Was uns geblieben ist. Georg Markus
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Название: Was uns geblieben ist

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783902998606

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СКАЧАТЬ vom Walzerkönig finanziell unterstützt, der die engste Beziehung zu ihnen hatte. »Der Johann«, schrieb Therese nach dessen Tod im Illustrierten Wiener Extrablatt, »hat ein Herz wie Gold gehabt. Wie er ein berühmter Mann geworden ist, da hab ich müssen jeden Freitag bei ihm speisen.«

      Anna sollte noch eine delikate Rolle in Johanns Leben spielen. Als ihr nämlich im Herbst 1881 die undankbare Aufgabe zufiel, ihren Bruder darüber zu informieren, dass seine zweite Frau Lili ein Verhältnis mit Franz Steiner, dem Direktor des Theaters an der Wien, hatte. Das wusste zwar »ganz Wien« – nur Johann Strauß Sohn selbst hatte keine Ahnung davon. Der Walzerkönig war zutiefst enttäuscht, nicht nur von seiner Frau, sondern auch von Steiner, der ihm einige der größten Publikumserfolge seiner Direktionszeit zu verdanken hatte.

      Als wenige Tage nach Bekanntwerden der Affäre just im Theater an der Wien die neue Strauß-Operette Der lustige Krieg Premiere hatte, kursierte der Witz: »Der häusliche Krieg mit Lili, der lustige Krieg mit Girardi.«

      Johann Strauß zog, als Anna ihn informiert hatte, die Konsequenzen. Er trennte sich von Lili und heiratete 1887 ein drittes Mal und fand in Adele die Partnerin für den Rest seines Lebens.

      Wenn schon nicht als Dirigentinnen, so gingen die Strauß-Schwestern dennoch in die Musikgeschichte ein, als Johann sie in seiner Komposition Traumbilder charakterisierte, über die er 1895 an Bruder Eduard schrieb: »Du kommst auch dran, niemand ist vor meiner Grausamkeit gefeit. Denke an das Portrait der Netti und der Therese.«

      Während die Schwestern in Johanns Testament mit einem lebenslangen Nutzungsrecht seiner Häuser bedacht wurden, verlief sein Verhältnis zu den Brüdern nicht immer im Dreivierteltakt. Da muss in der Kindheit viel passiert sein, was bei den schwierigen Familienverhältnissen nicht weiter verwundert.

      Der durch die Schöpfung des Radetzkymarschs selbst unsterblich gewordene Vater der Strauß-Brüder und -Schwestern stammte aus einer Gastwirtsfamilie und war erst sieben, als seine Mutter starb und zwölf, als sein Vater – hoch verschuldet – in der Donau ertrank. Bis dahin hatte er in den elterlichen Schänken Zum heiligen Florian und Zum guten Hirten die dort aufspielenden Musiker beobachtet und sich oft einfach dazugesetzt, um sie zu begleiten.

      Johann Strauß Vater hatte vierzehn Kinder, sechs mit seiner Ehefrau Anna geborene Streim und vermutlich acht mit seiner Geliebten, der Modistin Emilie Trampusch. Neben den drei berühmt gewordenen Musikern Johann, Josef und Eduard und den Töchtern Anna und Therese gab’s aus der Ehe noch einen Sohn, Ferdinand, der im Jahr seiner Geburt an einem »hitzigen Wasserkopf« starb.

      Strauß Vaters Abgang aus der ehelichen Wohnung zu der 21-jährigen Emilie war nicht gerade nobel. Nur zwei Monate nachdem seine Frau im März 1835 ihren jüngsten Sohn Eduard zur Welt gebracht hatte, gebar die Geliebte bereits ihr erstes Kind.

      Johann Strauß Vater hatte die schöne Hutmacherin auf einem Ball, dessen musikalischer Leiter er war, kennen gelernt. Er zog aus der ehelichen Wohnung in der Taborstraße 17 aus, um mit Emilie zunächst in ein anderes Haus in der Leopoldstadt und später in die Kumpfgasse zu ziehen. Da er sich von seiner Frau nach dem für Katholiken geltenden Recht nicht scheiden lassen konnte, kamen die acht Kinder der Emilie Trampusch in den Jahren 1835 bis 1844 unehelich zur Welt, wobei eines wie Johanns ältester Sohn den Namen Johann erhielt und ein anderes wie eine der beiden ehelichen Töchter den Namen Therese. Auch darüber war man in der »verlassenen Familie« empört: Josephine Streim, die Schwester der sitzengelassenen Anna, bezeichnete ihren Schwager verächtlich nur noch als den »Bettgeher der Trampusch«.

      Für die drei genialen Strauß-Buben war die eheliche Krise ein persönliches Drama – musikalisch jedoch ein Glücksfall. Denn während der Vater gegen Johanns Wunsch, Berufsmusiker zu werden, ankämpfte und ihm sogar die Geige weggenommen haben soll, die dieser sich durch Klaviernachhilfestunden selbst verdient hatte, unterstützte Mutter Anna inmitten eines regelrechten »Rosenkriegs« die Ambitionen ihres ältesten Sohnes. Da aber nach seinem Auszug Strauß Vaters Einfluss schwand, konnte Johann bald ungestört seiner Berufung nachgehen. Entsprechend war das Verhältnis Johanns zu seinen Eltern: Während er die Mutter liebte, bewunderte er den Vater zwar, aber fürchtete ihn auch.

      Josef und Eduard stiegen erst nach dem Tod des Vaters in das Musikunternehmen Strauß ein.

      Der erste uns namentlich bekannte Strauß war der Großvater von Strauß Vater: Johann Michael Strauß stammte aus Budapest und übersiedelte nach Wien, wo er am 11. Februar 1762 die Jägertochter Rosalia Buschin ehelichte. Als die Nationalsozialisten 1941 im Dompfarramt St. Stephan die Heiratsurkunde mit dem Vermerk, Johann Michael sei »ein getaufter Jud«, fanden, musste etwas unternommen werden. Keine anderen Melodien waren so populär wie die des Walzerkönigs, die als »deutsche Musik« in der Nazi-Presse verherrlicht wurden. Sein Werk wegen seines jüdischen Ahnherrn zu sperren, war undenkbar. Wie sollte man Fledermaus, Zigeunerbaron oder den Donauwalzer verbieten? Das Problem wurde an Joseph Goebbels in Berlin herangetragen, der eine Lösung fand: Der Propagandaminister ließ das Trauungsbuch in das Reichssippenamt nach Berlin bringen, wo die verräterische Seite herausgeschnitten und unter Weglassung der Strauß-Hochzeit an die Pfarre St. Stephan in »beglaubigter Kopie« zurückgegeben wurde. Das Dokument war »gerettet« und mit ihm die Walzer und Polkas des nunmehrigen »Ehrenariers« Johann Strauß. Nach dem Krieg wurde das Original wiederentdeckt und an das Dompfarramt St. Stephan retourniert.

      Johann Strauß Vater wurde, als er 45 Jahre alt war, von einem seiner unehelichen Kinder mit Scharlach infiziert, er starb in der Nacht vom 24. auf den 25. September 1849 – nur etwa ein Jahr nachdem er die Komposition seines Lebens, den Radetzkymarsch, geschaffen hatte. Emilie Trampusch verließ noch in der Nacht seines Todes mit ihren Kindern fluchtartig die gemeinsame Wohnung. Allerdings hatte sie nicht – wie später fälschlich behauptet wurde – Geld und Wertgegenstände mitgenommen.

      Als die einst schmählich verlassene Anna Strauß die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhielt, schickte sie ihren mittleren Sohn Josef in die Kumpfgasse, wo er den Leichnam seines Vaters vorfand und sich um dessen Abholung und die weiteren Formalitäten kümmerte. Auf der Parte unterschrieb Anna Strauß als Witwe, als hätte es weder Trennung noch Geliebte mit acht Kindern gegeben, und nannte den Verstorbenen »meinen innigst geliebten Gatten«.

      Und das, obwohl dieser die »erste Familie« auch in seinem Testament mehr als schofel behandelt hatte: »Letzter Wille, kraft dessen ich endesgefertigter Johann Strauß zu Erben meines Nachlasses die Emilie Trampusch, k. u. k. Kameralarztenstochter, zum einen und deren Kinder Johann, Emilie, Clementine, Maria und Therese Trampusch zum anderen Theile einsetze. Meine Kinder aus meiner Ehe mit Anna Strauß geb. Streim, sollen auf den Pflichtteil gesetzt werden.«

      Drei seiner Kinder mit Emilie Trampusch waren zu diesem Zeitpunkt bereits tot, auch die anderen wurden nicht sehr alt. Emilie Trampusch starb im Alter von 43 Jahren.

      Johann Strauß, der Walzerkönig, ging weder zum Begräbnis seines Vaters noch zu dem seiner Mutter, seines Bruders Josef oder zu dem seiner ersten Frau »Jetty«, weil er eine panische Angst vor Krankheit und Tod hatte.

      Anna Strauß hatte sich nach dem Schock, als sie von ihrem Mann über Nacht mit fünf Kindern allein gelassen worden war, für ihre Söhne und Töchter aufgeopfert und ihnen unter schwierigsten finanziellen Umständen das Musikstudium ermöglicht. »Die glänzende Laufbahn ihrer Söhne«, schrieb das Neue Wiener Tagblatt im Februar 1870 in einem Nachruf, »entschädigte die Greisin in hohem Maße für so viel Ungemach, das sie in jungen Jahren hat erleiden müssen.«