Frühere Verhältnisse. Katrin Unterreiner
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Название: Frühere Verhältnisse

Автор: Katrin Unterreiner

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783902862426

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       Gustav Klimt, Schubert am Klavier, links Mizzi Zimmermann. Das Bild verbrannte 1945

       Liebe Mizzi!

      Voll von Kümmernis kann ich fast nicht schreiben.

       In dumpfer Verzweiflung brüte ich hin … ich bin verzweifelter als Sie jemals glauben können … immer erschien mir drohend die Gestalt ihrer armen lieben Mutter, ihres kranken Vaters, den ich nur einmal gesehen, immer und immer Ihre eigene liebe Gestalt, vorwurfsvoll in tiefer Kümmernis – das Herz wollte mir zerspringen vor Weh!

      Wie schön wäre alles gewesen unter normalen Umständen … Von Ihrem ersten Kommen an fühlte ich Sie als eine Art Verhängnis, ich ahnte es wäre besser Sie kämen nicht, aber ich konnte Sie nicht missen – der Künstler kam mit dem Menschen in Widerspruch

      Aber auch die Bestie im Menschen rührte sich – aber ich hielt sie nieder, wir hielten uns tapfer.

      Sie kamen jahrelang (2 Jahre) zu mir, dann sind Sie ausgeblieben, Sie waren rein von mir gegangen – vor der Jungfrau hatte ich heilige Scheu – wir waren gerettet.

      Sie kamen wieder, kamen verändert wieder, das Unheil nahm seinen Lauf.

       Seitdem verfluche ich den Träumer, welcher, bethört, so ganz vergaß, dass das irdische Leben weitab von einem erträumten liegt …39

      Das aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende Mädchen, ihr Vater war Haustischler die Mutter Weißnäherin, hatte offenbar große Angst vor der Reaktion ihrer Eltern auf ihre uneheliche Schwangerschaft und schien sie zunächst geheim gehalten zu haben:

       Sollte Ihre liebe gute Mutter so gar keine Ahnung haben?

       Liebe Mizzi vielleicht finden Sie den Muth ihr alles zu sagen – Mütter sind auch im Verdammen gütig – Ihre Mutter ist eine verständige intelligente Frau – vielleicht verurtheilt sie uns gnädiger als wir fürchten müssen, wenn sie unsere Reue, unsere Buße, unsere Leiden sieht – vielleicht findet sie es nicht so gräßlich unnatürlich – ist es denn auch so unnatürlich, so unbegreiflich, Mizzi?

       Ist es das Scheußlichste, was über zwei Menschenkinder kommen kann, muß ich hier unstet und flüchtig irren auf Erden?

       Bringen Sie mir ein wenig Trost indem Sie mir sagen, dass Sie mir ein wenig verzeihen, dass Ihre Mutter mich nicht ganz ganz verflucht – bringen Sie mir den Trost – ich brauche Kraft – die eiserne Pflicht gebietet es.40

      Trotz Reue und Verzweiflung wurde von Klimt eine Ehe mit Mizzi offensichtlich niemals angedacht, vielmehr erbat er sich von seiner Geliebten Kraft und Trost für seine Situation. Immerhin erklärte er sich sofort bereit, Mutter und Kind zu unterstützen und eine Vaterrolle zu übernehmen:

      Ich habe für das werdende Leben, für Sie selbst zu sorgen für alle Zukunft, ich will es in väterlichster Weise, Sie sollen versorgt werden als wären Sie meine Frau, ohne dass ich Ihnen nur im Geringsten wieder nahe trete.

      Für das Kindlein nehmen Sie sich eine verlässliche Frau welche es unter Ihrer Aufsicht bedient.

      Sie selbst haben allerlei Talente, ich glaube am meisten für bildende Kunst, für Malerei, pflegen und hegen Sie dies Talent, vielleicht werden Sie jene Künstlerin, welche Ihre Mutter, welche Sie selbst wünschen, ich will Ihnen dabei helfen was ich kann.

      Nach einer Seite hin will ich Sie wenigstens sorglos halten, für Ihre Zukunft sorgen, als kleine kleine Buße für den Jammer den ich über uns gebracht.

      Aber dazu brauche ich vor allem Kraft zu wachen aus der dumpfen Verzweiflung, brauche ich neue Hoffnung – Sie bringen mir diese, wenn Sie mir sagen, dass Sie mich und vor Allem dass mich Ihre liebe Mutter nicht ganz verflucht. – ich bitte um diesen Trost, dann will ich mit verdoppelter Kraft an meine Arbeit gehen – vielleicht gestaltet sich mein Leben erträglicher als jetzt – und ich muß leben, der Anderen wegen.

       Wird mir Trost?

      In der vielleicht ganz armseligen Hoffnung darauf schließe ich.

       Mit herzlichsten Grüßen Ihr tief unglücklicher Freund

       Gustav Klimt41

      Als sich die Schwangerschaft nicht mehr verbergen ließ, wohnte Mizzi an verschiedenen Adressen, unter anderem auch in Hotels.42 In der Folge dürfte Mizzi sich, wie in einer derartigen Situation damals üblich, bald aufs Land zurückgezogen haben, um ihre Niederkunft weitab vom Wiener Tratsch zu erwarten. Klimt kam für die Kosten auf.

       Gefällt es Ihnen dort nicht wo Sie sind so rücken Sie ein wenig näher, wir helfen uns durch fleißiges Schreiben über die paar Sommermonate hinweg, ist alles vorüber kommen Sie wieder nach Wien, wieder zu mir, lassen sich in Wien häuslich und niedlich nieder, nehmen sich eine verlässliche Bedienerin, werden das Kindlein, falls es am Leben bleibt, lieb haben, ebenso ich, wir werden beide jeder in seiner Art sorgen, dass ihm nichts abgeht, es wird sich finden dass ich nicht so garstig sei wie Sie sich’s ausmalen.43

      Für Mizzi schien die Situation naturgemäß nicht einfach gewesen zu sein und auf ihre Nöte und Sorgen, die sie ihm brieflich mitteilte, reagierte Klimt wieder mit einem verzweifelten Apell, die schwierige Situation nicht zusätzlich zu belasten:

      So geht das nicht liebe Mizzi, wir müssen uns bessern, schönere Briefe schreiben als bisher, das sind ja die reinsten Selbstmörderbriefe, so geht das nicht.

      Wir machen das Ganze dadurch nicht besser, sondern schlechter.

      Das Brieflein, welches Sie mir schrieben zur Bestätigung des Empfanges der telegrafischen Anweisung, war nicht ohne Humor geschrieben, ich war erfreut darüber, war sofort besser gestimmt, ja es schien mir als wäre es wirklich und wahrhaftig Frühling, denn ich fühlte aus dem Briefe als wären Sie nicht so ganz, ganz unglücklich.

      Kurz war die kleine Freude, es kam der eine kurze Unglücksbrief, es kam der zweite Jammerbrief, ich war so unglücklich wie zuvor.

      Wir dürfen uns nicht solche Briefe schreiben, nicht so im Jammer wühlen und in schwärzesten Gedanken uns vergraben, wir werden beide ja ganz trübsinnig, nein das dürfen wir nicht, im Gegentheil, wir müssen uns so gut es geht, gegenseitig zu trösten suchen, einer milderen besseren Lebensauffassung Raum geben

      Wie wurde mein Brief missverstanden, oder habe ich mich schlecht ausgedrückt, der sollte doch ganz Anderes sagen, als Sie und Ihre Frau Mama herausgelesen haben! Sollte er doch sagen daß das ganze Verhältnis zu einander nicht fleischlicher Lust, nicht thierischer Gier entsprang.

      Es begann doch so ideal wie möglich, in reiner künstlerischer Verehrung der äußeren Erscheinung in reiner platonischer Zuneigung.

       Wollte Gott, es wäre dabei geblieben!

       Welchen Jammer hätten wir uns erspart liebe Mizzi!

       Wo war denn unsere ganze Sünde, vielmehr meine Sünde? daß ich Sie lieber hatte als ich sollte, dass ich Sie lieb hatte und Sie nicht lieb СКАЧАТЬ