Название: Was uns geblieben ist
Автор: Georg Markus
Издательство: Bookwire
Жанр: Афоризмы и цитаты
isbn: 9783902998606
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1946 übersiedelte er mit seiner Familie wieder nach Zürich. Und nach seinem Tod am 2. Jänner 1960 wurde er im Ehrengrab an der Seite seines Vaters am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
Einem anderen Grafen Stürgkh war von der Geschichte eine weitaus glücklichere Rolle zugewiesen worden als dem ermordeten Ministerpräsidenten: Georg Christoph Stürgkh hatte knapp zwei Jahrhunderte vor dem Attentat einen wesentlichen Beitrag zur Rettung des Habsburgerreichs geleistet. Er war es, der als Hofkanzler Kaiser Karls VI. mit seiner historischen Unterschrift die Pragmatische Sanktion gegenzeichnete, durch die Maria Theresia 1740 Regentin von Österreich werden konnte.
Seit den Tagen des Hofkanzlers Georg Christoph Stürgkh war das steirische Schloss Halbenrain Sitz der Familie Stürgkh. Das Anwesen stand zum Zeitpunkt der Ermordung Karl Stürgkhs im Oktober 1916 im Eigentum des Ministerpräsidenten und ging, da er keine direkten Nachkommen hatte, danach in die Hände seines jüngeren Bruders Heinrich Graf Stürgkh über.
In einen spektakulären Fall war auch ein angeheirateter Onkel des Ministerpräsidenten verwickelt: Karl Graf Spaur diente als königlich-bayerischer Gesandter im Vatikan, als die europaweite Revolution im Herbst 1848 auch den Kirchenstaat erreichte. Als Kardinalstaatssekretär Pellegrino Rossi am 15. November nach kaum zweimonatiger Amtszeit an der Treppe des römischen Parlaments von Rebellen erstochen wurde, bestand auch höchste Gefahr für das Leben des Papstes. Damit schlug die Stunde des Grafen Spaur, mit dessen Hilfe Pius IX. nun aus Rom flüchtete. »Mein Mann kam nach Hause und erzählte mir voller Entsetzen, wie die bewaffnete Masse den Quirinal* umringte, wie sie die Kanonen gegen das Haupttor richteten und den Papst seiner Schweizergarde beraubten«, schildert Therese Gräfin Spaur in dem Buch Papst Pius’ IX. Fahrt nach Gaeta. Vorerst begab sich Spaurs Komplize, der französische Botschafter de Harcourt, in den Palast, um mit großer Mühe – an den Aufständischen vorbei – zum Papst zu gelangen. Er steckte den Heiligen Vater in das Gewand eines einfachen Priesters, setzte ihm Brillen auf und lotste ihn durch einen geheimen, seit Jahrzehnten stillgelegten Gang zu einer Nebenpforte. Dort bestieg der verkleidete Papst einen Wagen, der ihn zum Grafen Spaur brachte. Dieser erwartete ihn »in höchster Angst und Aufregung und bis an die Zähne bewaffnet«.
Durch seinen diplomatischen Status konnte Spaur mit seinem prominenten Fahrgast unkontrolliert die bereits von den Aufständischen kontrollierte und zur Republik ernannte Stadt Rom verlassen. Der französische Botschafter war unterdessen allein im Quirinal geblieben und sprach auffallend laut weiter, sodass die Revolutionäre vor der Tür der päpstlichen Gemächer dachten, er wäre in ein Gespräch mit dem Pontifex vertieft. Nach zwei Stunden verließ der französische Botschafter den Palast und sagte den Wachen, der Heilige Vater hätte sich nun zur Ruhe begeben.
Der aber war zu dieser Stunde mit dem Grafen Spaur unterwegs nach Neapel, wo ihn König Ferdinand II. von Sizilien aufnahm und in Gaeta einquartierte. Knapp zwei Jahre später konnte Pius IX. nach Rom zurückkehren und sein Pontifikat fortsetzen. Graf Spaur aber wurde zum Retter des Papstes ernannt und von diesem mit höchsten Orden versehen.
Trotz der Ermordung des Ministerpräsidenten gingen zwei seiner Neffen in die Politik: Barthold Stürgkh, ein Sohn seines Bruders Heinrich, war in der Ersten Republik steirischer Landeshauptmannstellvertreter und in der Zweiten Republik Abgeordneter zum Nationalrat der Österreichischen Volkspartei. Geschichte schrieb auch Carl Georg Stürgkh – ein weiterer Neffe des Ministerpräsidenten – der nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten mit Otto von Habsburg in Paris eine österreichische Exilregierung gründete. Stürgkh wurde von der Gestapo festgenommen und im Juni 1942 »wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tod durch das Fallbeil« verurteilt, später jedoch begnadigt.
Nach Barthold ging Schloss Halbenrain in den Besitz des Maximilian Stürgkh – dem früh verstorbenen Vater der Opernballorganisatorin – über. Auch sie ist dort aufgewachsen, musste das Anwesen jedoch nach dem Tod ihrer Eltern, »da unser Vater ein finanzielles Chaos hinterließ«, gemeinsam mit ihren Geschwistern verlassen. »Das Attentat auf den Ministerpräsidenten«, erinnert sie sich heute, »war für uns Kinder nur eine Episode, die wir nicht sehr ernst nahmen. Immer wenn wir am Neuen Markt vorübergingen, haben wir den Witz gemacht, dass der gute Onkel Karl wenigstens erst nach dem Mittagessen ermordet wurde.« Desirée Treichl-Stürgkh und ihre Geschwister wuchsen, nachdem Schloss Halbenrain an das Land Steiermark verkauft wurde, in einem Wiener Internat auf.
Die Stürgkhs und die Adlers. Zwei österreichische Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
* Der Quirinalpalast war bis 1870 Amtssitz des Papstes.
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