Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac страница 6

Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

isbn:

СКАЧАТЬ Phil­ipp, ver­stehst du denn nicht mehr Fran­zö­sisch? Du hast je­den­falls dei­nen Geist in Si­bi­ri­en ge­las­sen«, ent­geg­ne­te der di­cke Mann und warf einen ko­mi­schen Schmer­zens­blick auf einen Pfos­ten, der hun­dert Schrit­te da­von sich er­hob.

      »Ich ver­ste­he«, er­wi­der­te Phil­ipp, nahm sei­ne Flin­te, er­hob sich plötz­lich, sprang mit ei­nem ein­zi­gen Satz in das Feld hin­über und eil­te zu dem Pfos­ten hin. »Hier­her, d’Al­bon, hier­her! Halb­links!« rief er sei­nem Ge­fähr­ten zu und zeig­te ihm mit ei­ner Hand­be­we­gung einen brei­ten ge­pflas­ter­ten Weg. »Von Bail­let nach Ile-Adam« fuhr er fort; »dann wer­den wir also in die­ser Rich­tung den Weg nach Cassan fin­den, der sich von dem nach Ile-Adam ab­zwei­gen muß.

      »Das stimmt, mein lie­ber Oberst , sag­te Herr d’Al­bon und setz­te sei­ne Müt­ze, mit der er sich Luft zu­ge­fä­chelt hat­te, wie­der auf den Kopf.

      »Also vor­wärts, mein ver­eh­rungs­wür­di­ger Rat, er­wi­der­te der Oberst Phil­ipp und pfiff den Hun­den, die ihm schon bes­ser zu ge­hor­chen schie­nen als dem Be­am­ten, dem sie ge­hör­ten.

      »Wis­sen Sie, mein Herr Mar­quis,« be­gann der Of­fi­zier spot­tend, »daß wir noch mehr als zwei Mei­len vor uns ha­ben? Das Dorf, das wir dort un­ten se­hen, muß Bail­let sein.

      »Gro­ßer Gott!« rief der Mar­quis d’Al­bon aus, »ge­hen Sie nach Cassan, wenn Ih­nen das Ver­gnü­gen macht, aber Sie wer­den dann ganz al­lein ge­hen. Ich zie­he vor, hier trotz des Ge­wit­ters ein Pferd ab­zu­war­ten, das Sie mir aus dem Schloß schi­cken wer­den. Sie ha­ben sich über mich mo­kiert, Sucy. Wir hät­ten einen net­ten klei­nen Jagd­aus­flug ma­chen, uns nicht von Cassan ent­fer­nen, die Ter­rains, die ich ken­ne, ab­su­chen sol­len. Na, an­statt daß wir un­sern Spaß da­bei ha­ben, las­sen Sie mich wie einen Jagd­hund seit vier Uhr mor­gens lau­fen, und wir ha­ben als gan­zes Früh­stück nur zwei Tas­sen Milch ge­habt! Ach, wenn Sie je­mals einen Pro­zeß bei Ge­richt ha­ben soll­ten, dann wer­de ich Sie ihn ver­lie­ren las­sen, wenn Sie auch hun­dert­mal Recht hät­ten!«

      Und mut­los setz­te sich der Jä­ger auf einen der Stei­ne am Fuße des Pfos­tens, leg­te sei­ne Flin­te und sei­ne lee­re Jagd­ta­sche ab und stieß einen lan­gen Seuf­zer aus.

      »So sind dei­ne De­pu­tier­ten, Frank­reich!« rief der Oberst von Sucy la­chend. »Ach, mein ar­mer Al­bon, wenn Sie, wie ich, sechs Jah­re tief in Si­bi­ri­en ge­we­sen wä­ren! …

      Er vollen­de­te den Satz nicht und blick­te zum Him­mel auf, als ob sei­ne Lei­den ein Ge­heim­nis zwi­schen Gott und ihm wä­ren.

      »Vor­wärts! Wei­ter!« füg­te er hin­zu. »Wenn Sie hier sit­zen blei­ben, sind Sie ver­lo­ren.«

      »Was wol­len Sie, Phil­ipp? Das ist so eine alte Ge­wohn­heit bei ei­nem Be­am­ten! Auf Ehre, ich bin voll­kom­men er­schöpft! Wenn ich we­nigs­tens noch einen Ha­sen ge­schos­sen hät­te!«

      Die bei­den Jä­ger bo­ten einen sel­te­nen Ge­gen­satz dar. Der De­pu­tier­te war ein Mann von zwei­und­vier­zig Jah­ren und schi­en nicht äl­ter als drei­ßig zu sein, wäh­rend der drei­ßig­jäh­ri­ge Of­fi­zier we­nigs­tens vier­zig alt zu sein schi­en. Bei­de tru­gen die rote Ro­set­te, das Ab­zei­chen der Of­fi­zie­re der Ehren­le­gi­on. Et­li­che Lo­cken, schwarz und weiß wie der Flü­gel ei­ner Els­ter, stahlen sich un­ter der Jagd­müt­ze des Obers­ten her­vor; schö­ne blon­de Haar­wel­len schmück­ten die Schlä­fen des Rich­ters. Der eine war von ho­hem Wuchs, ma­ger, schlank, ner­vös, und die Run­zeln sei­nes wei­ßen Ge­sichts deu­te­ten auf furcht­ba­re Lei­den­schaf­ten oder schreck­li­che Lei­den; der an­de­re be­saß ein von Ge­sund­heit strah­len­des Ge­sicht mit dem jo­via­len, ei­nes Epi­kurä­ers wür­di­gen Aus­druck. Bei­de wa­ren stark von der Son­ne ver­brannt, und ihre ho­hen Wild­le­der­ga­ma­schen tru­gen die Merk­ma­le al­ler Grä­ben und Sümp­fe, die sie pas­siert hat­ten, an sich.

      »Los!« rief Herr de Sucy, »vor­wärts! In ei­ner klei­nen Stun­de wer­den wir an ei­nem gut be­setz­ten Tisch sit­zen.«

      »Sie kön­nen nie­mals ge­liebt ha­ben,« er­wi­der­te der Rat mit ei­nem ko­mi­schen Aus­druck von Mit­leid, »denn Sie sind so un­er­bitt­lich wie der Ar­ti­kel 304 des Straf­ge­setz­buchs!«

      Ein hef­ti­ges Zit­tern über­fiel Phil­ipp; sei­ne brei­te Stirn run­zel­te sich; sein Ge­sicht wur­de eben­so düs­ter, wie es der Him­mel jetzt ge­wor­den war. Ob­gleich die Erin­ne­rung an ein furcht­bar bit­te­res Er­leb­nis alle sei­ne Züge ver­zerr­te, ver­goß er kei­ne Trä­ne. Wie alle star­ken Män­ner ver­moch­te er sei­ne Auf­re­gun­gen tief im Her­zen zu be­gra­ben und emp­fand viel­leicht, wie vie­le rei­ne See­len, eine Art Scham­lo­sig­keit da­bei, sei­ne Schmer­zen blos­zu­le­gen, wenn kein mensch­li­ches Wort ihre Tie­fe aus­drücken kann und man den Spott der Leu­te fürch­tet, die sie nicht ver­lie­hen wol­len. Herr d’Al­bon war eine von den zart­füh­len­den See­len, die Schmer­zen zu ah­nen wis­sen und ein leb­haf­tes Mit­ge­fühl emp­fin­den, wenn sie un­be­ab­sich­tigt durch ir­gend­ei­ne Un­ge­schick­lich­keit An­stoß er­regt ha­ben. Er ach­te­te das Schwei­gen sei­nes Freun­des, er­hob sich, ver­gaß sei­ne Mü­dig­keit und folg­te ihm schwei­gend, ganz be­trübt dar­über, eine Wun­de be­rührt zu ha­ben, die wahr­schein­lich nicht ver­narbt war.

      »Ei­nes Ta­ges, lie­ber Freund,« sag­te Phil­ipp zu ihm und drück­te ihm die Hand, wo­bei er ihm mit ei­nem herz­zer­rei­ßen­den Blick für sein stum­mes Mit­ge­fühl dank­te, »ei­nes Ta­ges wer­de ich dir mein Le­ben er­zäh­len. Heu­te ver­möch­te ich es nicht.«

      Schwei­gend setz­ten sie ih­ren Weg fort. Als der Schmerz des Obers­ten sich be­sänf­tigt hat­te, emp­fand der Rat sei­ne Mü­dig­keit wie­der; und mit dem In­stinkt oder viel­mehr mit dem Wil­len ei­nes er­schöpf­ten Man­nes durch­forsch­te sein Auge alle Tie­fen des Wal­des; er prüf­te die Wip­fel der Bäu­me, stu­dier­te die Wege, in der Hoff­nung, ir­gend­ei­ne Her­ber­ge zu fin­den, wo er um Gast­freund­schaft bit­ten konn­te. An ei­nem Kreuz­weg an­ge­langt, glaub­te er einen leich­ten Rauch zu ent­de­cken, der zwi­schen den Bäu­men auf­stieg. Er blieb ste­hen, sah auf­merk­sam hin und er­kann­te in­mit­ten ei­ner rie­si­gen Baum­grup­pe die grü­nen dunklen Zwei­ge et­li­cher Fich­ten. »Ein Haus! Ein Haus!« rief er mit dem­sel­ben Ver­gnü­gen, mit dem ein Schif­fer ge­ru­fen hät­te: » Land, Land!«

      Dann eil­te er schnell durch eine dich­te Baum­grup­pe, und der Oberst, der in eine tie­fe Träu­me­rei ver­sun­ken war, folg­te ihm me­cha­nisch.

      »Ich will mich lie­ber hier mit ei­ner Ome­let­te, Haus­brot und ei­nem Stuhl be­gnü­gen, als nach Cassan wei­ter­ge­hen, um dort Di­wans, Trüf­feln und Bor­deaux­wein zu fin­den.«

      Das war der be­geis­ter­te Aus­ruf des Ra­tes beim An­blick ei­ner Mau­er, de­ren weiß­li­che Far­be sich weit­hin von der brau­nen Mas­se der knor­ri­gen Stäm­me des Wal­des ab­hob.

      »Ei, ei! Das sieht mir aus wie ir­gend­ei­ne alte Prio­rei«, rief der Mar­quis d’Al­bon von neu­em, als er vor ei­nem СКАЧАТЬ