Название: AEIOU
Автор: Sigrid-Maria Größing
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783902998736
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Nach den Wirren der »kaiserlosen Zeit« erschien es Albrecht vorrangig, ein geregeltes Leben für alle Teile der Bevölkerung zu ermöglichen. Dass dies nicht von einem Tag auf den anderen geschehen konnte, erkannte er schon bald, obwohl er in seiner Ungeduld am liebsten alles von heute auf morgen geändert hätte. Vieles, was aus früheren Zeiten überkommen war, musste modernen Einrichtungen weichen. Bei diesem groß angelegten zukunftsweisenden Reformwerk schuf er sich natürlich nicht nur Freunde. Es waren vor allem die Reichsfürsten, die mit Argusaugen die Aktivitäten Albrechts verfolgten. Da ihn der Vater im Jahr 1279 nach Österreich hatte kommen lassen, verlagerte sich sein Interesse und seine Tatkraft in dieses Gebiet. 1280 zog er offiziell als Sohn des deutschen Königs in Wien ein, das auf König Rudolfs Veranlassung hin wieder die für jede Stadt so bedeutungsvolle Reichsunmittelbarkeit erlangt hatte – ein Privileg, das verloren gegangen war und große Vorteile mit sich brachte. Reichsunmittelbare Städte unterstanden nur dem König oder Kaiser, von allen anderen Landesherren waren sie unabhängig.
Albrecht war ein moderner junger Mann, der im Westen die Möglichkeiten wahrgenommen hatte, von Stadt zu Stadt zu ziehen und sich mit den Einrichtungen innerhalb der Stadtmauern vertraut zu machen. Es war etwas durchaus Neues, was in allen Teilen des Landes im Entstehen begriffen war. Denn immer mehr hatte sich in den letzten Jahrzehnten abgezeichnet, dass sich die Menschen in einer größeren Gemeinschaft sicherer fühlten, vielleicht hatten sie auch zunehmend Schutz in den wirren Jahren des ausgehenden 13. Jahrhunderts gesucht. Daher waren überall im Land größere Ansiedelungen entstanden, die man mit Mauern und Gräben umgab, ähnlich den beinahe uneinnehmbaren Burgen, mit einem zentralen Brunnen mitten im Ort. Es waren noch keine großen Städte, aber sie hatten ihre eigenen Rechte und Privilegien. So erreichte so mancher, dem es gelungen war, seinem Lehensherrn zu entkommen, nach einem Aufenthalt von einem Jahr und einem Tag in der Stadt die Freiheit, denn »Stadtluft macht(e) frei«.
Freilich unterschieden sich die Städte damals noch kaum von größeren Dörfern, denn nach wie vor bauten die Menschen ihr Gemüse vor dem Haus an und hielten sich in den Ställen, die neben den Häusern erbaut waren, ihre Tiere. Hygiene gab es so gut wie keine, da man alles, was man nicht mehr brauchen konnte, einfach aus den Fenstern warf, hinunter in die schmalen Gassen, wo sich mit der Zeit der Unrat in Bergen auftürmte und man daher vor bestialischem Gestank kaum atmen konnte. Nur wenn hoher Besuch angesagt war, ging man daran, die Gassen zu säubern oder Stege zu bauen, damit die Gäste nicht im stinkenden Morast versanken. Um halbwegs trockenen und sauberen Fußes von einem Teil der Stadt in den anderen zu gelangen, legten die Bewohner der Häuser auch große Strohballen vor die Türe. Das Bild der einzelnen Städte war nicht sehr unterschiedlich, in Wien sah es nicht viel anders aus als in den Städten am Oberrhein oder in Schwaben.
Es war vielleicht einzig und allein die Lage der Stadt an der Donau, die Wien zu einem bevorzugten interessanten Ort im Osten von Österreich werden ließ. Schon sehr bald hatte man dieser Stadt besondere Vorrechte eingeräumt, die Albrecht zunächst auch zur Gänze anerkannte, aber es dauerte nicht allzu lang, da waren ihm die einzelnen Verordnungen, auf die sich die Bürger bei den verschiedenen Gelegenheiten stützten, ein Dorn im Auge, da sie seinen Plänen hinderlich waren. Ohne lange zu zögern widerrief Albrecht daher alle möglichen Vergünstigungen, auch das Privileg der Reichsunmittelbarkeit. Die Empörung der Wiener war grenzenlos. Man hielt es kaum für möglich, dass der Sohn König Rudolfs, dem man mit herzlicher Zuneigung entgegengekommen war, mit derartiger Härte vorging. Aber schon in Albrechts Augen glaubte man die kalte Energie erkennen zu können, mit der er alles durchzusetzen trachtete, was er sich vorgenommen hatte. Die Wiener hatten allerdings kaum Zeit, über den Charakter des neuen Herzogs nachzudenken, denn schon holte er zum nächsten Schlag aus: Stadtrat und Bürgerschaft wurden mit aller Nachdrücklichkeit aufgefordert, den Treueid zu erneuern und mussten schwören, jeder geheimen oder öffentlichen Vereinigung zu entsagen. Dazu kam noch, dass von ihnen verlangt wurde, von sich aus offiziell auf die Reichsunmittelbarkeit zu verzichten.
Am härtesten trafen diese Verordnungen die Angehörigen der oberen Schichten, die sich um ihre Rechte betrogen sahen, während die Handel- und Gewerbetreibenden in dem neuen Herrn eher einen Garanten für ihre Sicherheit sahen. Dies führte zu einer Spaltung der Wiener Bevölkerung, in der die »Gewandschneider unter der Lauben« eine besondere Rolle spielten.
Die Revolte gegen die neuen einengenden Gesetze, die in Wien 1288 von einem unversöhnlichen Mann namens Paltram angezettelt worden war, konnte von Albrecht ohne große Schwierigkeiten niedergeschlagen werden. Der Kleinkrieg innerhalb der Wiener Bevölkerung hatte ihm die Sache wesentlich erleichtert.
König Rudolf hielt sich in dieser Situation, in die er eigentlich als oberste Instanz hätte eingreifen müssen, relativ bedeckt. Er ließ seinen Sohn schalten und walten, wahrscheinlich vertrat er die Ansicht, dass Albrecht mit Wien und den Wienern selber fertig werden musste …
Und Albrecht löste diese schwere Aufgabe: Was so mancher Pessimist unter der Wiener Bevölkerung nie für möglich gehalten hätte, trat ein: Albrecht verlieh Wien überraschenderweise im Jahre 1297 ein neues, umfangreiches Privilegium, das bis 1526 Geltung haben sollte und das die Grundlage für ein geregeltes Leben in der Stadt für die Zukunft bildete.
Der Herzog war ein glänzender Organisator. Er hatte schon bald erkannt, dass es ihm unmöglich sein würde, alle Probleme, die auf ihn zukamen und mit denen er sich zwangsläufig beschäftigen musste, selbst lösen zu können. Einerseits war er zu wenig Experte, andererseits fehlte ihm die Zeit, um sich manchmal auch mit Kleinigkeiten zu befassen. Daher richtete er eine bestens funktionierende Kanzlei ein, die aus zwei Oberbeamten, dem Pronotar, einem Notar und einigen Schreibkräften bestand.
Diese Kanzlei, die die grundrechtlichen Fragen zu bearbeiten hatte, wurde in den einzelnen Landesteilen allerdings beinah mit scheelen Augen betrachtet. So mancher konservative Landesherr sah – wie sich herausstellen sollte, mit Recht – seine Machtkompetenz bedroht. Denn schon sehr bald war klar zu erkennen, dass Albrecht keine »fremden Götter« neben sich dulden wollte. Er war an einer starken Zentralgewalt interessiert und da war ihm jeder im Wege, von dem er annehmen musste, dass er andere, egoistische Ziele verfolgte. Auch die Männer, mit denen er sich umgab, zum Teil ausgesprochene Glücksritter, die in ihre eigene Tasche arbeiteten, trugen nicht dazu bei, den Herzog in den verschiedenen Ländern, die ihm unterstellt waren, beliebt zu machen. Diese Vertrauten des Herzogs maßten sich Rechte an, die ihnen nicht zustanden, die sie aber auf Grund der Unterstützung, die ihnen Albrecht angedeihen ließ, mit aller Härte einfordern konnten, wie der gewalttätige Abt Heinrich von Admont, der schon unter König Rudolf Karriere gemacht hatte und jetzt bis zum Landeshauptmann der Steiermark aufgestiegen war. Heinrich schreckte vor keiner Brutalität zurück und so konnte es nicht ausbleiben, dass so mancher, der durch den Abt geschädigt worden war, blutige Rache schwor. Heinrich gehörte dem geheimen Rat der »Heimlichen« an, einer kleinen Gruppe von Männern, die Albrechts ganzes Vertrauen besaß und die er auch, wo er nur konnte, mit seinem besonderen Schutz bedachte.
König Rudolf hatte große Pläne für seinen ältesten Sohn gehabt. Albrecht sollte nicht nur Nachfolger des Vaters als König im Reich werden, er sollte seinen Herrschaftsbereich auch noch nach Osten ausdehnen. Der junge Mann hatte sich schon in den grenznahen Gebieten zu Ungarn einen umstrittenen Namen gemacht, da er die Aufstände, die in der Gegend um den Neusiedler See und an der Leitha aufgeflammt waren, mit starker Hand niederschlug. Einige Burgen und Städte unterwarfen sich ihm, als sie erkennen mussten, dass sie keine andere Chance hatten.
Als der König von Ungarn Ladislaus IV. starb, übertrug Rudolf seinem Sohn 1290 in schriftlicher Form Ungarn als erledigtes Reichslehen, was sich allerdings als kurzlebige Episode erweisen sollte. Denn kaum hatte König Rudolf 1291 die Augen für immer geschlossen, als in allen Landesteilen СКАЧАТЬ