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СКАЧАТЬ Ehe für mich zu dieser Zeit nicht infrage. Ich muss auch sagen, dass ›Jack‹ nicht unbedingt die große Liebe meines Lebens war. Wir waren jung, und er hat mir gefallen, weil er fesch war. Und umgekehrt war’s wohl ebenso. Dass mehr daraus wurde als ein Gspusi, wie man in Wien sagt, liegt nur daran, dass ich 1945 unseren Sohn Tony zur Welt brachte. Kennedy ist damals aus allen Wolken gefallen und hat wohl auch nur im ersten Schock gemeint, dass wir heiraten sollten.«

      Und doch blieben Lisa und »Jack« auch nach dem 29. September 1945, dem Tag an dem Tony zur Welt kam, in Kontakt. Auch noch nach 1953, als »JFK« Jacqueline Bouvier, Amerikas spätere First Lady, heiratete. »Wir trafen uns immer wieder, auch als seine politische Karriere begann und er Senator in Massachusetts wurde. ›Jack‹ kam für die Kosten der Peekskill Militärakademie bei New York auf, die unser Sohn Tony besuchte.«

      Das war Lisa Lanetts Erzählung während unseres ersten Treffens in einem Kaffeehaus in der Wiener Innenstadt. Ich verabschiedete mich, glücklich eine so aufregende Geschichte erfahren zu haben, und beschloss ihr auf den Grund zu gehen.

      Als erstes nahm ich Kontakt mit ihrem Sohn Tony auf. Antonio Bohler lebt in der kalifornischen Stadt Fairfield, er ist mittelgroß, hat graue Haare, einen dichten Bart und ist als kaufmännischer Angestellter bereits in Pension. Seine Ehe mit einer gebürtigen Sizilianerin, der die Söhne Richard und Michael entsprangen, ist geschieden.

      Tony Bohler sprach gleich ganz offen mit mir. »Als ich jung war, sagte mir meine Mutter, dass ihr erster Mann, Juan del Puerto, mein Vater sei. Eine Zeitlang habe ich das geglaubt, aber irgendwann begann ich daran zu zweifeln. Denn Juan war Mexikaner und sah auch sehr mexikanisch aus. Ich aber gar nicht. Als ich etwa dreißig war und sie meine Zweifel bemerkte, gestand sie mir, dass mein tatsächlicher Vater ein anderer sei. Ich fragte sie nach seinem Namen. Und sie sagte John F. Kennedy.«

      Und dann erzählte sie ihrem Sohn, wie sie den späteren US-Präsidenten kennen gelernt und sich in ihn verliebt hätte.

      Tony Bohler war, wie er mir berichtete, zunächst fassungslos. »Ich bin mit Mutters Geschichten von österreichischen Erzherzögen aufgewachsen, die ich in meiner Kindheit alle nicht recht glauben konnte, aber heute weiß ich, dass sie stimmen. Also vielleicht stimmt auch die Geschichte mit Kennedy. Bitte, sie war eine wunderschöne Frau, es würde mich nicht wundern.«

      Tony heißt übrigens Bohler, weil er als Kind von Lisa Lanetts Mutter Charlotte adoptiert wurde, die in zweiter Ehe mit dem österreichischen Industriellen Richard Böhler verheiratet war. In den USA wurde der Name Böhler dann auf Bohler geändert.

      Einen Beweis für Kennedys Vaterschaft konnte Lisa ihrem Sohn nicht liefern. Als der Präsident der Vereinigten Staaten 1963 in Dallas ermordet wurde, war Tony achtzehn Jahre alt. Es gab damals noch keine DNA-Analysen, mit deren Hilfe verwandtschaftliche Beziehungen festgestellt werden können. Lisa hat auch zu Kennedys Lebzeiten nie einen Vaterschaftstest beansprucht. Es gibt also keine Beweise.

      Jedoch eine nicht unerhebliche Kette von Indizien, die belegen, dass Lisas Geschichte stimmen kann:

      •Erstens haben sich alle nachweisbaren Details der von ihr geschilderten Familienchronik in meinen Recherchen als korrekt erwiesen.

      •Zweitens handelt es sich bei ihren Erinnerungen zweifelsfrei nicht um die Fantasien einer alten Frau, die mit weit über achtzig Jahren ihre Lebensgeschichte neu erfunden hat. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil sie ihrem Sohn bereits dreißig Jahre zuvor erzählt hatte, dass John F. Kennedy sein Vater sei.

      Weitere Hinweise finden sich in Wien:

      •Die Arztwitwe Verena Fischer, die mir Lisa Lanett vorgestellt hat, kennt sie seit mehr als zwanzig Jahren: »Etwa im Jahre 2005 sahen wir uns gemeinsam Bilder aus ihrer Familie an, und bei dieser Gelegenheit hat sie mir zum ersten Mal erzählt, dass Kennedy der Vater ihres Sohnes ist. Ich kenne sie sehr gut und habe keinen Zweifel an dem, was sie sagt. Ich glaube zu hundert Prozent, dass es stimmt.«

      •Der Wiener Rechtsanwalt Professor Nikolaus Lehner vertrat Lisa Lanett in den 1990er-Jahren in einer Erbschaftsangelegenheit. »Sie erzählte mir schon damals plausibel und glaubwürdig davon, dass Präsident John F. Kennedy der Vater ihres Sohnes sei«, erinnert sich Lehner. »Ich habe, da ich als Anwalt an die Verschwiegenheitspflicht gebunden bin, natürlich nie darüber gesprochen.«

      Um Lisa Lanetts Geschichte weiter zu verfolgen, versuchte ich herauszufinden, ob John F. Kennedy in der fraglichen Zeit überhaupt in Phoenix in der Nähe des damaligen Wohnsitzes der gebürtigen Österreicherin gewesen sein konnte. Die Stationen seines Lebens sind angesichts seiner historischen Bedeutung als 35. Präsident der Vereinigten Staaten penibel dokumentiert: in der John F. Kennedy Library in Boston ebenso wie im Berliner Kennedy Museum, in seiner umfangreichen Korrespondenz wie in Dutzenden Biografien.

      John F. Kennedy war seit 1941 Mitglied der US-Armee und wechselte nach dem Angriff auf Pearl Harbor zur Marine über. Tatsächlich befand er sich zur Jahreswende 1942/43, wie von Lisa behauptet, auf dem Weg nach Florida, genau genommen nach Jacksonville, einer am Atlantischen Ozean gelegenen Stadt, in der er auf weitere Befehle warten sollte. In Joan und Clay Blairs Biografie The Search for J.F.K., die sich im Besonderen mit den Kriegsjahren des späteren Präsidenten beschäftigt, ist sein Leben in dieser Zeit minuziös dokumentiert. Interessanterweise fehlen – so schreiben die Autoren – in sämtlichen Aufzeichnungen am Beginn des Jahres 1943 dreizehn Tage. Dreizehn Tage, von denen niemand weiß, wo Kennedy sich aufhielt, und über denen ein geheimnisvoller Schleier des Schweigens liegt. Verbrachte »Jack« diese Zeit im Monterey Lodge?

      Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass im März 1942, wenige Monate ehe seine Beziehung mit Lisa begonnen haben soll, Kennedys erste große Liebe auf dramatische Weise zu Ende gegangen war: »Jack« hatte als blutjunger Armeeangehöriger ein Verhältnis mit der verheirateten Journalistin Inga Arvad. Was er nicht wissen konnte, war, dass die gebürtige Dänin unter ständiger Beobachtung des FBI stand, da sie während der Zeit ihrer journalistischen Tätigkeit in Berlin in Nazikreisen, auch mit Hitler und Göring, verkehrt haben soll. Kaum in die USA eingereist, stand sie unter Spionageverdacht. Als »Jacks« Vater, Joseph Kennedy, davon erfuhr, untersagte er seinem Sohn jeden weiteren Kontakt mit der schönen Inga, da diese seiner weiteren Karriere, egal ob bei der Marine oder im Staatsdienst, im Wege gestanden wäre.

      John F. Kennedy hatte mittlerweile erfolgreich die Marineoffiziersschule absolviert und wurde als Kommandant des Schnellbootes PT 109 in den Pazifik entsandt. Als das Kriegsschiff am 2. August 1943 von einem japanischen Zerstörer gerammt wurde, erlitt er schwere Verletzungen, die seine ihn seit Jugendtagen plagenden Rückenschmerzen erheblich verschlimmerten. Ende November 1944 wurde Lieutenant Kennedy deshalb nach zwei Operationen, die sein Leiden nicht lindern konnten, für »dauerhaft dienstuntauglich« erklärt.

      Kennedy ist kein ganzes Jahr geblieben, wie er es vorhatte, hielt sich aber mehrere Monate in Arizona auf, wo auch Lisa Lanett lebte. Laut Robert Dalleks Kennedy-Biografie Ein unvollendetes Leben verbrachte er den Winter 1944/45 zur Rekonvaleszenz in einem Vorort von Phoenix/Arizona – und zwar in der für ihre heilenden Quellen berühmten Kuranstalt Castle Hot Springs. Dort wurde er mehrmals von seinem behandelnden Arzt Frank Lahey besucht, der Joseph Kennedy schriftlich über den СКАЧАТЬ