Herz gegen Vernunft. Nora Wolff
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Название: Herz gegen Vernunft

Автор: Nora Wolff

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Co-Working-Space

isbn: 9783958238459

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СКАЧАТЬ war die Anziehung ja nur spontan. Vielleicht hat er mich vergessen, sobald er morgen die erste Pizza ausliefert – oder dieses Gebäude verlassen hat.

      Sowieso schließen sich daran so viele Fragen an. Wann genau arbeitet er bei Tonis Trattoria? Warum gibt er mir nicht gleich seine Handynummer? Will er wirklich mit mir schlafen? Hat Kev ihn vielleicht doch bezahlt?

      »Ich behalt's im Hinterkopf«, sage ich vage, woraufhin er zufrieden nickt und zum Abschied auf meinen Schreibtisch klopft.

      »Mach nicht mehr so lange. Du bist wirklich süß, aber ohne die Augenringe siehst du bestimmt noch besser aus.«

      Kapitel 4

      »Ich meine, wenn ich schon das Geld in die Hand nehme und so einen Kurs besuche, dann lasse ich doch das Handy in der Tasche oder schaue zumindest nicht die ganze Zeit drauf.« Anita nimmt sich noch eine Scheibe vom Schweinebraten.

      »Du bekommst das Geld für den Kurs im Voraus, oder?« Mein Vater verzichtet auf ein weiteres Stück Fleisch, nimmt sich stattdessen noch einen Kartoffelknödel und ertränkt ihn in Soße.

      »Natürlich. Aber es geht ums Prinzip. Wenn ich meine Freizeit schon dafür opfere, anderen etwas beizubringen, sollen sie mir gefälligst auch zuhören und nicht Candy Crush spielen oder chatten oder was weiß ich.«

      »Dann opfere deine Freizeit nicht für einen nutzlosen VHS-Kurs. Wir haben in der Firma weiß Gott genug zu tun.« Er sieht mich mit einem bezeichnenden Blick an. »Oder sieht dein Bruder endlich ein, dass er sich in einer fixen Idee verrannt hat?«

      Ich seufze und werfe einen unauffälligen Blick auf die Uhr an der Wand. Ganze dreizehn Minuten hat er es geschafft, das Thema nicht anzusprechen. Das ist fast ein neuer Rekord, nur übertroffen von den siebzehn Minuten vorletzte Woche.

      »Es ist keine fixe Idee.«

      »Natürlich ist es das. Hör endlich auf, dir was vorzumachen, und komm zurück. Auf deinem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit.«

      Das bezweifle ich nicht. Solange der Kunde zahlt, nimmt mein Vater jeden Auftrag an. Von Frau Schmidt, die sich beim Öffnen eines unbekannten E-Mail-Anhangs einen Trojaner eingefangen hat, über Herrn Müller, der beim Onlinekauf einer Software in eine Abofalle getappt ist, bis hin zu Buchhalter Hauser, der einer gefakten Aktualisierung aufgesessen ist und das Firmennetzwerk seines mittelständischen Unternehmens mit einem Virus verseucht hat.

      »Ist das nicht langweilig?«, höre ich die angenehme Stimme des Pizzaboten in meinem Kopf.

      Oh Gott, ja, und wie.

      Es war nicht nur der Wunsch, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und mich aus dem Familienunternehmen – allen voran von meinem Vater – zu lösen, der mich in die Selbstständigkeit geführt hat.

      Es war auch der Versuch, nicht vor Langeweile zu sterben.

      In der Hoffnung auf einen Themenwechsel wende ich mich an meine Mutter. Mit den blonden Haaren und den blau-grauen Augen sehe ich ihr deutlich ähnlicher als unserem Vater. Bei Anita ist es genau umgekehrt.

      »Das Essen schmeckt heute wirklich gut. Viel besser als letzte Woche. Wo hast du es her?«

      Unsere Mutter hat nie besonders gut oder gerne gekocht und ihre Bemühungen komplett eingestellt, als Anita und ich ausgezogen sind. Unseren Vater hätte nicht mal die Aussicht auf lebenslang kostenlosen Onlinespeicher an den Herd gelockt. Trotzdem halten sie an dem sonntäglichen Familienessen fest, auch wenn es sich für mich gerade zunehmend nach einem Überwachungstool anfühlt.

      »Aus der Goldenen Gans am Ende der Straße. Gute, bodenständige Küche. Man kann eine Wunschabholzeit vereinbaren, wenn man früh genug bestellt.«

      »Falls es irgendwann mal besser passt, weißt du ja, wo du Pizza bestellen musst.«

      Sein freches Grinsen vor meinem geistigen Auge versuche ich schnell zu verdrängen – nicht zum ersten Mal seit unserer nächtlichen Begegnung. Der sexy Pizzabote hat sich in meinem Kopf festgesetzt wie ein besonders hartnäckiger Cookie in einem Browser, den man mit den üblichen Hilfsmitteln nicht wieder loswird.

      Ein sehr verführerischer Cookie. Lecker, knusprig, süß. Vor allem, weil sein Interesse an mir wohl tatsächlich aufrichtig gewesen ist. Gleich am nächsten Tag habe ich nämlich Kev geradeheraus gefragt, ob er ihn bezahlt hat – und schnaubendes Gelächter dafür geerntet.

      »Wie bitte, was?« Kev hat sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel gewischt. »Wie zum Teufel kommst du auf so einen Schwachsinn? Dafür ist mir meine Kohle echt zu schade. Ich bin doch kein Zuhälter. Sekunde.« Verblüfft hat er mich angeblinzelt. »Der Hottie hätte mit dir gevögelt und du hast abgelehnt? Mann, Anton. Dir ist echt nicht mehr zu helfen.«

      Das Schlimme ist: Je länger mir der Pizzabote im Kopf herumspukt, desto mehr muss ich Kev zustimmen. Was hätte ich zu verlieren gehabt? An diesem Abend habe ich eh kaum noch was geschafft, sondern nur meine Pizza gegessen. Und den verdammten Fehler im Code habe ich auch erst am Morgen danach gefunden.

      Eine halbe Stunde Auszeit. Hoffentlich ein Orgasmus. Vielleicht sogar Spaß. Etwas abschalten. Was wäre schon dabei gewesen?

      »Anton!«

      Mit einem Ruck sitze ich wieder mit meiner Familie am Esstisch, statt mir vorzustellen, wie ich noch mal bei Tonis Trattoria anrufe und die Spezialpizza bestelle. Wer weiß schon, ob derselbe Mann die Auslieferung fahren würde? Ob er noch Lust hätte?

      »Siehst du!« Anita zeigt auf mich wie auf die Musterlösung einer schwierigen Programmieraufgabe. »Genau so was meine ich. Es ist frustrierend, wenn man sich den Mund fusselig redet und niemand hört einem zu.«

      »Ich höre zu.« Ich sehe meinen Vater wieder an, der streng die Augenbrauen zusammengezogen hat. »Ich war nur gerade... Was hast du gesagt?«

      »Wenn du bei deiner App auch die ganze Zeit Löcher in die Luft starrst, wundert es mich nicht, dass du nicht vorankommst. Du hast nach der Uni noch nicht mal ein volles Jahr bei mir gearbeitet. Dir fehlt die Disziplin für eine Selbstständigkeit.«

      Dass ich es kein ganzes Jahr bei ihm ausgehalten habe, hat nicht an mangelnder Disziplin gelegen, sondern neben den eintönigen Aufgaben vor allem an seiner Art. So, wie er alles kontrolliert und überwacht, könnte er genauso gut Roboter anstellen.

      »Ich komme voran. Und ich arbeite sehr hart und diszipliniert an meiner App. Du kannst meinen Schreibtisch also gerne neu besetzen.«

      Mein Vater schnaubt und verschränkt die Arme vor der Brust. »Dein Schreibtisch wartet auf dich, bis du wieder zurück bist. Die Arbeit darauf übrigens auch und die wird in der Zeit nicht weniger.«

      Es macht mich wahnsinnig, dass er die ganze Zeit redet, als würde ich nächste Woche wieder bei ihm anfangen. Trotzdem versuche ich, ruhig zu bleiben. »Ich komme nicht zurück. Wenn meine App –«

      »Deine App, deine App.« Mein Vater wirft die Hände in die Luft. »Das ist alles, was ich höre, aber du hast nichts Konkretes. Keinen Namen, kein Konzept, kein Design, keinen Code –«

      »Ich arbeite am Code«, unterbreche ich ihn mit etwas mehr Nachdruck. Allmählich geht mir dieses Thema an die Substanz. »Und an allem anderen. Außerdem habe ich ein Büro. Ich verlasse jeden Morgen genau wie ihr das Haus und komme abends erst spät СКАЧАТЬ