Название: Magdalenes Geheimnis
Автор: Christina Auerswald
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783954626588
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»Das war das Krankenzimmer der verstorbenen Frau«, erklärte Else. »Sie hat im März da drin ihren letzten Atemzug getan.« Magdalene schaute in den kleinen wohnlichen Raum mit einem Bett, einer Truhe und einem dunklen Wandschrank mit geschnitzter Krone. Er war gut gelüftet, das Fenster ging zur Pforte hinaus, wo unten die Menschen vorbeiquirlten. Im Schein der Junisonne tanzten kleine goldene Pünktchen durch den Raum, von der frischen Luft aufgewirbelte Staubkörnchen. Das Schlüsselbund in Magdalenes Hand klimperte. Übermütig rüttelte sie ein wenig mehr, dass es rasselte und schepperte, und trat mit festem Schritt auf den Gang hinaus.
Die andere Tür barg den Eingang in das künftige Zimmer ihres Sohnes. Ein mit einem Baldachin überwölbtes Bett, kleiner als ein gewöhnliches, mit weichen Kissen übersät, auf den hölzernen Dielen ein Teppich, mehr befand sich nicht in dem Raum. Dennoch lag er warm und freundlich vor ihr. Man sah durch ein Fenster auf die Straße herunter, wo Wagen fuhren und Leute gingen. Mit Schwung schloss Magdalene die Tür hinter sich, dass es knallte und die Magd empört die Lippen zusammenkniff.
Eine schmale Stiege führte hinauf ins Dachgeschoss. »Die Mägdekammern«, erklärte Else vor den drei Brettertüren unter den schindelbedeckten Dachsparren.
»Habe ich hier auch einen Schlüssel?«, fragte Magdalene. Else nickte säuerlich. »Ihr seid die Hausherrin, natürlich.«
Magdalene lächelte strahlend in Elses Essigmiene hinein, rasselte mit den Schlüsseln und lobte Reinlichkeit und übersichtliche Ordnung des Haushalts. Sie stieg die Treppe hinab, ohne sich umzudrehen, und fand sich in dem offenen Gang draußen vor dem Haus, wo ein lauer Luftzug wehte. Sie drehte sich einmal um sich herum und nickte. Ohne ein weiteres Wort ging sie zur unteren Treppe, gefolgt von Else.
Unten führten vom Treppenabsatz drei Türen, eine auf den Hof, eine zum Laden und eine in die Küche. Die klinkte sie auf und ging an einer jungen Magd vorbei zuerst auf das Fenster zu, öffnete den Riegel und sah auf die Straße hinaus, auf der die Leute von der Pforte zum Markt zogen. All der Lärm, das Geschrei und Geschwätz und Gepolter und Gekreisch drangen herein. Man sah zu ihr hinauf, wie sie da im Fenster stand. Das Herdfeuer brannte, die junge Magd rührte die Suppe und auf den Borden blinkten die metallenen Platten, auf denen die Speisen aufgetragen wurden. Ein großer Spülstein in der Ecke war sauber gescheuert, hölzerne Eimer mit frischem Wasser standen bereit. Niemals, als sie da draußen am Saaleufer lebte, hätte sie sich träumen lassen, eines Tages solch eine herrliche Küche zu führen.
»Wie ist dein Name?«, fragte sie die junge Magd.
»Gertrud«, flüsterte das Mädchen und zwinkerte erschrocken. Magdalene lächelte ihr zu und wandte sich dem nächsten Raum zu, hinter der Tür auf der anderen Seite des Korridors.
Es war der Laden, das Geschäft für die Leute der Stadt, die hier ein paar Kleinigkeiten erwerben wollten. Von den Deckenbalken hingen getrocknete Pflanzen. Der kleine Raum war an zwei Wänden bis zur Decke mit Regalen eingerichtet, in denen Fläschchen, Gläser, Kisten und Körbe miteinander um Platz rangen. Auf dem Boden standen Krüge und Kiepen, jedem einzelnen Gefäß schien ein eigener Duft zu entsteigen. Magdalene tastete, als sie sich an das Dämmerlicht des Ladens gewöhnt hatte, mit ihren Blicken die Regale ab. Sie hatte solch eine Vielfalt an Gefäßen noch nie gesehen. Was war die Ordnung der Apotheke am Markt gegen die wunderliche Mischung von rätselhaften Materialien, wie Herr Rehnikel sie hier stapelte!
Hinter dem Tisch, der eine Waage trug, stand ein glatzköpfiger Mann im leinenen Kittel eines Gesellen. Er verbeugte sich leicht.
»Ich bin Magdalene Rehnikel«, erklärte sie mit einem Lächeln. Es war das erste Mal, dass sie ihren neuen Namen aussprach. »Und wer seid Ihr?«
Er eilte um den Tisch herum, der sie getrennt hatte, und klappte zusammen wie ein Scherenmesser. Unter der neuerlichen tiefen Verbeugung hervor antwortete er: »Ich bin Jakob Lichtenberg, der Geselle Eures Gatten, unseres lieben Meisters.«
Magdalene nickte und sah hinter dem Mann eine weitere offene Tür. Sie ging darauf zu, Else wie einen Schatten hinter sich. Es war ein Vorratslager. Einen Keller gab es hier nicht, das war Magdalene klar, wegen der Nähe der Saale und der häufigen Hochwasser. Was bei den Bertrams im Keller lagern konnte, war hier säuberlich in der Vorratskammer aufgestapelt: Fässer, Kisten, Tonkrüge, Stiegen. Auf einem kleinen Tisch drängten sich Flaschen und ein Kessel, an einer Wand lehnte ein Warenregal. Der Meister hatte offensichtlich von hier einen kurzen Weg und lagerte alles, was sich im Laden schnell verkaufte, in dieser Kammer. Das erklärte, warum die Vorratskammer einen Hauch von dem Duft besaß, der im Laden herrschte, jenem fremdländischen, schweren Atem der Gewürze. Die kleinen, Schießscharten ähnlichen Fenster weit oben füllten den Raum mit einem diffusen Licht. Von den dicken Mauern her wehte Kühle.
Ein einziges Mal stellte Else eine Frage. »Soll ich den Einkauf erledigen, das schwere Tragen, Fleisch und Gemüse?«
Magdalene schüttelte den Kopf. Stattdessen diktierte sie den Speisenplan für den nächsten Tag und fragte: »Wie hast du es bisher mit dem Geld gehalten?«
»Der Meister hat mir gegeben, was für den Haushalt nötig war«, gestand die Magd mit nach vorn gerecktem Kinn und dünner Stimme.
Magdalene zückte ihr Büchlein. »Von heute an, Else, wird hier alles aufgeschrieben, jeder Einkauf und jeder Verbrauch. Wir halten jeden Abend Rechnung, und wir werden gut zurechtkommen, nicht wahr?«
Elses Miene sprach Bände. Es fehlte nicht viel, und sie hätte die Zähne gefletscht.
Magdalene stieg nach oben, um nach dem Kleinen zu sehen. In ihrer Hand trug sie das Schlüsselbund. Es fühlte sich gut an, ein Schlüsselbund zu besitzen. Sie holte den friedlich schlafenden Hans aus seiner Wiege und trug ihn auf den Armen durch das Zimmer. Am Erkerfenster blieb sie stehen. Von hier konnte sie den Graseweg vom Klaustor bis hinauf Richtung Markt einsehen. Gegenüber befand sich die kleine Gastwirtschaft. Wenn sie sich dicht ans Fenster lehnte, sah sie in der anderen Richtung hinterm Tor die Saalebrücke und ein Stück vom Fluss. Die schmale, gepflasterte Straße war an diesem Markttag voller Menschen und Wagen.
Die junge Magd trat hinter ihr ein. Magdalene hörte die Türklinke quietschen und drehte sich um. Das Mädchen besaß ein blasses Gesicht und Haare von der Farbe nassen Strohs unter der strengen Haube. Sie trug auf einem Tablett eine kleine blaue Tasse, knickste und stellte das Geschirr auf den Tisch. »Ich soll Euch Kaffee bringen, Frau Meisterin«, erklärte sie schüchtern, »das hat Meister Rehnikel gesagt. Er hat ihn selbst gemacht.« Dabei betrachtete sie Magdalene aus dem Augenwinkel. Sie blieb stehen, die Hände vor dem Schoß zusammengelegt.
Offensichtlich gab sich Herr Rehnikel als weltgewandter Mann. Nicht einmal Conrad Bertram war bisher auf diese Moden gekommen. Weder wurde bei Bertrams zu Hause auf dem Tablett serviert, noch wurde geknickst und erst recht kein Kaffee getrunken.
Das Mädchen schien auf irgendetwas zu warten, aber sie war zu schüchtern, um selbst zu fragen.
»Wie alt bist du, Gertrud?«, fragte Magdalene, um die Kleine aufzumuntern.
»Dreizehn«, antwortete das Mädchen schüchtern.
»Und gefällt es dir gut hier im Haus?«
Gertrud nickte. »Die Arbeit in der Küche ist schwer, aber das macht mir nichts aus. Die Else ist ein bisschen streng«, flüsterte sie, »und der Meister und der Jakob sind wirklich gute Menschen.«
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