Schwan gehabt
Автор: Christoph Wagner-Trenkwitz
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783902998996
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Mr. Sondheim hatte, wie sich herausstellte, nicht nur keine Krawatte, sondern auch kein Hemd mitgebracht. Er wohnte der Premiere in einem (anderen) Leiberl bei, doch ich beruhigte ihn: »Schön anziehen müssen sich in Wien nur die, die das Stück nicht geschrieben haben.«
Sondheim war zauberhaft und pflegeleicht und blieb es – auch als bei seiner Ankunft sein Zimmer nicht fertig und die Begrüßungstorte an einen unbekannten Touristen verschenkt worden war.
Am Freitag, dem 13. (ich erwähnte schon, dass er nicht abergläubisch ist) September 2013, gab er eine Pressekonferenz, bei der ich dolmetschen durfte und wo jenes Foto entstand, das ich mir später von ihm signieren ließ.
Ob ich sicher sei, dass ich dieses Bild gut finde, fragte er mich; ich sähe darauf aus wie ein »airhead«. Das ist nicht leicht zu übersetzen, bezeichnet aber in etwa einen Menschen, in dessen Schädelinnerem die Luft vorherrscht (siehe Abbildung im Farbteil).
Ich fand und finde, mein Gesichtsausdruck spiegelt perfekt mein über den Wolken schwebendes Gefühl in Anwesenheit von Mr. Sondheim – mittlerweile durfte ich ihn auch noch »Steve« nennen – wider.
Der Widmungstext verdient eine Erklärung. Nach der Premierenfeier zum triumphalen Sweeney Todd warteten wir auf ein Taxi, und plötzlich eröffnete mir der selige und vom guten Wein sehr gelöste Stephen Sondheim, ihm wäre ein Reim auf meinen Namen eingefallen: »Christoph, I’m pissed off.«
Ich bestand darauf, dass er diese Exklusivschöpfung auf einem Bild verewigen müsste. Er tat es, allerdings in freundlich abgewandelter Form, dass er nämlich nicht »pissed off« (also »sauer« auf mich), sondern »merely grateful«, einfach dankbar war.
Steve, Emily, Jenny, Alina und der stolze Vater (von nur zweien der Abgebildeten)
Broadway-Legende bei Blunzenradeln
Einziger Wermutstropfen für Steve (ja!) war, dass er an einer nicht ganz ausgeheilten Verletzung der rechten Hand laborierte und sich in Wien insbesondere zwei Bedürfnissen der Fans entgegensah: Händeschütteln und Autogramme schreiben!
Die Stunden mit Sondheim waren reich an Geschenken. Als ich ihm mein »einziges Laster«, das Rauchen, gestand, winkte er ab: »Come on, if this is your only vice, you need help.« (»Komm schon, wenn das dein einziges Laster ist, brauchst du Hilfe.«)
Sondheim erzählte über klassische Musik (»Rimsky-Korsakov klingt genauso anspruchsvoll wie Ravel, kann aber von jedem Mittelklasse-Orchester gut gespielt werden«), analysierte selbstkritisch seinen Sweeney Todd (»Die Richterszene ist mir nicht wirklich überzeugend gelungen. Aber wenigstens versteht man, dass nicht Gott die Katholiken bestraft – sie tun es selber.«) und andere Werke (»Das Musical Do I Hear a Waltz funktioniert nicht – es ist wie ein sehr schönes totes Baby.«)
Bei einem Heurigenbesuch mit der ganzen Kompanie ließ sich der Meister Blunzenradeln und Grammelschmalzbrot schmecken und servierte dazu noch eine herrliche Broadway-Anekdote: Sein Musical Passion handelt von unerklärlicher leidenschaftlicher Liebe gegen jede Vernunft; es beginnt damit, dass eine nackte Frau auf einem Bett liegt. Die darauffolgende Handlung bringt eine Vielzahl von Eindrücken – doch Barbra Streisand hatte nach der Uraufführung nur ein praktisches Detail im Sinn: »That naked lady …«, wandte sie sich an den Komponisten.
Was sei mit der Nackten, meinte Sondheim.
Barbra präzisierte: »Where did she put the mike?« (»Wo hatte sie das Mikrofon?«)
Auf der Fahrt zum Flughafen empfahl Stephen Sondheim meiner Frau und mir das Zweipersonen-Musical I Do, I Do! zur Aufführung. Und wenn wir jemals nach New York kommen würden, dann wären wir seine Gäste: »We will wine and dine you.«
Die Einladung zu Mehrgängigem wurde mittlerweile zwar auf ein paar »Drinks« zurückgeschraubt, aber nicht einmal diese einzunehmen hatten wir bis jetzt Gelegenheit. Ich muss dringend nach New York!
»Kaum kann ich ihn verstehen!«
Übersetzungsprogramme sind ein unerschöpflicher Born von Heiterkeit, das habe ich im letzten Schwan schon an einigen Exempeln bewiesen.
Auch nicht zu verachten sind Rechtschreibprogramme. Am engstirnigsten sind jene, die ihre zweifelhaften Dienste am E-Mail tun, sie kennen nicht einmal verbreitete italienische Vornamen.
Als ich über den großen Verdi schrieb, bot mir das gute Rechtschreibgewissen an, »Giuseppe« in »Gestapo« zu ändern. Der Operettentitel Gasparone wurde auch nicht geduldet, der Alternativvorschlag war »Gaspatrone«.
Mir wird nie einsichtig sein, was der Gentleman mit den vielen Namen von der allseits geschätzten Kammersängerin Sigrid Martikke eigentlich begehrte. Dies war seine Nachricht an die Regiekanzlei der Volksoper:
Schuld ist nur das Übersetzungsprogramm, wobei schon »Shouting Star« falsch ist (es sollte wohl »Shooting Star« heißen). Volksopernkollegin Helene Sommer hat dazu handschriftlich die Cavaradossi- Arie frei variiert.
Um Mrs. liefern: Sigrid Martikke Ich danke Ihnen von und zu der Person, die diese Bekanntmachung liefert die Absender. – In etwa 84 Jahren ist die Dame empfangen Sigrit Martikke zusammen mit der Gruppe der Beteiligung Rosario Foundation Auditorium große Zuneigung und Freundschaft mit ihr, wenn möglich Weiterleitung du meinen Namen Hairton Wanderley Amerillo oder Facebook […] aus bereits thank you very much.
Verständnislosigkeit – wenn auch nicht durch ein Übersetzungsprogramm, sondern durch mangelnde Übersetzung hervorgerufen – herrschte, als der Tenor Alfredo Kraus an der Volksoper in der Rolle des Tonio in Gaetano Donizettis Regimentstochter gastierte. Die Produktion lief in deutscher Sprache, der internationale Star jedoch sang französisch.
Ein Moment großer Heiterkeit im Publikum begab sich, als der Chor auf eine im wunderschönen Original vorgetragene Tenorphrase textgemäß antwortete: »Kaum kann ich ihn verstehen!«
Auch Journalisten verstehen nicht immer alles, dürfen es sich von Berufs wegen aber nicht anmerken lassen. Nicht ganz gelang dies einem mit dem Werk von Richard Strauss wohl wenig vertrauten Südamerikaner. Er hatte den Dirigenten Franz-Paul Decker anlässlich eines Südamerika-Gastspiels zu interviewen und stellte unter anderem die Standardfrage: »Welches ist Ihr Lieblingskomponist?«
Decker antwortete schmunzelnd: »Dazu kann ich nur sagen: Meine Töchter heißen Arabella und Daphne.«
Der Journalist, irritiert: »Das war nicht meine Frage.« Der Dirigent Wolfgang Gröhs bescherte mir folgende hübsche Sprach-Anekdote (vor allem aber drucke ich die Zuschrift wegen ihres unwiderstehlichen Einleitungssatzes ab):
Mit großer Begeisterung und Tränen vor Lachen las ich Ihr neues Buch. Zum Thema »Übersetzungsprogramm« möchte ich Ihnen ein selbst erlebtes Fremdsprachenproblem berichten.
Ich dirigierte oft in der rumänischen Stadt Arad. Im Hotelrestaurant fiel mein Blick auf die Speisekarte: Truthahngerichte, auf Rumänisch: »preparate din Turcia« wurden in (fast korrektes) Englisch als »Preparations from turkey« übersetzt.
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