Название: Magdalenes Geheimnis
Автор: Christina Auerswald
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783954626588
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Gertrud wurde rot und nickte. »Darf ich … darf ich das Kind sehen?«
Magdalene lächelte. Sie nahm den Hans von ihrer Schulter, an der sie ihn getragen hatte, legte ihn auf den großen Tisch und sagte: »Er muss sowieso neu gewickelt werden. Du könntest mir gleich dabei helfen.«
Gertrud begann zu strahlen. Magdalene schob die Tasse ein Stück zur Seite und zog die Nadeln heraus, mit denen Hans’ Tücher gesteckt waren. Gertrud öffnete den Mund staunend. »Er ist so klein«, flüsterte sie, »seine Finger sind winzig.« Hans streckte sich, als er die frische Luft an seinen Gliedern fühlte. Er begann die Beine zu bewegen, die sonst in den gewickelten Tüchern eng aneinander gedrückt waren, damit sie gerade wuchsen. Der Kleine öffnete die Augen. Er konnte schon sehen, wenn sich etwas vor ihm bewegte, und seit einigen Tagen hatte Magdalene stets das Gefühl, dass er ihr mit seinen Blicken folgte. Gertrud klatschte in die Hände. »Oh, er hat wunderschöne braune Augen! Genau wie der Meister Rehnikel!«
Magdalene lächelte. »Warum nicht?«
Gertrud meinte abfällig: »Die Else meint, das Kind könne nicht von Meister Rehnikel sein, weil der niemals so etwas getan hätte wie ein Mädchen irgendwo festzuhalten, um seinen Spaß an ihr zu haben.«
»So, meint sie das?« Magdalene richtete sich gerade auf.
»Ja, sie sagt, sie glaubt nicht, dass er in der Lage wäre, eine junge Frau wie Euch zu bezaubern.«
Magdalenes Stimme wurde weich, weil ihr Inneres hart geworden war. »Du kannst der Else berichten, dass der Kleine das Ebenbild meines lieben Mannes ist. Du kannst ihr außerdem sagen, dass mich der Meister nicht festhalten brauchte, weil ich freiwillig bei ihm geblieben bin, denn ich bin von ihm ganz hingerissen.«
Gertruds Augen rundeten sich vor Staunen. Sie sah zu, wie Magdalene den Kleinen putzte, ihm eine neue Windel umlegte und ihn in sein Tuch steckte. Unter einem neuen Knicks zog sie sich zurück.
Magdalene kostete von dem Kaffee, als die Magd gegangen war. Das dunkle Getränk roch merkwürdig und schmeckte bitter und verbrannt, deshalb ließ sie es auf dem Tisch stehen. Sie hob Hans auf und ging ans Fenster. Der mit den runden Butzenscheiben verglaste Streifen endete in Höhe ihrer Brust. Sie konnte ungehindert durch das schöne flache Glas sehen, in dem sich die Sonne spiegelte.
Von oben betrachtete sie das Treiben auf der Straße. Mädchen gingen lachend und kichernd vorbei. Sie gehörte nicht mehr zu denen, sie war jetzt eine verheiratete Frau. Auf den Stufen klangen Schritte. Magdalene konnte sie jetzt schon voneinander unterscheiden. Da kam Georg Rehnikel herauf, ihr Mann. Niemand sollte an der Geschichte zweifeln, die zu ihrer Heirat gehörte, ganz bestimmt nicht die Altmagd Else. Magdalene würde dafür sorgen.
Herr Rehnikel trat ins Zimmer. Auf seinem Gesicht stand nichts zu lesen, er war ernst und hielt die Lippen fest geschlossen. Es mochte sein, dass sie ihn am Abend zu hart behandelt hatte. Auf einmal tat es Magdalene leid. Sie hätte ruhig ein bisschen freundlicher zu ihm sein können.
Seine braunen Augen ruhten fest auf ihr. »Ich danke Euch für den Kaffee«, begann sie. »Ich habe noch nie in meinem Leben welchen getrunken.«
Eine Strähne seines von grauen Fäden durchzogenen Haares fiel nach vorn über die hohe Stirn. »Er scheint nicht nach Eurem Geschmack zu sein. Ihr habt ja nur genippt.« Herr Rehnikel zog die Tasse herüber und ging damit zu ihr ans Fenster. Sie nahm sie entgegen. Die Tasse war noch warm, eine Wohltat für ihre eiskalten Finger. »Er schmeckt ein bisschen bitter, nicht wahr?«, urteilte sie zaghaft. Dabei verzog sie unwillkürlich das Gesicht.
Herr Rehnikel lächelte. »Ihr findet ihn scheußlich! Mögt Ihr etwas anderes trinken?«
Magdalene schüttelte den Kopf.
»Ich würde Euch gern noch mehr zeigen. Ihr wart schon im ganzen Haus, habe ich gehört. Den Laden habt Ihr mir zu schnell durchschritten. Der Laden ist mein Ein und Alles. Er war es, mit dem ich hier angefangen habe und ich stehe heute noch so oft darin, wie ich irgend kann.«
Sie nickte vorsichtig. Sie würden an der Küche vorbeikommen. Wahrscheinlich stand Else dort und würde sie sehen. Das war gut. Magdalene brachte das Kind in seine Wiege, dann stiegen sie gemeinsam die Treppe ins Erdgeschoss hinab.
Meister Rehnikel begann noch im Gehen zu erläutern. »Es gibt so viele Spezereien, dass man, um sie alle anzubieten, einen viel größeren Laden bräuchte. Leider sind die Interessenten nicht zahlreich genug. Nicht einmal zum Würzen nutzen die Köche, was ich zu bieten habe, denn alles und jedes wird hier in Salz eingelegt. Die Anwendungsgebiete für Spezereien sind vielfältig. Die neuen Manufakturen und alle Handwerker könnten welche brauchen, ob es Weber oder Schneider, Schmiede oder Köche sind. Die meisten hier wissen nicht, was man alles machen könnte, und es ist zu wenig Geld unter den Leuten, um etwas auszuprobieren. Solange die Stadt verschuldet ist, werden die Leute nicht wohlhabend werden. Deshalb bleibt mir für den Laden bloß das gewöhnliche Geschäft, das, was die Leute und die Handwerker der Umgebung benötigen. Seht.« Er ging die letzte Stufe in den Laden hinunter und wies auf die Regale.
»Was in diesem Raum lagert, sind zu großen Teilen die Gewürze des Orients. Gewürze sind meist Samen von Pflanzen, die aus fernen Ländern stammen. Samen, Früchte, Blätter und Wurzeln sind jene Pflanzenteile, die unter den Spezereien den wichtigsten Platz einnehmen. Darüber hinaus verkaufen wir gewisse Teile und Absonderungen von Tieren sowie Mineralien und andere Dinge aus dem Schoß der Erde. Ich finde die Pflanzen am interessantesten und nützlichsten. Sie wachsen von selber nach, was bei den Mineralien strittig ist. Seht hier!« Er griff in einen kleinen Korb und holte eine Handvoll Pfeffer heraus. Die schwarzen Körner lagen ruhig in seiner Hand. Er zerrieb eins zwischen Daumen und Zeigefinger, ein beißender Geruch stieg auf. Magdalene sog ihn durch die Nase und musste niesen.
»Ich mahle ihn erst vor den Augen der Kunden. Es ist eine frischere Würze, als wenn ich das Pulver lagere, und die Leute können genau sehen, dass ich sie nicht betrüge. Es ist holländischer Pfeffer. Sie bringen ihn zu Schiff aus Malabar. Es sind schöne dicke Körner, nicht wahr?«
Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern holte einen anderen Korb heran. »Nägelein. Sie wachsen auf Bäumen, auf den Molukkischen Inseln, und ich kaufe sie ebenso von den Holländern wie den Pfeffer. Riecht mal«, er streckte ihr eine Handvoll hin. »Bei mir kaufen Apotheker und machen davon gut riechende Medizin. Die Nägelein sollen der Herzstärkung dienlich sein. Oder seht, das hier sind Muskaten-Nüsse, die Kerne einer Frucht, die die Holländer von der Insel Banda in Asien bringen, wo sie dreimal im Jahr geerntet werden. Die besten Nüsse sind jene, die innen rötlich marmoriert sind, außen grau. Wenn sie voll fettiger Flüssigkeit sind, ist das ein gutes Zeichen, dann sind sie frisch. Ich muss diese Dinge genau wissen, wenn ich Waren kaufe. Ich habe Fuhrwerke nach Holland laufen und war schon mehrmals in Hamburg und Amsterdam, um Spezereien zu prüfen, ehe ich sie kaufe. Muskatenöl stelle ich selbst her. Das kaufen die Apotheker, und ich stehe mit meinem Namen für seine Güte. Ihr könnt alle Apotheker in der Stadt fragen, Rehnikels Muskatenöl wird jeder loben. Es soll dick und goldgelb aussehen. Riecht an dieser Flasche: Besitzt das Öl nicht ein herrliches Aroma? Sein Geschmack ist heiß und beißend, so soll es sein.«
»Wie macht man Muskatenöl?«, fragte Magdalene.
»Das ist ganz einfach«, erklärte Herr Rehnikel. »Man zerstößt zuerst die Nüsse grob. Dann dämpft man sie in einem härenen Sieb, wohl bedeckt, und nach einer gewissen Zeit, wenn sie gut erwärmt sind, presst man sie, in ein Tuch eingedreht, zwischen zwei warmen Blechen aus. Hervor rinnt das gewünschte Öl.«
Ganz einfach! Magdalene schnaufte bei СКАЧАТЬ