Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Wie wir jetzt wissen, enthält die Atmosphäre der Erde weit mehr Sauerstoff oder, anders ausgedrückt, weit weniger Argon als die des Mars. Die kräftigenden Einflüsse dieses Übermaßes von Sauerstoff auf die Marsbewohner trugen unstreitbar viel dazu bei, der erhöhten Schwere ihrer Körper das Gleichgewicht zu halten. Und in zweiter Linie übersahen wir die Tatsache, dass so beträchtliche Intelligenzen, wie die Marsleute sie besaßen, vollkommen befähigt waren, im Notfall sich ohne jeden Muskelaufwand zu behelfen.
Zu jener Zeit aber erwog ich diese Punkte nicht; und scheiterten meine Berechnungen völlig an den Fähigkeiten jener Eindringlinge. Durch die Tröstungen meiner eigenen Tafel, durch Wein und Speise, durch die Notwendigkeit, meine Frau zu beruhigen, wurde ich selbst nach und nach beherzter und sorgloser.
»Sie haben eine große Dummheit begangen« sagte ich, mein Weinglas ergreifend, »sie sind gefährlich, weil sie selbst aus Furcht ganz toll geworden sind. Vielleicht erwarteten sie nicht, hier lebende Wesen zu finden, gewiss aber nicht intelligente Lebewesen. Im schlimmsten Fall wirft man eine Bombe in die Grube. Die wird sie alle töten.«
Die ungeheuere Aufregung über die letzten Ereignisse hatte meine Auffassungskraft ohne Zweifel in einen Zustand großer Reizbarkeit versetzt. Ich erinnere mich jener Mahlzeit noch jetzt mit großer Deutlichkeit. Das liebliche und ängstliche Gesicht meiner Frau, wie es unter dem rosafarbenen Lampenschirm nach mir blickte, das weiße Tischtuch mit den silbernen und gläsernen Gerätschaften — denn in jenen Tagen erlaubten sich selbst philosophische Schriftsteller manch kleinen Luxus — der purpurrote Wein in meinem Glas, das alles lebt in fotografischer Treue in mir. Am Ende des Tisches saß ich selbst, spielte mit meiner Zigarette, beklagte Ogilvys Übereifer, und verwünschte die kurzsichtige Furchtsamkeit der Marsleute.
VIII. Freitag Nacht
Von allen den sonderbaren und erstaunlichen Dingen, die sich an jenem Freitag zutrugen, war für meine Begriffe das merkwürdigste die Verquickung der Alltagsgewohnheiten unserer gesellschaftlichen Ordnung mit den ersten Anzeichen jener Reihe voll Ereignissen, welche diese gesellschaftliche Ordnung über den Haufen werfen sollten. Hätte man am Freitag Nacht mit einem Zirkel einen Kreis von fünf Meilen im Halbmesser rund um die Sandgruben in Woking gezogen, so hätte man — davon bin ich überzeugt — außer etwa den Angehörigen Mr. Stents oder der paar Radfahrer, oder der Londoner, die tot auf der Weide lagen, kein menschliches Wesen außerhalb dieses Kreises gefunden, dessen Empfindungen oder Gewohnheiten nur im Geringsten von den Neuankömmlingen berührt wurden. Viele Leute hatten natürlich von dem Zylinder gehört; wenn sie Zeit hatten, sprachen sie wohl auch davon; sicherlich aber machte die Geschichte längst nicht den aufregenden Eindruck, den etwa ein Ultimatum an Deutschland geweckt hätte.
In London wurde in jener Nacht das Telegramm des armen Henderson, das die allmähliche Aufschraubung des Geschosses beschrieb, allgemein für eine Ente gehalten, und sein Abendblatt telegrafierte an ihn um eine aufklärende Bestätigung; da aber keine Antwort von ihm eintraf — der Mann war ja tot — beschloss man, keine Sonderausgabe zu veranstalten.
Selbst innerhalb des Fünf-Meilen-Kreises blieb die große Mehrheit der Leute gleichmütig. Das Betragen der Männer und der Frauen, mit denen ich sprach, habe ich schon beschrieben. Im ganzen Umkreis setzten sich die Leute am Mittag und am Abend zu Tisch; Arbeiter besorgten nach dem Tagewerk ihren Garten, Kinder wurden zu Bett gebracht; junge Leute und Liebespaare lustwandelten in den Heckenwegen; Gelehrte saßen über ihren Büchern.
Mag sein, dass in den Dorfstraßen allerlei wirre Reden gingen, dass in den Schenken ein neuer und siegreicher Gesprächsstoff auftauchte, dass ab und zu ein Bote, oder sogar ein Augenzeuge der jüngsten Ereignisse, einen Sturm von Aufregung, wildes Geschrei und erschreckte Zusammenläufe verursachte. Aber im großen Ganzen ging das alltägliche Treiben, Arbeiten, Essen, Trinken, Schlafen weiter wie seit ungezählten Jahren — als ob es keinen Planeten Mars am Himmel gäbe. Selbst auf der Station Woking, in Horsell und in Chobham war das der Fall.
Am Knotenpunkt von Woking sah man noch in später Stunde Züge halten und abfahren, andere wurden verschoben, Reisende stiegen aus und warteten, und alles ging in der gewohnten Weise vor sich. Ein Zeitungsjunge von der Stadt verkaufte, unbekümmert um Mr. Smiths Monopol, die Blätter mit den Neuigkeiten des Nachmittags. Das Klirren und Stoßen der Laster und die gellenden Pfiffe der Lokomotiven vermischten sich mit seinem Geschrei: »Männer vom Mars!« Um neun Uhr kamen einige erregte Leute mit unglaubwürdigen Berichten auf den Bahnhof, riefen aber keine größere Verwirrung hervor als etwa Betrunkene. Leute, die in der Richtung nach London fuhren und durch die Wagenfenster in die Dunkelheit hinausblickten, sahen nur einen seltsamen, flackernden, immer wieder erlöschenden und immer wieder auftauchenden Lichtschein gegen Horsell zu schimmern, sahen eine rote Glut und einen dünnen Schleier Rauch zum Himmel treiben; und sie dachten weiter nichts, als dass dort ein Heidefeuer brenne. Nur als der Zug am letzten Stück des Weidelandes vorüberfuhr, konnte man einige Aufregung bemerken. An der Gemeindegrenze von Woking brannten etwa sechs Landhäuser. In allen Häusern der drei Dörfer auf der Weideseite brannte Licht und die Leute wachten bis Tagesanbruch.
Neugierige Menschenhaufen hielten sich hartnäckig auf den Brücken in Chobham und in Horsell auf. Leute kamen und gingen, aber die Menge blieb. Einige waghalsige Gesellen schlichen sich, wie man später hörte, in die Dunkelheit hinaus und krochen ganz nahe an die Marsleute heran; aber sie kehrten nie wieder zurück; denn von Zeit zu Zeit СКАЧАТЬ