Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ Aber er be­gann zu lä­cheln und ließ sich eine leich­te Be­we­gung der Ungläu­big­keit ent­schlüp­fen. Nie­mand wag­te es, dem Plan des Obers­ten sich zu wi­der­set­zen. Nach we­ni­gen Stun­den be­fand er sich in der al­ten Prio­rei bei dem Arz­te und der Grä­fin von Van­dières.

      »Wo ist sie?« rief er aus, als er an­kam.

      »Still!« ant­wor­te­te ihm Ste­pha­nies On­kel. »Sie schläft. Dort ist sie.«

      Phil­ipp sah die arme Irre in der Son­ne auf ei­ner Bank nie­der­ge­hockt. Ihr Kopf war ge­gen die Hit­ze der Luft durch einen Wald ver­wirr­ter Haa­re auf ih­rem Ge­sicht ge­schützt; ihre Arme hin­gen gra­zi­ös bis auf die Erde hin­ab; ihr Kör­per lag in reiz­vol­ler Stel­lung wie der ei­ner Hirsch­kuh; ihre Füße wa­ren ohne Mühe un­ter ihr zu­sam­men­ge­bo­gen; ihr Bu­sen hob sich in re­gel­mä­ßi­gen In­ter­val­len; ihre Haut, ihr Teint wies die Por­zel­lan­bläs­se, die wir so sehr auf den Ge­sich­tern von Kin­dern be­wun­dern. Un­be­weg­lich ne­ben ihr ste­hend, in der Hand einen Zweig, den Ste­pha­nie zwei­fel­los von dem höchs­ten Wip­fel ei­nes Pap­pel­baums ab­ge­pflückt hat­te, be­weg­te die Idio­tin sanft die Blät­ter über ih­rer ein­ge­schla­fe­nen Ge­fähr­tin, um die Flie­gen zu ver­ja­gen und die Luft zu er­fri­schen. Die Bäue­rin be­trach­te­te Herrn Fan­jat und den Obers­ten; dann, wie ein Tier, das sei­nen Herrn er­kannt hat, wand­te sie lang­sam den Kopf der Grä­fin zu und fuhr fort, über ihr zu wa­chen, ohne das ge­rings­te Zei­chen von Er­stau­nen oder Ver­ständ­nis zu ge­ben. Die Luft war glü­hend. Die Stein­bank schi­en zu fun­keln, und die Wie­se strahl­te dem Him­mel die­se ru­he­lo­sen Düf­te ent­ge­gen, die über den Kräu­tern flim­mern und glü­hen wie ein gol­de­ner Staub; aber Ge­no­ve­fa schi­en die ver­zeh­ren­de Hit­ze nicht zu spü­ren. Der Oberst drück­te hef­tig die Hän­de des Arz­tes in den sei­ni­gen. Aus den Au­gen des Sol­da­ten roll­ten Trä­nen die männ­li­chen Wan­gen ent­lang und fie­len auf den Ra­sen zu Ste­pha­nies Fü­ßen.

      »Mein Herr,« sag­te der On­kel, »jetzt sind es zwei Jah­re her, daß mir täg­lich das Herz bre­chen will. Bald wer­den Sie so weit sein wie ich. Wenn Sie nicht mehr wei­nen, so wer­den Sie Ihren Schmerz nicht um so we­ni­ger emp­fin­den.«

      »Sie ha­ben für sie ge­sorgt?« sag­te der Oberst, des­sen Bli­cke eben­so­viel Dank­bar­keit wie Ei­fer­sucht aus­drück­ten.

      Die bei­den Män­ner ver­stan­den sich; und in­dem sie sich von neu­em die Hand drück­ten, blie­ben sie un­be­weg­lich in der Be­trach­tung der herr­li­chen Ruhe, die der Schlaf über die­ses ent­zücken­de We­sen aus­brei­te­te. Von Zeit zu Zeit stieß Ste­pha­nie einen Seuf­zer aus, und die­ser Seuf­zer, der alle An­zei­chen des Ge­fühls zeig­te, ließ den un­glück­li­chen Obers­ten vor Freu­de er­zit­tern.

      »Ach,« sag­te Herr Fan­jat lei­se zu ihm, »täu­schen Sie sich nicht, mein Herr, Sie se­hen sie jetzt bei vol­ler Ver­nunft.«

      Wer je vol­ler Ent­zücken da­mit be­schäf­tigt war, gan­ze Stun­den lang eine zärt­lich ge­lieb­te Per­son schla­fen zu se­hen, de­ren Au­gen im Schla­fe lä­cheln müß­ten, wird zwei­fel­los das süße und furcht­ba­re Ge­fühl be­grei­fen, das den Obers­ten be­weg­te. Für ihn war der Schlaf eine Vor­spie­ge­lung; das Er­wa­chen muß­te für ihn den Tod be­deu­ten, und zwar den schreck­lichs­ten al­ler Tode. Plötz­lich lief eine jun­ge Zie­ge in drei Sprün­gen auf die Bank zu und wit­ter­te Ste­pha­nie, wel­che das Geräusch er­weck­te; sie rich­te­te sich leicht auf den Fü­ßen auf, ohne daß die­se Be­we­gung das lau­ni­sche Tier er­schreck­te; aber als sie Phil­ipp be­merk­te, floh sie, von ih­rem vier­fü­ßi­gen Ge­fähr­ten ge­folgt, bis zu ei­ner Hol­lun­der­he­cke; dann ließ sie einen klei­nen wil­den Vo­gel­schrei hö­ren, den der Oberst nahe beim Git­ter schon ge­hört hat­te, wo die Grä­fin Herrn d’Al­bon zum ers­ten­mal er­schie­nen war. Schließ­lich klet­ter­te sie auf einen wil­den Eben­holz­baum, hock­te sich in dem grü­nen Gip­fel die­ses Bau­mes fest und fing an, den »Un­be­kann­ten« mit der Neu­gier der Nach­ti­gal­len des Wal­des zu be­trach­ten.

      »Adieu, adieu, adieu!« sag­te sie, ohne daß ihre See­le die­sem Wor­te eine Be­to­nung ver­lieh.

      Es war die Gleich­gül­tig­keit ei­nes in der Luft sin­gen­den Vo­gels.

      »Sie er­kennt mich nicht mehr! rief der ver­zwei­fel­te Oberst. »Ste­pha­nie! Das ist ja Phil­ipp, dein Phil­ipp, Phil­ipp!«

      Und der arme Sol­dat sprang auf den Baum zu; aber als er drei Schritt von ihm ent­fernt war, sah ihn die Grä­fin an, wie um ihm zu trot­zen, ob­wohl ein furcht­sa­mer Aus­druck in ih­rem Auge er­schi­en; dann ret­te­te sie sich von dem Eben­holz­baum auf eine Aka­zie, und von da auf eine nor­di­sche Tan­ne, wo sie sich von Zweig zu Zweig mit un­er­hör­ter Leich­tig­keit wieg­te.

      »Ver­fol­gen Sie sie nicht«, sag­te Herr Fan­jat zu dem Obers­ten. »Sie könn­ten zwi­schen ihr und sich einen un­über­wind­li­chen Zwie­spalt auf­rich­ten; ich wer­de Ih­nen hel­fen, sie ken­nen­zu­ler­nen und sie zu zäh­men. Kom­men Sie auf die­se Bank hier. Wenn Sie Ihre Auf­merk­sam­keit nicht auf die­se arme Irre rich­ten, dann wer­den Sie sie bald un­merk­lich nä­her kom­men se­hen, um Sie zu prü­fen.«

      »Sie! Mich nicht wie­der­er­ken­nen und mich flie­hen!« wie­der­hol­te der Oberst und lehn­te den Rücken ge­gen einen Baum, des­sen Blät­ter eine länd­li­che Bank be­schat­te­ten. Der Dok­tor ver­harr­te still­schwei­gend.

      Bald kam die Grä­fin von dem Gip­fel der Tan­ne sach­te von oben her­ab, in­dem sie wie ein Irr­licht her­ab­schwank­te und sich zu­wei­len mit den Re­gun­gen des Win­des mit­ge­hen ließ, die er den Bäu­men mit­teil­te. Bei je­dem Aste hielt sie still, um nach dem Frem­den aus­zu­spä­hen; aber da sie ihn un­be­weg­lich sah, sprang sie schließ­lich auf das Gras, stell­te sich auf­recht und kam mit lang­sa­mem Schritt quer über die Wie­se auf ihn zu. Als sie an ei­nem Baum, un­ge­fähr zehn Fuß von der Bank ent­fernt stand, sag­te Herr Fan­jat lei­se zu dem Obers­ten:

      »Neh­men Sie vor­sich­tig in mei­ner rech­ten Ta­sche et­li­che Stücke Zu­cker und zei­gen Sie sie ihr, sie wird dann nä­her kom­men; ich wer­de zu Ihren Guns­ten auf das Ver­gnü­gen ver­zich­ten, ihr ei­ni­ge Le­cke­rei­en zu ver­schaf­fen. Mit Un­ter­stüt­zung des Zuckers wird sie Sie lei­den­schaft­lich lie­ben, Sie wer­den sie ge­wöh­nen, Ih­nen nä­her zu kom­men und Sie wie­der zu er­ken­nen.«

      »Als sie ein ech­tes Weib war,« ant­wor­te­te Phil­ipp trau­rig, »hat­te sie gar kei­nen Ge­schmack für Sü­ßig­kei­ten.«

      Als der Oberst Ste­pha­nie mit dem Stück­chen Zu­cker wink­te, das er ihr mit dem Dau­men und Zei­ge­fin­ger der rech­ten Hand hin­hielt, stieß sie einen neu­en wil­den Schrei aus und eil­te auf Phil­ipp zu; dann blieb sie ste­hen, von der in­stink­ti­ven Furcht be­wegt, die sich ihr auf­dräng­te; ab­wech­selnd be­trach­te­te sie den Zu­cker und wand­te den Kopf ab, wie die arm­se­li­gen Hun­de, de­nen die Her­ren ver­bie­ten, an ein Ge­richt zu rüh­ren, be­vor man ih­nen einen der letz­ten Buch­sta­ben des Al­pha­bets nennt, das man lang­sam re­zi­tiert hat. End­lich sieg­te die tie­ri­sche Lei­den­schaft über die Furcht: Ste­pha­nie СКАЧАТЬ