Название: Frühere Verhältnisse
Автор: Katrin Unterreiner
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783902862426
isbn:
Ich weiß nicht warum, oder weiß es und will’s nicht wissen, forschen sie nie danach, denn ich verlaufe mich dabei immer an die Grenzen meines Denkvermögens, meiner Vernunft, ohne jemals klar zu werden, weiß nur eines sicher, daß ich jedes schöne Weib, jedes schöne gute Weib meiden soll, nur schauen soll, von der Ferne schauen, und nichts Anderes.
Es war immer Unglück, ob ich mich in Tugend hielt oder nicht.
Ferne halten, zurück! Wäre die rechte Lösung, wer kann das, welcher Mensch?
Das alles fühlte ich auch Ihnen gegenüber, immer und immer sagte mir die Stimme des Gewissens du sollst nicht, du sollst nicht!
Nicht einmal sehen sollst du, um wie viel weniger mehr! Immer hatte ich die besten Vorsätze bei Ihrem Fernsein und immer zerstoben die guten Vorsätze in die Winde bei Ihrer Anwesenheit.
Bis ich endlich in so furchtbarer Weise an die Vernunft gemahnt wurde …45
Klimt mietete für Mizzi ganz in der Nähe seines Ateliers eine Wohnung in der Tigergasse 38, Tür 17, die sie zwei Wochen vor der Entbindung bezog. Hier erblickte sein Sohn Gustav am 1. September 1899 im Beisein einer Hebamme das Licht der Welt . Getauft wurde das Kind in der Kirche zu den sieben Zufluchten in der oberen Lerchenfelderstraße. Taufpate war der Gutsbesitzer und k. u. k. Truchsess Rittmeister Josef von Savinschegg, der sich allerdings bei der Zeremonie von Mizzis Vater Johann Zimmermann vertreten ließ.46
Klimt wohnte nicht mit Mizzi zusammen. Seit dem Tod seines Vaters lebte er mit seiner Mutter und zwei Schwestern in einem gemeinsamen Haushalt in der Westbahnstraße 36.
Wie seinen Briefen an Mizzi zu entnehmen ist, hatten ihn Miete und Einrichtung für Mizzis Wohnung im Vorfeld offensichtlich in finanzielle Bedrängnis gebracht:
War in München, dort ein Schuld einzutreiben, leider wird sich die Sache verzögern, werde das Geld nicht gleich erhalten, vielleicht erst in Wochen, jedenfalls nicht die nächsten Tage, ich kann vorläufig nichts senden, von zu Hause habe ich mir knapp mitgenommen, ich habe sicher gerechnet, ich bringe von München das Geld gleich mit (hoffentlich dauert’s nicht allzu lange). Du wirst mit dem von mir erhaltenen nicht auskommen, der Zins muß gezahlt werden, es wird für die »Einrichtung« verdammt wenig überbleiben, vielleicht geht es doch die Einrichtung auf Raten zu nehmen auch wenn’s theurer ist, das längere Ausbleiben des Münchnergeldes bringt uns nun einmal in Verlegenheit.47
Ab der Geburt des Kindes sandte Klimt nachweislich mehr oder weniger regelmäßig zwanzig Gulden, die er seinen Briefen beilegte. Dies scheint nicht ganz einfach gewesen zu sein. Klimt war offensichtlich um Geheimhaltung bemüht und postalische Geldsendungen waren nicht unproblematisch:
Trotz der gutgemeinten Warnung wähle ich wieder diesen Weg, ich habe Dir schon einmal erklärt warum ich dieß so mache. Man darf auch in einem recommandirten Brief kein Geld senden …
Es ist also noch mehr riskiert als durch einen gewöhnlichen Brief den man bequem in ein »Kasterl« wirft – und was die Geringfügigkeit des Betrages betrifft, so möchte ich bloß erwähnen daß 5 mal zwanzig auch hundert giebt. Mehr wie zwanzig traue ich nicht zu riskiren weil der Brief zu dick wird – dafür kommt‹s öfter.48
Seinen Schreiben ist zu entnehmen, dass Klimt offensichtlich immer wieder in Geldnöten war. Einerseits, weil er auch seine Mutter und zwei Schwestern erhalten musste, andererseits scheint er keine gute Hand für Geld gehabt zu haben. Bisweilen hatte er jedenfalls Schwierigkeiten seinen selbst auferlegten Verpflichtungen nachzukommen. Wirft man einen Blick auf seine Einnahmen, so zeigt sich allerdings, dass er ausgezeichnet verdiente. 1899 erhielt er für das Bildnis Serena Lederer die stattliche Summe von 17 000 Gulden – umgerechnet 35 000 Kronen, das sind rund 150 000 Euro.49 1905 betrug der Preis für ein Klimtporträt 5000 Gulden beziehungsweise 10 000 Kronen. 1908 verkaufte er das Bildnis der Emilie Flöge für circa 12 000 Kronen an das Niederösterreichische Landesmuseum. Im Vergleich dazu betrug das Monatsgehalt eines Hausdieners rund einhundert Kronen, das eines Lehrlings dreißig Kronen und die Miete einer kleinen Stadtwohnung belief sich auf rund vierzig Kronen.50
Trotz seines ausgezeichneten Verdienstes – Klimt malte pro Jahr rund ein großes Frauenporträt und zwei bis drei Landschaften –, schienen die Zuwendungen an Mizzi immer wieder ein Problem zu sein. Offensichtlich hatte er auch immer wieder Schwierigkeiten die Miete für ihre Wohnung zu begleichen.
Abgesehen von den immer wieder auftretenden finanziellen Nöten zeigte Klimt lebhaftes Interesse am Wohlergehen von Mutter und Kind. Aus seiner Korrespondenz mit Mizzi erschließt sich ein liebevolles und enges Verhältnis zu seiner Geliebten, die er an seinen ganz persönlichen Ängsten, gesundheitlichen Unpässlichkeiten, Alltagssorgen und Schaffenskrisen teilhaben ließ. Von seinen Sommerurlauben am Attersee, die er mit der Familie Flöge verbrachte, schrieb er Mizzi regelmäßig trotz seiner legendären Schreibfaulheit. Auch an seinen kleinen Sohn dachte er und fügte zu dessen erstem Geburtstag seinem Brief an Mizzi einige Zeilen direkt an ihn an:
Mein liebes Gusterl! Ich gratuliere Dir von ganzem Herzen zu Deinem Geburtstag und wünsche Dir das Allerbeste für die Zukunft. Nun bist Du schon ein ganzes Jahr alt, das heißt also du bist schon ein ganz kleiner Mann von dem man verlangt daß er allein gehen kann, daß er Mama und Papa sagen kann oder lernt, daß er verschiedene Dinge höchsteigen verlangt und zwar mit dem Worte, Dinge welche er bis jetzt ohne das Wort zu nehmen unter gewisser Stille vor sich gehen ließ.
Ich bin neugierig ob Du das Alles fein treffen wirst damit man dich ein feines Büblein nennen kann. Nochmals die besten Wünsche.51
Auch drückte er immer wieder seine Freude an dem offensichtlich lebhaften Kind aus: »Daß der kleine ›Kerl‹ schlimm und lebhaft ist – ist ja gut, zeigt von Temprament, und ist viel besser, als so ein stilles ruhiges ›Hascherl‹ und du bist gewiß zufrieden, daß er ›aufzulösen‹ giebt.«52
Eine Anekdote, die Klimt in seiner Rolle als Vater beschreibt, übermittelte Mizzi selbst in einem Gespräch mit ihrer Urenkelin.53 Als der kleine Gustav seine Mutter mit einem ihm zum Spielen überlassenen hölzernen Fleischschlögel spielerisch schlägt, legt der Vater seinen Sohn kurzerhand übers Knie. Der Kleine wies daraufhin dem Vater beleidigt die Tür.
Die guten Vorsätze, Mizzi nie mehr nahezutreten, die Klimt anlässlich ihrer ersten Schwangerschaft gefasst hatte, hat er nicht eingehalten. Mizzi schenkte ihm im Juni 1902 ein zweites Kind.
Offensichtlich hatte Mizzi auch dieses Kind zu Hause im Beisein einer Hebamme entbunden. Der gesund geborene Otto starb nach zweieinhalb Monaten im September 1902. Wie lange die Beziehung Klimts zu Mizzi weiter bestand ist nicht klar. 1904 wurde das Haus in der Tigergasse abgerissen und Mizzi wohnte an verschiedenen Adressen, seit 1909 nachweislich in der Hernstorfertstraße 19 im 13. Bezirk.
Zu seinem Sohn Gustav blieb die Beziehung aufrecht. Als dieser noch nicht achtzehnjährig zum Militär wollte und den Vater um sein Einverständnis und finanzielle Unterstützung bat, lehnte Klimt ab, denn er wollte, dass Gustav junior zuerst seine Berufsausbildung beendete. Da er aber seinen Sohn nie offiziell anerkannt hatte, blieb ihm die Möglichkeit einzugreifen verwehrt und der Sohn rückte ein. Die letzte Begegnung zwischen den beiden verlief also enttäuschend. Als der Sohn aus dem Krieg zurückkehrte, war СКАЧАТЬ