Название: Alles Liebe - zum Fest der Hiebe
Автор: Tobias Bachmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783942602617
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»Blödsinn!«, fauchte sie.
»Also, wann hast du Feierabend? Ich möchte nur mit dir etwas essen gehen, dich zu einem Gläschen Wein einladen, zu einer kleinen Plauderstunde. Mehr nicht.«
Wie kam er dazu, sie auf einmal zu duzen? »Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich versteh gar nicht, warum …«
Mit einer herrischen Geste stoppte er ihre Argumentationsversuche. Sein flehendes »Bitte. Bitte sagen Sie nicht Nein.« passte nicht zu seinem dominanten Auftreten, und dennoch lag darin so viel Inbrunst, soviel Gefühl, dass Sabrina beinahe glauben mochte, es wäre ihm wirklich ein Herzensbedürfnis, mit ihr auszugehen.
»Ich kann nicht«, murmelte sie mit einem letzten Funken Widerstand. Sie musste sich umdrehen und ihn stehen lassen, sie musste ihre Augen von ihm abwenden, um ihm widerstehen zu können, sie musste …
»Warum? Niemand wartet auf dich«, hauchte er.
»Woher wollen Sie …«
Sabrina verstummte unter seinem Blick. Wieder dieser unwiderstehliche und durchdringende Dackelblick, als müsste er auf der Stelle, direkt hier vor ihren Augen zusammenbrechen, falls sie es wagte, noch einmal Nein zu sagen.
»Also gut«, seufzte Sabrina. »Fünf nach sechs bin ich fertig, Herr Krummer.«
»Jo«, erwiderte er mit einem strahlenden Lächeln. »Nennen Sie mich bitte einfach Jo.«
Es gelang ihr nicht sich zu konzentrieren. Zerstreut prüfte Sabrina schon zum dritten Mal den Inhalt der Kasse. Und jedesmal erhielt sie ein anderes Ergebnis.
»Was ist denn mit dir los?« Mona musterte ihre Kollegin mit prüfendem Blick von der Seite.
»Nichts«, erwiderte Sabrina ein wenig zu hastig.
Mona schaute kurz verdutzt, dann lachte sie frei heraus. »Den Bären kannst du jemand anderem aufbinden. Lass mal, ich mach das. Geh schon und schau, dass du morgen wieder du selbst bist!«
Sabrina bedankte sich. Ein wenig verlegen zog sie ihre wattierte Jacke und die Fell gesäumten Handschuhe an, hängte sich ihre Handtasche über die Schulter und trat schließlich aus der Buchhandlung hinaus. Festliche Beleuchtung aus allen Geschäften tauchte die Fußgängerzone in ein unwirkliches und doch fast taghelles Licht, in dem es überall funkelte und strahlte.
Mit sich selbst im Unreinen schlenderte Sabrina von einem Schaufenster zum nächsten, ohne die aufwändigen Dekorationen bewusst in sich aufzunehmen und sich davon in eine weihnachtliche Vorfreude versetzen zu lassen. Ihr Innerstes war so aufgewühlt wie schon lange nicht mehr. Wie hatte Mona das bemerkt? Stand auf ihrer Stirn geschrieben: treffe mich heute mit Mister Unbekannt, der leidenschaftlich(e) Romane liest. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, dem zuzustimmen.
Dieses doofe Buch, das sie vergangene Nacht gelesen hatte, war ihr den ganzen Tag über nicht mehr aus dem Kopf gegangen, ebenso wenig wie ihr Kavalier, denn dieser stand jetzt plötzlich vor ihr. »Du hast schon Feierabend?«, fragte er mit samtiger Stimme und überreichte ihr einen Strauß rosaroter Rosen. Sie sahen nicht nur wunderschön aus, sie dufteten auch verführerisch.
Sofort schlug Sabrinas Herz einige Takte schneller. »Danke«, mehr brachte sie nicht über die Lippen.
Es war schon eine Weile her, dass ihr jemand Blumen geschenkt hatte, noch dazu einen so wundervollen Strauß, und das hatte sie gewiss nicht erwartet. Das war überaus romantisch und es machte sie verlegen.
»Gehen wir, Sabrina?«
Jo wirkte sehr zufrieden, bot ihr ganz Kavalier seinen Arm an und sie hängte sich verwirrt bei ihm ein, im anderen Arm behutsam die Rosen an sich drückend.
Sabrina hatte alles Mögliche und Unmögliche erwartet, dass er den ganzen Abend über sich und seine Erfolge reden würde, mit Errungenschaften wie einem tollen Auto oder seiner Eigentumswohnung prahlend. Irgendwann nutzte jeder Mann die Gelegenheit zur perfekten Selbstinszenierung. So hatte sie es bislang kennenlernt. Die andere Variante war, dass er sie sofort in seine Wohnung locken und zu einem One-Night-Stand verführen wollte.
Aber weder das eine noch das andere geschah.
Jo bestellte das Essen, da Sabrina viel zu aufgeregt war, um sich für ein Gericht zu entscheiden, dazu einen Rotwein und auf ihre Bitte hin auch Mineralwasser. Er fragte sie nach ihren Wünschen, wie sie sich ihr künftiges Leben vorstellte und wie von selbst flossen Sabrinas innerste Sehnsüchte nach einem liebevollen, verständnisvollen Lebensgefährten von ihren Lippen, nach Sicherheit und später, ja, da wollte sie gerne auch ein oder zwei Kinder. Schließlich unterhielten sie sich sogar über die erotische Lektüre, die er ihr empfohlen hatte.
Auch jetzt schaffte Sabrina es nicht, ihre ganz persönlichen Empfindungen für sich zu behalten. Geschickt entlockte Jo ihr das Geständnis, dass sie beim Lesen der Geschichte erregt gewesen war.
Es war ihr ein wenig peinlich und es fiel ihr schwer, seinem Blick standzuhalten. Ihr Begleiter strahlte eine ruhige Dominanz aus, ohne viele Worte, ohne besondere Gesten. Diese Dominanz war einfach da. Was er wissen wollte, kitzelte dieser Mann auf eine überaus geschickte rhetorische Weise aus ihr heraus, so dass sie es erst merkte, als es schon zu spät war. Oder war es die Wirkung des Rotweins, der ihre Sinne und ihr Reaktionsvermögen so sehr benebelt hatte?
Für einen kurzen Augenblick wünschte sie sich, er würde sie in den Arm nehmen, sie leidenschaftlich küssen, unsittlich berühren und sie – verführen.
Sabrina fand erst wieder richtig zu sich selbst, als sie später, von ihm fürsorglich nach Hause begleitet, alleine in ihrem Bett lag. Doch obwohl sie müde war und herzhaft gähnen musste, war sie innerlich viel zu aufgewühlt und ihr Körper von einem alles verzehrenden Feuer erfüllt, so dass an Schlafen nicht zu denken war. Da half nur noch eines: eine kalte Dusche, um wieder die Kontrolle über sich selbst zu übernehmen.
Tag um Tag überlegte Sabrina, was Jo wirklich von ihr wollte. Er war ihrer Meinung nach einfach nicht der Typ Mann, der sich mit einer kleinen Buchhändlerin, wie sie es war, zu einem Smalltalk traf. Abend um Abend nahm sie sich vor, ihn zu fragen, was er beabsichtige, aber wenn sie ihm gegenüber stand, traute sie sich nicht mehr. Der Blick aus seinen Augen paralysierte sie und jede Berührung durch seine Hand war wie ein sensorischer Stromstoß. Die zurecht gelegte Frage blieb ihr in der Kehle stecken, als wäre diese zu eng.
War es ihr zuvor schon wichtig gewesen, für sich selbst gut gekleidet zu sein, in dem Bewusstsein täglich Kunden gegenüber zu treten, so legte sie nun noch mehr Wert darauf. Akribisch achtete sie auf Abwechslung, auf die richtige Kombination von Kleid, Schuhen und Handtasche. Um von ihren etwas fülligeren Hüften abzulenken trug sie Blusen und Kleider, die ihr schönes Dekollete und ihren festen Busen betonten. Ob ihm gefiel, was er sah? Mochte er ihre Sommersprossen, die vorwitzige Stupsnase und ihre freche rostrote Mähne?
Es gab einige Gemeinsamkeiten zwischen ihnen, aber auch viele Unterschiede, soviel hatte sich inzwischen heraus kristallisiert. Es war interessant, mit ihm zu diskutieren und seine Meinung kennenzulernen. Er hatte ihr erzählt, dass er eine Firma besäße, die Sonnenkollektoren herstelle – Sabrina hatte nicht alles verstanden, was er ihr zu ihrem Verständnis erklärt hatte. Er war gebildet und belesen. Zwei bis drei der großen Tageszeitungen gehörten zu seinem täglichen Programm. Nur diese Art spezieller Romane passten für Sabrina nicht ins Gesamtbild, auch wenn Jo behauptete, СКАЧАТЬ