Название: Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King
Автор: Andreas Suchanek
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
Серия: Ein MORDs-Team - Der komplette Fall
isbn: 9783958344013
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»Ja gut. Ich bin sofort da«, hörte sie ihre Mum auf Englisch sagen. Sie kam mit dem Telefon aus der Küche gelaufen und trug noch ihre Schürze, mit der sie immer kochte. »Mum ist die Beste«, stand in großen roten Lettern drauf.
»Was ist denn passiert?«, fragte Olivia. Ihre Mutter sah schrecklich aus. Die sonst so lebhaften Augen lagen blass und dunkel in den Höhlen, ihre graumelierten Haare standen in alle Richtungen ab und ihre Hände zitterten. Olivia hatte sofort einen Verdacht. »Ist etwas mit Dad?«
Mum nickte. »Er ist schon wieder auf der Arbeit zusammengebrochen und im Krankenhaus. Ich muss zu ihm.«
»Oh nein …« Das war schon das dritte Mal in den letzten zwei Wochen. »Wieder sein Magen?«
»Vermutlich«, sagte ihre Mum und holte ihre Handtasche aus dem Wandschrank neben der Haustür. Ihre Finger zitterten so stark, dass sie kaum den Reißverschluss öffnen konnte.
»Lass mich das machen«, sagte Olivia und half ihr.
Ihre Mum wischte sich eine Träne weg. »Gracias, cariño.« Sie fischte einen Umschlag aus ihrer Handtasche. »Tu mir einen Gefallen und bring den Umschlag zu Mister Cohen. Ich würde es selbst machen, aber ich …«
»Schon gut, ich übernehme das natürlich.«
»Gib ihm das persönlich, nicht seiner Assistentin, hörst du?«
Sie reichte Olivia den Umschlag.
»Die Miete?«
»Sí. Er soll dir den Erhalt diesmal quittieren. Ich lasse mich kein zweites Mal als Lügnerin hinstellen.«
»Geht klar, Mum.« Im letzten Monat hatte sie die Miete in den Briefkasten von Mister Cohen eingeworfen, er hatte daraufhin behauptet, sie nie erhalten zu haben.
»Ach ja, Maria ist oben in ihrem Zimmer. Sie weiß bereits, was los ist, aber sie wollte nicht runterkommen. Vielleicht kannst du später mal nach ihr sehen?«
»Mach ich.«
»Ich hab dich lieb.« Ihre Mum drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. In dem Moment hupte ein Auto draußen. »Das ist mein Taxi.«
»Du hättest mein Auto nehmen können.« Die Fahrt ins Krankenhaus kostete vierzig Dollar. Geld, das sie eigentlich nicht hatten.
»Nicht doch, Liebes. Ich nehme dir doch nicht deinen mobilen Untersatz weg.«
Olivia seufzte. Wieso konnten sie nicht mehr Geld haben? Sie wollte ja gar nicht so reich sein wie Danielle, aber ein klein wenig mehr, damit sie nicht jeden Cent zweimal umdrehen mussten, würde schon genügen. »Ich hab dich auch lieb, Mum. Und bitte sag Bescheid, wenn du weißt, was mit Dad ist.«
»Natürlich. Bis bald.«
Olivia blickte ihrer Mutter nach und strich über den Umschlag. Die Miete für diese Bruchbude betrug achthundert Dollar. Ihre Mum ging dafür im Stadtarchiv putzen, ihr Dad schob eine extra Schicht nach der nächsten und trotzdem reichte das Geld kaum. Sie drückte den Umschlag an ihre Brust. Wenn sie den Wettbewerb gewinnen würde, könnte sie vorübergehend einen Teil der Miete übernehmen. Dad müsste nicht so viele Überstunden machen und könnte mal zur Ruhe kommen. Oder sich einen richtigen Arzt leisten und sich nicht nur in der Notaufnahme versorgen lassen. Außerdem war da ja noch die Praktikantenstelle bei Lucian. Die würde Olivia definitiv die nötigen Kontakte und Chancen bringen, in der Fotobranche Fuß zu fassen. Sie könnte auch etwas zum Lebensunterhalt beitragen.
Doch all das führte zurück zu ihren beiden Problemen. Erstens: Der Wettbewerb musste stattfinden. Zweitens: Sie brauchte das perfekte Bild dafür. Und das war nur möglich, wenn sie das richtige Equipment besaß. Auf einmal fühlte sich der Umschlag in ihren Händen wärmer an. Alles was sie dazu brauchte, war das Geld darin zu Ed zu tragen, das 1.4er zu kaufen, Fotos zu schießen und das Objektiv morgen wieder zurückzugeben. Sie könnte ihm sagen, dass sie nicht damit klargekommen war, dass sie es sich anders überlegt hatte. Ed würde nie merken, wie viele Fotos sie damit geschossen hatte. In Kombination mit der Kamera aus der Redaktion konnten richtig gute Bilder dabei herauskommen.
Sie steckte den Umschlag mit dem Geld in ihre Handtasche. »Ich bin gleich wieder da, Maria.«
Alles was sie als Antwort erhielt, war ein aufgedrehter Bass irgendeines neuen Liedes, das Maria zurzeit rauf und runter hörte. Das war Marias Art, mit Dads schlechter Verfassung klar zu kommen. Sich einsperren und Musik hören. Olivia würde später nach ihr sehen. Jetzt musste sie erst einmal zu Mister Cohen und sich eine gute Ausrede zurechtlegen, warum er die Miete erst ein paar Tage später erhalten würde.
*
Eine Stunde später
Olivia saß in ihrem Wagen und strich über die Ummantelung des Objektivs. Es fühlte sich kühl und schön und wertvoll an.
Das Gespräch mit Mister Cohen war besser gelaufen als erwartet.
Als er mit seinem alten 911er die Straße einbog, zog Olivia ihr Kleid zurecht (Mister Cohen mochte Kleider, vor allem, wenn sie kurz und eng saßen) und lief ihm bereits auf der Auffahrt entgegen. Sie hatte sich extra vorher etwas Wasser ins Gesicht und aufs Dekolletee gesprüht, damit es aussah, als wäre sie gerannt. Während Mister Cohen also in ihren Ausschnitt glotzte und sich überlegte, ob ihre Brüste bei der Atemgeschwindigkeit nicht aus dem Kleid hüpfen mussten, erzählte sie ihm ihre Story. Ihr Dad wäre mal wieder im Krankenhaus – was stimmte – und sie wäre den ganzen Weg hierher zurückgerannt – Lüge –, um ihm persönlich zu sagen, dass er die Miete leider erst übermorgen haben könnte. Zwischen den Sätzen machte sie immer wieder theatralische Pausen, in denen sie Mister Cohen mit ihren Kulleraugen anblickte und sich die Tränen wegwischte. Dank ihrer spanischen Wurzeln beherrschte Olivia den Unschuldsblick aus dem Effeff. Es war von Vorteil, große dunkle Augen zu haben, die von einem olivfarbenen Teint und schwarzen Haaren umrahmt wurden. Solange Mister Cohen ihr nicht zu nahe kommen würde, würde ihm auch nicht der Zwiebelgeruch auffallen. Irgendwie hatte sie sich ja zum Weinen bringen müssen.
Ihr Plan ging auf. Mister Cohen gewährte zwei Tage Aufschub, machte allerdings – mit einem weiteren Blick auf ihren Busen – deutlich, dass ab da die Sache mit ihrem Vater nicht mehr ziehen würde. Olivia griff nach seinen Händen und bedankte sich überschwänglich. Dann stürmte sie davon, trug die Miete direkt zu Ed und kaufte das 1.4er-Objektiv.
In der Sekunde, als sie sie in der Hand hielt, wusste sie, dass sie das Richtige getan hatte. Was für eine Linse! Sie war nicht aus diesem Billig-Plastik, sondern hatte diese schöne und kühle Metallummantelung. Dazu lag sie schön schwer in der Hand, und allein der Haptik wegen könnte sie sie den ganzen Tag herumtragen. 1.4er-Blende bei 85 Millimetern. Damit könnte sie bei Offenblende die schönsten Nachtaufnahmen knipsen, selbst mit der alten D2er-Cam aus der Redaktion.
»Ich brauche nur noch eine coole Location«, sagte Olivia und bettete das Objektiv zurück in die Fototasche. Es musste ein außergewöhnlicher Ort sein, wo niemand sonst hinkommen würde. Vielleicht unten am Strand, aber da hatte sie schon Bilder für den letzten Wettbewerb geschossen. Auf alle Fälle wollte sie keinen Platz, der schon zigmal fotografiert worden war. Sie brauchte etwas Einmaliges. Das Klingeln ihres Smartphones riss sie aus den Grübeleien. Sie sah aufs Display. Randys Foto lachte ihr entgegen. Olivia nahm ab. »Hi, Randy.«
»Hi. СКАЧАТЬ