Название: Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat
Автор: Demian Lienhard
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Debütromane in der FVA
isbn: 9783627022709
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– Meinst du das eigentlich ernst, wenn du so saudumm vor dich hin schwadronierst, oder ist das irgendso ’ne Art Zirkusnummer, in der du dich selbst durch den Kakao ziehst?
– Das is hier nich die Frage, ja.
Er zwinkert. Natürlich. Und schnalzt mit der Zunge.
– Wenn du jetzt drauf wartest, dass ich dich nach der Frage hinter der Frage frage, dann hast du dich aber geschnitten.
Der Kerl zuckt mit den Schultern. Aber er lächelt. Das ist einfach nicht aus seinem Gesicht zu kriegen, dieses Lächeln. Wie im Sommer die Fruchtfliegen in der Küche. Ekelhaft.
– Die Frage is, ja, beantwortet er sie also selbst, während sich um sein Auge die ganze Visage zusammenzieht, – ob’s mir gelingt, dich zum Lachn zu bringn, ja.
Ich lache laut auf.
– Siehst du, ja, verkündet er stolz.
– Also das ist so, meldet sich jetzt die Kassiererin zu Wort, die gerade noch eifrig damit beschäftigt war, gar nichts zu tun, aber sich plötzlich für das Hin und Her zu interessieren beginnt: – Er meint es nie ernst. Und dann, etwas nachdenklicher: – In Wirklichkeit meint er’s manchmal ernst und manchmal wieder nicht.
– Wirklichkeit, ja. Was willstn du schon von der Wirklichkeit wissn, ja, sagt jetzt der Kerl hinter der Theke. – Was für dich wirklich is, ja, muss es noch lang nich für mich sein, ja, flüstert er geheimnisvoll und macht ein Gesicht, das er für das irgendeines Philosophen hält, was aber nur wieder zeigt, wie blöd er eigentlich ist.
So geht das zu und her hier. Jeden Tag. Sag ich doch: ein Irrenhaus.
– Ist der vielleicht heiß, sagt Eulalia, als ich ihr die Tasse von den Lippen nehme. Sie rollt mit den Augen.
Ich runzle die Stirn.
– Hätte ich den Tee kalt bestellen sollen?
Ich nehme einen Schluck aus ihrer Tasse. So heiß ist der nicht.
– Ich meine den Typen, mit dem du so lange geschäkert hast.
Zwei Augenblicke lang verstehe ich nichts. Ich überlege. Ich schaue zur Theke. Dann trifft es mich wie ein Leichenwagen in der eigenen Hauseinfahrt.
Ich spucke den Tee über den Tisch.
– Du meinst doch nicht den widerlichen Typen dahinten?
Eulalia nickt.
– Ganz schön süß, nicht?
Im Ernst? Gut, das mit den Patienten nehm ich zurück. Dieses Krankenhaus ist voller Irrer. Punkt.
– Süß? Du meinst süß wie … attraktiv?
Eulalia nickt und lächelt.
Süß also. Sie findet ihn süß.
Gut, so erstaunlich war es dann auch wieder nicht. Eulalia, muss man wissen, fand jeden Typen süß. Und das war das viel größere Problem.
– Ich will mir eine rauchen.
Eulalia schaut mich mit großen Augen an, und ich, ich schaue einfach nur zurück.
– Du weißt schon: quarzen. Einen Lungentorpedo, einen Sargnagel, ein Erfrischungsstäbchen.
Ich zögere. Ich nicke. Ich sage nichts.
– Eine Nikotinspargel, eine Tabakwurst, ein Lungenbrötchen.
Ja, schon verstanden. Bin ja nicht schwer von Begriff. Doch ich sage: nichts.
– Ja, was ist denn jetzt? Kommst du mit?
Ich senke den Blick, betrachte lange und aufmerksam die leere Tasse, die zwischen ihren Armen steht. Dunkelrote Halbmonde hängen vom Rand, einer neben dem anderen. Ich denke an einen hochgezogenen Samtvorhang, ich denke an Kronleuchter unter einer türkenhonigfarbenen Stuckdecke, an gedimmte Leuchtäpfel über den Emporen und an ferrarirote Plüschsessel zum Einklappen. Und jetzt frage ich mich, wie Eulalia sich eigentlich geschminkt hat mit diesen Armen und wozu.
– Ich weiß nicht.
– Komm schon.
Ich blicke durch die Fenster auf den Parkplatz. Es hat wieder angefangen zu schneien. Nass fallen die Flocken herab und in dünnen Strichen und schräg.
Ich versuche, mit den Zähnen zu klappern, verschränke, so gut es eben geht, die Arme und deute ein Reiben an an meiner Schulter.
– Sei kein Feigling!
Ich seufze. Kann sie denn nicht alleine gehen? Ich schaue Eulalia ins Gesicht, dann schaue ich auf ihre Arme. Nein, kann sie nicht.
– Und du, Alba?, fragt sie und nimmt einen Zug. Zwischen meinen Fingern glimmt hell die Zigarette und dann wieder dunkel.
– Ich?
– Ja. Wen findest du denn süß?
Ich nehme ihr die Zigarette aus dem Mund und ziehe langsam daran. Und weil Eulalia danach immer noch auf eine Antwort wartet, nehme ich einfach noch einen Zug und hoffe darauf, dass diese saublöde Frage vergessen geht währenddessen, und diese Hoffnung, die erfüllt sich auch fast, weil ich nämlich einen Hustenanfall kriege, und zwar nicht absichtlich, wie man jetzt meinen könnte, sondern weil ich meine Gedanken zu sehr auf diese Hoffnung richte und zu wenig auf das Rauchen.
Aber Eulalia interessiert das überhaupt gar nicht mit meinem Husten.
– Den Müller vielleicht?
– Den Fußballer?
Eulalia schüttelt heftig den Kopf.
– Was denn bitte für ein Fußballer? Ach so! Nein! Den Müller aus der 3c mein ich doch.
– Welcher denn?
– Was welcher? Sag mal …
– Es gibt zwei Müller in der 3c.
– Na der blonde.
– Hättest du aber auch gleich sagen können!
– Hab ich doch.
Ich schaue zu Hugo. Der wackelt mit dem Kopf: Hat sie nicht.
Eulalia schiebt wieder das Kinn nach vorn.
– Also?
Gerade hebe ich zur Antwort an, als plötzlich eine Hand zwischen uns auftaucht und hin- und herzeigt zwischen Eulalias Armen und meiner Schiene.
– Untr Amputiertn ist der Einarmige Athlet, ja, höre ich es grölen in meinem Rücken.
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