Название: Sei stark!
Автор: Ник Вуйчич
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783765572951
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Zugleich fühlte ich mich aber schuldig, den jedes Mal, wenn ich einen Kraftausdruck vom Stapel ließ, widersetzte ich mich den Regeln meiner Eltern. Dabei hatte ich überhaupt keinen Grund, ihnen die Stirn zu bieten. Sie liebten mich und wollte nur das Beste für mich. Das war mir stets klar, auch damals.
Vielleicht versuchte ich unbewusst, mich von ihnen abzunabeln. Diese kleinen Revolten gehören zum Erwachsenwerden dazu, auch wenn es wohl nur wenige Eltern gibt, die sich auf diese Phase freuen.
Als Kind bekommt man gesagt, was man wann zu tun hat. In der Pubertät kämpft man mehr oder weniger stark um seine Unabhängigkeit. Das ist ganz normal. Das Problem ist nur, dass man als Jugendlicher noch nicht unabhängig ist. Man wohnt noch im Hotel Mama. Die Eltern bezahlen das Essen, die Klamotten und alles andere, und deshalb erwarten sie auch, dass man sich an ihre Regeln hält.
Diese Schlacht tobt seit Menschengedenken, aber wenn man versucht, mit etwas Verständnis an die Sache heranzugehen, und nicht nur emotional reagiert, muss es nicht in einen Atomkrieg ausarten. Ich hatte Glück, dass meine Eltern immer das Beste für mich wollten, selbst wenn wir nicht einer Meinung waren. Dafür hatten meine Eltern einen ziemlich starken Beschützerinstinkt. Das kann ich ihnen nicht verdenken, aber ich war weitaus risikofreudiger als sie.
Als ich mein Arsenal an Kraftausdrücken aufstockte, fühlte ich gleichzeitig, dass das nicht zu mir passte. Ständig fand dieses innere Streitgespräch statt: Wieso redest du auf einmal so? Was soll das? Und der harte Nick antwortete: Ich bin cool wie alle anderen auch. Ich tue ja nur so. Das muss eben sein, wenn man dazugehören will.
Ich versuchte, mein negatives Handeln durch positive Argumente zu rechtfertigen. Und ich legte mir eine Maske zu. Dass mir der „gute“ Nick zuflüsterte, ich sei überhaupt nicht mehr authentisch, ignorierte ich. Schließlich wollte ich einfach nur den Tag überstehen, ohne die Zielscheibe für Hänseleien zu sein oder als der „behinderte Nick“ dazustehen.
Schall und Rauch
Je länger man sich verstellt, desto schwerer wird es, zum Original zurückzukehren. Als ich mir selbst untreu wurde, bekam ich plötzlich Probleme in meinen Beziehungen, mit meinen Leistungen in der Schule und meinem Selbstwertgefühl. Irgendwann musste ich mir ein paar Fragen von mir selbst gefallen lassen. Wie willst du zu dir selbst ehrlich sein, wenn du alle anderen belügst? Es dauerte noch einige Zeit, aber dann hatte ich die Fassade satt. Ich machte Inventur und fragte mich: Wie lange willst du dieses Spiel noch spielen? Wie lange hältst du das noch durch? Was denken deine Eltern, wenn du dich so aufführst? Und wem willst du wirklich gefallen – denen, die dich lieb haben, oder denen, die dich für ihre Zwecke missbrauchen?
Nach außen hin fluchte ich und tat so, als wäre ich ein anderer. Innen drin wollte ich immer noch ein „Guter“ sein, nur passte mein Verhalten nicht dazu. Und die Leute beurteilen einen nach dem, was sie sehen.
Zu cool für Gott?
Eine ganze Zeit lang passte mein Verhalten nicht zu meinen Überzeugungen. Und das Fluchen war nur ein Teil davon. Ich zeigte damals auch denjenigen um mich herum, die Christinnen und Christen waren, die kalte Schulter. Es gab einige in meiner Schule und sie trafen sich immer freitags während der Mittagspause zu einem Gebetskreis. Viele waren sie nicht, und sie mussten einige hämische Kommentare ertragen. Manche nannten sie Holy Rollers oder Jesus Freaks.
Ich fand sie eigentlich wirklich nett und bewunderte sie insgeheim dafür, dass sie zu ihrem Glauben standen, aber bei ihrem Gebetskreis ließ ich mich nie blicken. Als mich einer darauf ansprach, meinte ich, ich würde lieber mit normalen Leuten herumhängen. Ich fühlte mich bei dieser Antwort sehr unwohl und hatte noch lange daran zu knabbern. Natürlich hatte das seinen Grund. Auch hier war ich meinen Werten, Überzeugungen und mir selbst untreu. Zum Teil lag es wie gesagt daran, dass ich unbedingt akzeptiert sein wollte. Zum Teil hatte ich aber auch Angst, öffentlich als Christ aufzutreten. Ich wollte nicht Holy Roller oder Jesus Freak genannt werden. Meine größte Angst war, in eine Schublade gesteckt und von meinen nichtchristlichen Freunden gemieden zu werden.
Eine gewisse Zeit hält man es aus, nicht authentisch zu sein, aber nicht ewig. Irgendwann fällt einem eine dieser Masken und kleinen Lügen auf die Füße. Man zahlt einen Preis dafür. In meinem Fall holte es mich ein, als ich zu Hause über die Stränge schlug.
Mir rutschte ein Kraftausdruck raus, und meiner Mutter fiel die Kinnlade herunter.
„Was hast du da gesagt?“
„Oh, tut mir leid! Entschuldigung! Ich weiß nicht, wieso mir das rausgerutscht ist.“
Fluchen passte so wenig zu mir, dass meine Mutter zuerst gar nicht wusste, was sie mit mir anfangen sollte. Sie war völlig perplex. Ich glaube, sie nahm mir das Versprechen ab, das nie wieder zu sagen, und nach ein paar ernsten Wörtchen beließ sie es dabei. Für mich war dieser Lapsus aber ein weiteres Signal dafür, dass da bei mir eine gewaltige Schieflage herrschte.
Die Zunge, dieses ungezogene Ding
Ich hielt mich eigentlich für einen bekehrten Christen, aber das Sprechzentrum im Gehirn schien das nicht mitbekommen zu haben.
Sosehr ich auch versuchte, die Kraftausdrücke aus meinem Vokabular zu tilgen, sie rutschten mir immer wieder heraus. Zu Hause hatte ich mich irgendwann unter Kontrolle, aber in der Schule war das F-Wort so gang und gäbe, dass es mir schwerfiel, nicht in FSK-16-Sprech zu verfallen. Nur allmählich machte ich Fortschritte. Immerhin, der Wechsel meines Vokabulars entging meinen Freunden Scott und Reese nicht, und sie sprachen mich darauf an.
„Ich will nicht mehr fluchen“, erklärte ich.
„Wieso das denn?“
„Ich bin eben anders erzogen worden. Fluchen gehört sich nicht in einem christlichen Elternhaus. Gott hat was gegen Kraftausdrücke.“
Ob sie anderer Meinung waren, weiß ich nicht, jedenfalls dachten sie sich sofort Alternativen für mich aus.
„Mach doch Folgendes“, sagte Scott. „Anstelle des F-Worts sagst du ab jetzt immer ‚Fruchtkompott‘!“
Anfangs erschien mir das ziemlich abwegig, aber Untersuchungen haben gezeigt, dass Schimpfwörter mit hartem Konsonanten am Ende irgendetwas im Gehirn ausschütten, das wie ein emotionales Ventil wirkt. Also ließ ich mich auf das verrückte Experiment ein und adoptierte „Fruchtkompott“ in meinen Schimpfwortkatalog.
Aber es funktionierte nicht. Ich musste dabei an labberigen Nachtisch denken, und außerdem war das Wort zu lang. War ich erst einmal bei Kompott angekommen, war die Situation schon vorbei. Scott schlug vor, ich solle doch „Flohsack“ sagen, aber ich beschloss, lieber einen radikalen Schnitt zu machen und gar nicht mehr zu fluchen.
Doch das gestaltete sich schwieriger, als ich dachte. Es war bereits zur Gewohnheit geworden. Immer wieder rutschten mir Schimpfwörter heraus, aber nach und nach legte ich den Sumpf in mir trocken. Mit sechzehn schaffte ich es elf Monate und drei Wochen ohne einen einzigen Kraftausdruck. Ja, ich habe die Tage gezählt. Ich wollte unbedingt mein lockeres Mundwerk festzurren, aber dann hatte ich einen ziemlich heftigen Rückfall, als mich etwas auf die Palme brachte.
Ich missbrauchte sogar Gottes Namen in meiner Schimpftirade, und alle, die es hörten, waren erschrocken – vor allem ich. Was genau der Auslöser war, mich nach so langer Zeit zu vergessen, weiß ich nicht СКАЧАТЬ