Die Farben meines Lebens. Arik Brauer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Farben meines Lebens - Arik Brauer страница 9

Название: Die Farben meines Lebens

Автор: Arik Brauer

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783902998057

isbn:

СКАЧАТЬ Dimensionen von Gewalttätigkeit üblich waren als die Boxer und Ohrfeigen vom Vater und Gatten, hatte sie schon mitbekommen, und es war klar, dass ein Judenbub, der ein NS-Siegel aufbricht, zum Krüppel geschlagen wird. Hätte jetzt in ihrem Kopf ein Kampf zwischen Gut und Böse stattgefunden, das klassische „Was geht das mich an, nur nicht einmischen“ hätte sicher gewonnen. Ein solcher Kampf fand aber nicht statt. Die Frau reagierte vollkommen automatisch. Eine Bewusstseinsschicht tief unter ihrem angelernten Antisemitismus löste ihre Reaktion aus, so wie man ohne nachzudenken einen am Rücken liegenden, zappelnden Käfer umdreht. Blitzschnell drängte sie den Knaben in die Gangtoilette und sperrte von außen zu. Durch das Schlüsselloch beobachtete der Bub, wie die SA-Männer sein „Erbe“ wegtrugen: Lederballen, Leisten, Werkzeuge, sogar die Schürze seines Vaters. Es waren eben exakt arbeitende SA-Männer. Als alles vorbei war, sperrte die Hausmeisterin das Klo wieder auf, und als der Sohn des Schusters vorsichtig aus dem Haus trat, hörte er die Alte brummen: „Judengsindl, schleicht’s euch nach Palästina.“

image

       Aus dem Liederzyklus „Motschkern is gsund“

      Mir warn gern Rassisten,

      des taugert unserm Gmiat.

      Der Stammbaum, den mir ham,

      is leider verwirrt.

      Mir san halt a Packlrass,

      weil jeder fremde Schwanz

      kummt eine auf Wean

      und hinterlasst uns sei Substanz.

      Die Römer und die Hunnen,

      die Magyaren und Feaken,

      Türken, Tschuschen, Katzelmacher,

      Bayern und Slowaken,

      Krowoten, Galizianer

      und jede Menge Behm.

      Mit so einem Stammbaum

      kann dir der Rassismus vergehn.

      Im Dritten Reich do hama

      so mancherlei vertuscht,

      wann di Red war vom Germanentum,

      dann hama gekuscht.

      A jeder hat sein Eierschädl,

      eckig oder rund,

      an reinen Stammbaum haben bei uns

      ja nid amoi die Hund.

      Die Kunst und die Kultur,

      des hama so im Bluat.

      Mia ham a reiches Erbe

      und leben davon recht guat.

      Die Geniusse wachsen do

      wie die Schwammerln und des Gras,

      nur leider san die Schwammerln

      oft von einer andern Rass.

      Schönberg, Gustav Mahler,

      Richard Tauber,

      Reinhart, Kàlmàn,

      Korngold, Karl Kraus und Kuh,

      Hammerschlag und Grünbaum,

      Werfel, Musil, Kafka,

      Stefan Zweig und Sigmund Freud.

      Mit dera Erbschaft macht am der Rassismus ka Freud.

image

       Der Surmi sui

      Er war Klassenlehrer der vierten Klasse Volksschule und trug immer einen abgeschabten, aber sportlichen Knickerbocker-Anzug, unter dem sich seine massiven Waden in weißen Stutzen wölbten. Er war streng und hatte zahlreiche Foltermethoden auf Lager. Die Prügelstrafe exekutierte er mit einem Lineal aus Metall. Seine Zöglinge hatten ihm den rätselhaften Spitznamen Surmi sui verpasst.

       Aus dem Liederzyklus „Brauer Liedermappe“

      Wann i mi jetzt an mein Lehrer erinner,

      er war so bös und so schlecht.

      Wann i mi an sein Charakter erinner,

      er war so dumm und ungerecht.

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

      Erst Klass tröpfeln die ersten Watschen,

      steh ma „Hab Acht!“ in aller Fruah,

      lasst er uns sinnlose Verserln ratschen,

      klopft mit’m Stecken den Takt dazua.

      „Artig, flink und rein, müssen Kinder sein.“

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

      Zweite Klass klopft er uns schon auf die Pratzen

      und lasst uns oft im Winkerl stehn,

      brüllt uns an wegn jedn Patzen

      und lasst uns net aufs Häusl gehn.

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

      Dritte Klass miass ma zittern und schwitzen,

      knian auf die Erbsen en halben Tag,

      und er zerreißt ma meine Skizzen,

      weil i kan Würfel zeichnen mag.

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

      Vierte Klass tragt er die Nazi-Krawatten,

      dauert mei Unterricht nimmermehr lang,

      dressiert er im Turnsaal deutsche Soldaten,

      stellt er den Juden mit’n Gsicht zur Wand.

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

image

      Er selber sah sich als vorbildlichen Erzieher und war überzeugt, dass er den Kindern Gutes tat, wenn er ihnen die Finger mit seinem Lineal blau schlug. „Sauber“, „korrekt“, „hart“, „exakt“ zählten zu seinen Lieblingswörtern. In der Klasse gab es einen jüdischen Buben. Ausgerechnet ihm musste es passieren, dass in seiner Schar wohl dressierter, mehr oder weniger blonder Knaben dieser Schandfleck existierte. Was ihn dabei am meisten ärgerte, war die СКАЧАТЬ