Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ Phil­ipp aus.

      »Sie war nackt ge­blie­ben«, er­wi­der­te der Me­di­zi­ner. Der Oberst mach­te eine Schre­ckens­ge­bär­de und er­bleich­te; der Dok­tor glaub­te in die­ser Bläs­se ei­ni­ge bö­sen Sym­pto­me zu er­ken­nen: er faß­te ihm den Puls und fand ihn ei­nem hef­ti­gen Fie­ber aus­ge­lie­fert; auf ernst­li­ches Drän­gen ge­lang es ihm, ihn ins Bett zu brin­gen, und er be­rei­te­te ihm eine leich­te Do­sis Opi­um, um ihm einen ru­hi­gen Schlaf zu ver­schaf­fen. So ver­lie­fen un­ge­fähr acht Tage, wäh­rend de­ren der Baron von Sucy oft mit töd­li­cher Angst kämpf­te; bald fan­den sei­ne Au­gen kei­ne Trä­nen mehr. Sei­ne oft er­schüt­ter­te See­le ver­moch­te sich nicht an das Schau­spiel zu ge­wöh­nen, das ihm der Irr­sinn der Grä­fin dar­bot; aber er fand sich in ge­wis­sem Sin­ne mit der grau­sa­men Lage ab und er­blick­te in sei­nem Schmer­ze einen Trost. Sein He­ro­is­mus kann­te kei­ne Gren­zen. Er fand den Mut, Ste­pha­nie zu zäh­men, in­dem er ihr Sü­ßig­kei­ten aus­such­te; er gab sich sol­che Mühe, ihr die­se Nah­rung her­bei­zu­brin­gen, er ver­stand es, die be­schei­de­nen Erobe­run­gen, die er dem In­stinkt sei­ner Ge­lieb­ten die­sen letz­ten Rest ih­rer In­tel­li­genz auf­drän­gen woll­te, so vor­sich­tig ab­zu­mes­sen, daß es ihm ge­lang, sie ver­trau­li­cher zu ma­chen, als sie es je­mals ge­we­sen war.

      Der Oberst stieg je­den Mor­gen in den Park hin­un­ter; und wenn er, nach­dem er lan­ge Zeit nach der Grä­fin ge­sucht hat­te, nicht ah­nen konn­te, auf wel­chem Baum sie sich leicht wieg­te, noch in wel­chem Win­kel sie ge­klet­tert war, um hier mit ei­nem Tier zu spie­len, noch auf wel­ches Dach sie ge­klet­tert war, so pfiff er den be­rühm­ten Marsch: Par­tant pour la Sy­rie, wor­an sich die Erin­ne­rung an eine Sze­ne ih­rer Lie­be ket­te­te. So­gleich lief Ste­pha­nie mit der Leich­tig­keit ei­nes jun­gen Rehs her­bei. Es war ihr so na­tür­lich ge­wor­den, den Obers­ten zu se­hen, daß er sie nicht mehr er­schreck­te; bald ge­wöhn­te sie sich dar­an, sich ne­ben ihn zu set­zen, ihn mit ih­rem ma­ge­ren be­weg­li­chen Arm zu um­fas­sen. In die­ser, den Lie­ben­den so teu­ren Hal­tung, gab ihr Phil­ipp lang­sam ei­ni­ges Zucker­zeug, für das die Grä­fin eine Vor­lie­be hat­te. Wenn sie al­les auf­gen­ascht hat­te, ge­sch­ah es zu­wei­len, daß Ste­pha­nie die Ta­schen ih­res Freun­des mit Ges­ten durch­forsch­te, die die me­cha­ni­sche Schnel­lig­keit ei­nes Af­fen zeig­ten. Wenn sie ganz si­cher war, daß er nichts mehr dar­in hat­te, be­trach­te­te sie Phil­ipp mit kla­rem Auge, ohne Ge­dan­ken, ohne ein Wie­de­rer­ken­nen; sie spiel­te dann mit ihm; sie ver­such­te dann, ihm die Stie­fel weg­zu­neh­men, um sei­nen Fuß an­zu­se­hen, sie zer­riß sei­ne Hand­schu­he, setz­te sei­nen Hut auf; sie ließ ihn sei­ne Hän­de in ihr Haar ste­cken, er­laub­te ihm, sie in sei­ne Arme zu neh­men, und emp­fing ohne Ver­gnü­gen glü­hen­de Küs­se. End­lich sah sie ihn schwei­gend an, wenn er Trä­nen ver­goß; sie be­griff wohl den Pfiff von Par­tant pour la Sy­rie, aber es woll­te ihm nicht ge­lin­gen, sie ih­ren ei­ge­nen Na­men »Ste­pha­nie« aus­spre­chen zu las­sen. Phil­ipp wur­de bei sei­nem schreck­li­chen Un­ter­neh­men in ei­ner Hoff­nung fest­ge­hal­ten, die ihn nie­mals ver­ließ. Wenn er an ei­nem schö­nen Herbst­vor­mit­tag die Grä­fin ru­hig auf ei­ner Bank sit­zend sah, un­ter ei­nem gelb ge­wor­de­nen Pap­pel­baum, la­ger­te sich der arme Lie­ben­de zu ih­ren Fü­ßen und sah ihr so lan­ge in die Au­gen, als sie ihn hin­ein­se­hen ließ, in der Hoff­nung, daß das Licht, das ihr dar­aus ent­schlüpf­te, wie­der zur Ver­nunft wer­den wür­de. Manch­mal bil­de­te er sich et­was ein: er glaub­te die har­ten und un­be­weg­li­chen Züge von neu­em zit­ternd, weich und le­ben­dig wer­den zu se­hen und rief aus: »Ste­pha­nie! Ste­pha­nie! Du ver­stehst mich, du siehst mich!« Aber sie hör­te den Ton sei­ner Stim­me wie ein Geräusch, wie die Wir­kung des Win­des, der die Bäu­me be­weg­te, wie das Brül­len der Kuh, auf die sie klet­ter­te; und der Oberst rang ver­zwei­felt sei­ne Hän­de, im­mer von neu­en ver­zwei­felt. Die Zeit und sei­ne ver­geb­li­chen Ver­su­che ver­mehr­ten nur sei­nen Schmerz. Ei­nes Abends, bei ru­hi­gem Him­mel und in­mit­ten des Schwei­gens und Frie­dens des länd­li­chen Asyls, be­merk­te der Dok­tor von fern, wie der Oberst eine Pis­to­le lud. Der alte Arzt be­griff, daß Phil­ipp kei­ne Hoff­nung mehr hat­te; er fühl­te, wie al­les Blut ihm zu Her­zen floß, und wenn er den Schwin­del, der sich sei­ner be­mäch­tig­te, wi­der­stand, so ge­sch­ah es, weil er lie­ber sei­ne Nich­te le­bend und irre se­hen woll­te als tot. Er lief her­zu.

      »Was ma­chen Sie da?« sag­te er.

      »Das ist für mich,« ant­wor­te­te der Oberst und zeig­te auf eine ge­la­de­ne Pis­to­le auf der Bank, »und die dort ist für sie!« füg­te er hin­zu und schob die Ku­gel in die Waf­fe, die er hielt.

      Die Grä­fin lag auf der Erde aus­ge­streckt und spiel­te mit den Ku­geln.

      »Sie wis­sen also nicht,« sag­te kalt der Arzt, der sei­nen Schre­cken ver­barg, »daß sie heu­te Nacht im Schla­fe ge­sagt hat: Phil­ipp?«

      »Sie hat mei­nen Na­men ge­nannt!« rief der Baron und ließ sei­ne Pis­to­le zur Erde fal­len, die Ste­pha­nie wie­der auf­hob; aber er ent­riß sie ih­ren Hän­den, be­mäch­tig­te sich der­je­ni­gen, die sich auf der Bank be­fand, und ret­te­te sich.

      »Arme Klei­ne!« rief der Arzt aus, glück­lich über den Er­folg, den sei­ne List ge­habt hat­te. Er drück­te die Irre an sei­nen Bu­sen und fuhr fort: »Er hät­te sie ge­tö­tet, der Ego­ist! Er will dir den Tod ge­ben, weil er sel­ber lei­det. Er ver­steht es nicht, dich um dei­net­wil­len zu lie­ben, mein Kind! Wir wer­den ihm ver­ge­ben, nicht wahr? Er ist un­sin­nig, und du, du bist nur irre. Gott, mein Lieb­ling, soll dich al­lein an ihn er­in­nern. Wir hal­ten dich für un­glück­lich, weil du an un­se­rem Elend nicht teil­nimmst, tö­richt wie wir sind! Du aber,« sag­te er und setz­te sie auf sei­ne Knie, »du bist glück­lich, nichts stört dich; du lebst wie eine Hirsch­kuh.«

      Sie sprang auf eine jun­ge Am­sel los, die hüpf­te, pack­te sie mit ei­nem klei­nen Schrei der Ge­nug­tu­ung, er­stick­te sie, sah die Tote an und ließ sie am Fuße ei­nes Bau­mes lie­gen, ohne wei­ter an sie zu den­ken.

      Als der nächs­te Mor­gen tag­te, stieg der Oberst in die Gär­ten hin­ab. Er such­te Ste­pha­nie, er glaub­te an sein Glück; und als er sie nicht fand, pfiff er nach ihr. Als die Ge­lieb­te her­an­ge­kom­men war, nahm er sie beim Arm und ging mit ihr zum ers­ten­mal in glei­chem Schritt, sie be­ga­ben sich in ein Ge­sträuch ver­blü­hen­der Bäu­me, von de­nen im Mor­gen­win­de Blät­ter her­ab­fie­len. Der Oberst setz­te sich, und Ste­pha­nie lehn­te sich von selbst an ihn. Phil­ipp zit­ter­te vor Freu­de.

      »Mei­ne Ge­lieb­te,« sag­te er und küß­te mit glü­hen­der Lie­be die Hän­de der Grä­fin, »ich bin Phil­ipp.«

      Sie sah ihn voll Neu­gier­de an.

      »Komm«, füg­te er hin­zu und preß­te sie an sich. »Fühlst du, wie mein Herz schlägt? Es hat nur für dich ge­schla­gen. Ich lie­be dich noch im­mer … Phil­ipp ist nicht tot: er ist hier … Du bist bei ihm … Du bist mei­ne Ste­pha­nie, und ich bin dein Phil­ipp.«

      »Adieu!« sag­te sie, »adieu!«

      Der Oberst er­zit­ter­te, denn er glaub­te zu be­mer­ken, daß sei­ne Er­re­gung sich sei­ner Ge­lieb­ten mit­teil­te. Sein zer­rei­ßen­der СКАЧАТЬ