Das Echo deiner Frage. Eva Weissweiler
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Название: Das Echo deiner Frage

Автор: Eva Weissweiler

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783455006445

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СКАЧАТЬ Botanik und Mineralogie verstanden wurden.[119]

      Im dritten und letzten Jahr entfiel dieses Fach. Dafür wurde ein wenig Physik gelehrt. Im Deutschunterricht ging es laut Lehrplan zwar um die Literatur »bis zur Gegenwart«, es werden aber keine Namen genannt, Stefan ZweigZweig, Stefan, Hugo von HofmannsthalHofmannsthal, Hugo von oder Arthur SchnitzlerSchnitzler, Arthur etwa. Die Aufsatzthemen blieben unverändert anspruchslos und banal: »Warum setzen sich die Menschen den Gefahren des Meeres aus?«, »Warum ist Italien das Land der Sehnsucht der Deutschen?« oder »Die Rolle des Waldes im Haushalte der Natur«. In Geschichte verließ man nie das Territorium des Habsburgerreichs. Deutschland, England oder Frankreich kamen nicht vor, ganz zu schweigen von Russland, Indien oder gar Amerika.[120]

      Im Juli 1909 schloss Dora die Gymnasialkurse ab, zusammen mit 14 anderen Mädchen, überwiegend Jüdinnen. Die meisten strebten nun das »richtige« gymnasiale Abitur an. Alle gaben an, studieren zu wollen, und zwar »Naturwissenschaften« (4), Medizin (4), Musikwissenschaft (1), Lehramt (1), Chemie (1), Philologie (1), Philosophie (1) und Mathematik (1).[121] Unmittelbar danach machte Dora das eigentliche Abitur am Akademischen Gymnasium in Wien, einer von Jesuiten gegründeten Eliteschule, die schon Hugo von HofmannsthalHofmannsthal, Hugo von, Arthur SchnitzlerSchnitzler, Arthur und Franz SchubertSchubert, Franz besucht hatten. Sie bestand wieder alles mit Auszeichnung, als Einzige der acht externen Schülerinnen, die mit einer Ausnahme alle vom Schwarzwald-Lyzeum kamen,[122] eine anscheinend sehr positive Bilanz für diese Schule.

      »Ein infames Luder«

      Viele Mädchen verblieben nach dem Abitur im Bannkreis SchwarzwaldsSchwarzwald, Eugenie, die mit ihrem Mann einen großen Salon führte, in dem SchönbergSchönberg, Arnold, KokoschkaKokoschka, Oskar, Adolf LoosLoos, Adolf und andere Wiener Künstler verkehrten. Es wurde zwar kein Alkohol getrunken, aber hoch her ging es trotzdem. Ehen, ob zu zweit oder zu dritt, wurden gestiftet und wieder auseinandergebracht. Die Geschlechterrollen vermischten sich. Frau SchwarzwaldSchwarzwald, Eugenie hatte ihre speziellen jungen Schützlinge, von denen man nie recht wusste, was sie eigentlich für sie waren: Ersatztöchter? Mitarbeiterinnen? Oder Geliebte? Wenn der berühmte Architekt Adolf LoosLoos, Adolf, Innenausstatter ihrer Villa, sich an kleine Mädchen heranmachte, drückte sie gerne mal ein Auge zu. Seine Frau ElsieLoos, Elsie war mehr als 30 Jahre jünger als er und ebenfalls Absolventin der Schwarzwald-Schule. Er kannte sie schon, seitdem sie sechs war. Doch eines Tages war sie ihm nicht mehr »jung« genug. Deshalb verging er sich immer wieder an kleinen Mädchen, bis er 1928 endlich angezeigt wurde, ein großer Schock für die Wiener Boheme. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung wurden Hunderte pornographischer Bilder von Fünf- und Sechsjährigen gefunden. Viele Kinder, die er missbraucht hatte, sagten gegen ihn aus, aber sein Anwalt Gustav ScheuScheu, Gustav, ein guter Freund SchwarzwaldsSchwarzwald, Eugenie, verstand es, sie unglaubwürdig zu machen, sodass er mit vier Monaten auf Bewährung davonkam. Zu seiner Rechtfertigung erklärte er, Eugenie SchwarzwaldSchwarzwald, Eugenie persönlich habe ihn beauftragt, »die Mädchen […] auf ihre sittliche Tauglichkeit für eine ihrer Kinderverschickungsaktionen« zu prüfen.[123]

      »War SchwarzwaldSchwarzwald, Eugenie hoffnungslos naiv?«, fragt sich ihre englische Biographin Deborah HolmesHolmes, Deborah. »Oder hielt sie die Gefahren, die die aufgeladene Atmosphäre mit sich brachte, für Betriebsunfälle, für einen unvermeidlichen Bestandteil ›schöpferischer Bildung‹?«[124]

      Nein, sie glaubte wohl zu sehr an Sigmund FreudFreud, Sigmund, der zwar 1896 vor dem »Verein für Psychiatrie und Neurologie« erklärt hatte, dass »Ausschreitungen von Wüstlingen« gegenüber Kindern zur »lebenslangen seelischen Verstümmelung« der Betroffenen führen würden,[125] spätestens 1905 – in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie – aber offiziell davon abgerückt war, indem er behauptete, Kinder hätten eine voll entwickelte sexuelle Libido und das Recht, diese befriedigt zu sehen. Kindliche Berichte über sexuellen Missbrauch seien in der Regel nur imaginiert oder Ausdruck von Wunschphantasien.[126] FreudFreud, Sigmund fand viel Widerspruch, etwa von William SternStern, William, einem Verwandten Walter Benjamins, der die »Anwendung der sogenannten ›Psychoanalyse‹« auf Kinder kategorisch ablehnte: »Diese Richtung will durch eine fessellose Deuterei in die unbewussten Tiefen der Kinderseele hineinleuchten, in denen sie nichts als ›infantile Sexualität‹ zu finden meint.«[127] Aber dennoch: FreudsFreud, Sigmund »Erkenntnisse« wurden von anderen hoch gepriesen, so auch von dem Kreis um Karl KrausKraus, Karl, der an die revolutionäre Kraft der Drei Abhandlungen glaubte und in ihnen den schlüssigen Beweis sah, »dass wir von den biologischen Vorgängen, in denen das Wesen der Sexualität besteht, (noch) lange nicht genug wissen«.[128] Eugenie SchwarzwaldSchwarzwald, Eugenie hegte eine große Bewunderung für Karl KrausKraus, Karl. Wahrscheinlich glaubte sie, ihren Schützlingen Gutes zu tun, indem sie FreudsFreud, Sigmund Sexualtheorie in die Tat umsetzte.

      Im Privathaus der Schwarzwalds fanden Führungen statt, an denen vermutlich auch Dora teilnahm. Eugenie SchwarzwaldSchwarzwald, Eugenie selbst nannte ihr Heim gern ein »Häusel«. Aber es war ein Museum der Dekadenz und des Luxus. Stiche von RaffaelRaffael hingen an den Wänden, ein Blüthner-Flügel stand im Musikzimmer, die Loggia war mit japanischen Matten tapeziert, ein blauer Salon barg eine erlesene Bibliothek, englischer Chippendale traf sich mit italienischer Renaissance und Korbmöbeln der Wiener Sezessionisten. Das Seltsamste aber war ihr gelbseidenes Schlafzimmer, das nur durch einen Vorhang vom Salon getrennt war, sodass sie immer kontrollieren konnte, was dort vorging. Halbwüchsige Mädchen saßen zwischen großen Künstlern und aßen Brötchen mit braunem Aufstrich, denn bunte Sandwiches waren LoosLoos, Adolf, einem Feind jeder Ornamentik, zuwider.[129]

      Dora muss in diesem Haus Schlimmes erlebt haben. Denn trotz der guten Noten, die sie ihr zu verdanken hatte, hasste sie »die SchwarzwaldSchwarzwald, Eugenie« von ganzem Herzen, womit sie übrigens nicht allein dastand. Für die einen war sie eine der besten Pädagoginnen der Neuzeit, für die anderen eine fette neureiche Galizierin, die skrupellos über die »Scherben gequälter Mädchenseelen« hinwegging.[130] Als SchwarzwaldSchwarzwald, СКАЧАТЬ