Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Fast sofort müssen wir auf die Seleniten gestoßen sein. Es waren sechs, und sie gingen mit dem merkwürdigsten Pfeifen und mit winselnden Tönen in einer Reihe über eine felsige Fläche. Sie schienen uns alle sofort zu bemerken, sie verstummten alsbald und standen regungslos wie die Tiere da, das Gesicht uns zugewendet.
Einen Moment war ich ernüchtert.
»Insekten«, murmelte Cavor, »Insekten! Und die meinen, ich soll auf dem Bauch herumkriechen, auf meinem Wirbeltierbauch!«
»Bauch«, wiederholte er langsam, als kaue er die Schmach.
Dann tat er plötzlich mit einem Schrei der Wut drei riesige Schritte und sprang auf sie zu. Er sprang schlecht; er überschlug sich ein paarmal in der Luft, wirbelte gerade über sie hin und verschwand mit einem ungeheuren Klatschen in den Kaktusblasen. Was die Seleniten von diesem erstaunlichen und meiner Meinung nach würdelosen Einfall von einem anderen Planeten her hielten, kann ich auf keine Weise erraten. Mir ist, ich erinnere mich des Anblicks ihrer Rücken, als sie in allen Richtungen davonliefen, aber ich bin nicht sicher. All diese letzten Ereignisse, ehe das Vergessen kam, sind in meinem Geist unbestimmt und blass. Ich weiß, ich tat einen Schritt, um Cavor zu folgen, glitt aus und fiel kopfüber unter die Felsen. Ich bin sicher, dass mir plötzlich und heftig übel wurde. Mir ist, ich entsinne mich eines heftigen Ringens, und wie ich von metallischen Klammern gepackt wurde.
Meine nächste klare Erinnerung ist die, dass wir in ich weiß nicht welcher Tiefe unter der Oberfläche des Mondes gefangen waren; wir waren unter unheimlichen irremachenden Geräuschen im Dunkeln; unsere Körper waren mit Schrammen und Quetschungen bedeckt, und unsere Köpfe von Schmerz gefoltert.
12 – Das Gesicht des Seleniten
Ich wurde mir bewusst, dass ich in aufgeregtem Dunkel zusammengekauert saß. Lange Zeit konnte ich nicht begreifen, wo ich war, noch wie ich in diese Schwierigkeit geraten war. Ich dachte an den Schrank, in den ich als Kind zuweilen gesteckt worden war, und dann an ein sehr dunkles und geräuschvolles Schlafzimmer, in dem ich während einer Krankheit geschlafen hatte. Aber diese Geräusche um mich waren nicht die Geräusche, die ich gekannt hatte, und in der Luft hing ein dünner Geruch wie der Hauch eines Stalles. Dann nahm ich an, wir müssten noch an der Sphäre arbeiten, und irgendwie sei ich in den Keller von Cavors Haus geraten. Ich besann mich, dass wir die Sphäre vollendet hatten, und dann meinte ich, ich müsse noch darin sein und durch den Raum reisen.
»Cavor«, sagte ich, »können wir nicht etwas Licht machen?«
Es kam keine Antwort.
»Cavor!«, beharrte ich.
Ein Stöhnen antwortete mir. »Mein Kopf!«, hörte ich ihn sagen, »mein Kopf!«
Ich versuchte die Hände an die Stirn zu drücken, die schmerzte, und ich entdeckte, dass sie zusammengebunden waren. Das erschreckte mich sehr. Ich hob sie bis zu meinem Munde und fühlte die kühle Glätte von Metall. Sie waren zusammengekettet. Ich versuchte die Beine auseinanderzutun und erfuhr, dass sie ähnlich gefesselt waren, und auch, dass ich durch eine dickere Kette mitten um meinen Rumpf an den Boden gefesselt war.
Dies erschreckte mich mehr, als es in allen unsern seltsamen Erlebnissen noch irgend etwas getan hatte. Eine Zeit lang zerrte ich schweigend an meinen Fesseln. »Cavor!«, rief ich scharf. »Warum bin ich gebunden? Warum haben Sie mir Hände und Füße gebunden?«
»Ich habe Sie nicht gebunden«, antwortete er. »Das haben die Seleniten getan.«
Die Seleniten! dabei blieb mein Geist eine Weile stehen. Dann kamen mir meine Erinnerungen zurück: Die Schneewüste, das Auftauen der Luft, das Wachsen der Pflanzen, unser seltsames Hüpfen und Kriechen unter den Felsen und der Vegetation des Kraters. All die Not unserer wahnsinnigen Suche nach der Sphäre kam mir zurück … Schließlich die Öffnung des großen Deckels, der das Loch verbarg.
Dann, als ich mich anstrengte, unsere späteren Bewegungen bis zu unserer gegenwärtigen Lage aufzuspüren, wurde der Schmerz in meinem Kopfe unerträglich. Ich kam an eine unübersteigbare Schranke, eine hartnäckige Lücke.
»Cavor!«
»Ja?«
»Wo sind wir?«
»Wie soll ich das wissen?«
»Sind wir tot?«
»Was für ein Unsinn!«
»So haben sie uns?«
Er gab außer einem Grunzen keine Antwort. Die noch zögernden Reste des Giftes schienen ihn merkwürdig reizbar zu machen.
»Was gedenken Sie zu tun?«
»Wie sollte ich wissen, was zu tun ist?«,
»O, schön!«, sagte ich und verstummte. Dann erwachte ich aus einer Starrheit. »O Himmel!«, rief ich, »ich wollte. Sie ließen dies Summen!«
Wir versanken wieder in Schweigen und lauschten auf den dumpfen Wirrwarr von Geräuschen gleich den gedämpften Lauten einer Straße oder einer Fabrik, die uns die Ohren füllten. Ich konnte nicht daraus klug werden, mein Geist verfolgte erst einen Rhythmus und dann einen anderen und befragte ihn vergebens. Aber nach langer Zeit wurde ich mir eines neuen und schärferen Elements bewusst, das sich nicht mit dem Rest vermischte, sondern sich gleichsam von jenem wolkigen Hintergrund von Tönen abhob. Es war eine Reihe relativ sehr wenig bestimmter Töne, ein Klopfen und Reiben, wie wenn ein loser Efeuzweig an ein Fenster schlägt, oder ein Vogel auf einer Schachtel umherhüpft. Wir lauschten und spähten um uns, aber das Dunkel war eine sammetene Decke. Es folgte ein Geräusch wie die feine Bewegung der Hemmung einer gut geölten Uhr. Und dann erschien vor mir, gleichsam in einer schwarzen Unermesslichkeit hängend, eine dünne helle Linie.
»Sehn Sie!«, flüsterte Cavor sehr leise.
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